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Wahl-Krimi in Großbritannien

7. Mai 2015

Enger war es nie: Ob sich bei der britischen Parlamentswahl der konservative Premier Cameron oder der Labour-Kandidat Miliband durchsetzt, ist völlig offen. Die Unsicherheit könnte auch nach der Wahl Wochen andauern.

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Downing Street 10, die Residenz des Premierministers in London (Foto: dpa)
Wer zieht in die Downing Street 10, die Residenz des Premierministers in London, ein?Bild: P. Macdiarmid/Getty Images

Hochspannung auf der Insel: Ob nach der britischen Parlamentswahl an diesem Donnerstag der Amtsinhaber David Cameron Premierminister bleibt oder ob sein Labour-Herausforderer Ed Miliband das Land führen wird, vermag niemand seriös vorherzusagen. Wahlforscher sahen die Chancen für die beiden Politiker, die sich seit sechs Wochen eine für Großbritannien beispiellose Wahlkampfschlacht liefern, am Mittwoch bei jeweils 50 Prozent.

Die meisten Umfragen gehen davon aus, dass Camerons Konservative Partei einen leichten Vorsprung bei Stimmanteilen und Parlamentssitzen herausholen kann. Dagegen werden dem Herausforderer die besseren Bündnis-Optionen zugesprochen. Für keine der großen Parteien dürfte es zur absoluten Mehrheit reichen. Experten schließen eine wochenlange Hängepartie nicht aus. Und das Ergebnis werde "nicht so stabil sein wie die letzte Regierung", mutmaßte Politologe Tony Travers von der London School of Economics.

David Cameron würde gerne Premierminister bleiben (Foto: Getty)
David Cameron würde gerne Premierminister bleibenBild: AFP/Getty Images/T. Melville

Rund 35 Millionen Briten können ihre Stimme abgeben. Die etwa 50.000 Wahllokale schließen um 22.00 Uhr Ortszeit. Dann wird es auch Prognosen von Wahlforschern geben. Das Auszählungsergebnis könnte erst am Freitagnachmittag feststehen, vermutlich wird sich aber früher ein Trend abzeichnen.

Auf der Zielgeraden gaben sich die Kontrahenten kämpferisch. Er werde "keine Niederlage tolerieren", sagte Ed Miliband von der oppositionellen Labour Party der BBC. "Ich werde immer das Land voranstellen und tun, was ich kann, um eine starke und stabile Regierung zu liefern", sagte Premierminister David Cameron von den konservativen Tories dem Sender.

Lieber keine Koalitionsaussagen

Koalitionsaussagen vermied Cameron. Praktisch sehen aber Experten für ihn nur die Möglichkeit, das Bündnis mit den Liberaldemokraten fortzusetzen - gegebenfalls in lockerer Zusammenarbeit und nicht als förmliche Koalition. Die Liberaldemokraten von Nick Clegg sitzen seit 2010 als Juniorpartner in der Regierung, die Partei liegt in Umfragen bei acht Prozent. Doch für eine Fortsetzung der Koalition müsste Clegg seinen heftig umkämpften Wahlkreis in Sheffield in Nordengland unbedingt verteidigen. Dazustoßen könnte die nordirische DUP. Für eine solche Dreier-Konstellation sehen einige Wahlforscher Chancen.

Labour-Kandidat Ed Milliband (Foto: AFP)
Labour-Kandidat Ed MillibandBild: AFP/Getty Images/O. Scarff

Auf der anderen Seite des Spektrums könnte Labour-Herausforderer Ed Miliband mit Unterstützung der sozialdemokratisch ausgerichteten Abgeordneten der Schottischen Nationalpartei (SNP) und gegebenenfalls der Liberaldemokraten an einer regierungsfähigen Mehrheit basteln. Sicher scheint, dass die SNP Labour in Schottland als stärkste Kraft verdrängen wird – ihr wird im nördlichen Landesteil ein überwältigender Sieg mit über 50 der 59 dort zu vergebenden Sitze vorausgesagt. Damit würde sie in London zum Königsmacher. Parteichefin Nicola Sturgeon will Cameron unbedingt verhindern. Als ihr wahres politisches Ziel gilt aber die Abspaltung Schottlands vom Königreich. Die SNP hatte im Wahlkampf vor allem eine Abkehr vom Westminster-Establishment propagiert.

EU-Austritt als Option

Eine große Koalition gilt als ausgeschlossen. Bleibt Cameron im Amt, droht ein Austritt ganz Großbritanniens aus der EU. Darüber will der Tories-Chef sein Volk in zwei Jahren abstimmen lassen. EU-Chefdiplomatin Federica Mogherini gab sich am Mittwoch bei einem Besuch in Peking zuversichtlich, die Briten "werden EU-Mitglied bleiben". Das sei schließlich im ureigenen britischen Interesse.

Nigel Farage, Führer der UKIP (Foto: Reuters)
Nigel Farage, Führer der UKIPBild: Reuters/S. Plunkett

Mit dem Referendums-Versprechen will Cameron die vielen EU-Gegner auf der Insel einfangen. Deren Sammelbecken, der rechtspopulistischen Partei UKIP von Nigel Farage, werden - wie auch den Grünen - kaum Chancen eingeräumt, nach der Wahl signifikant politisch mitzumischen - obwohl die Europakritiker bis zu 15 Prozent der Stimmen erreichen könnten. Das britische Wahlrecht, bei dem ausschließlich Direktkandidaten ins Parlament einziehen, benachteiligt kleinere Parteien.

Zwei Tage vor der Wahl musste Farage mit Robert Blay seinen Direktkandidaten für den Wahlkreis Nordost-Hampshire opfern. Blay war von dem "Daily Mirror" dabei gefilmt worden, wie er seinen Tories-Rivalen im südenglischen Wahlkreis North East Hampshire, Ranil Jayawardena, bedrohte und als nicht britisch genug bezeichnete. Sollte Jayawardena einmal Großbritanniens erster asiatischstämmiger Premierminister werden, werde er "diesem Typen persönlich eine Kugel zwischen die Augen" schießen, sagte Blay in dem Video.

stu/gmf (dpa, afp, rtr)