Waffenstillstand in Myanmar
1. April 2015Mit Hilfe des Myanmar Friedenszentrums ist es nach sieben zähen Verhandlungsrunden gelungen, einen vorläufigen Waffenstillstand zwischen der Regierung und 16 einflussreichen Rebellengruppen zu unterzeichnen. Die Vereinten Nationen, die als Beobachter an den einjährigen Verhandlungen teilgenommen hatten, sprechen von einer "historischen Leistung" und einem "Meilenstein". Euphorisch äußerte sich auch der UN-Sondergesandte Vijay Nambiar. Ein neues Niveau des Vertrauens, der Zuversicht und der Kooperation zwischen den ehemaligen Feinden sei entstanden.
Seit der Unabhängigkeit 1948 herrscht in Myanmar Bürgerkrieg. In wechselnden Konstellationen und mit wechselnder Intensität haben bewaffnete Arme der ethnischen Minderheiten die Zentralregierung bekämpft. Es ging um mehr Autonomie. In den vergangenen zwanzig Jahren gab es zwar immer wieder Waffenstillstandsabkommen, diese erwiesen sich aber als brüchig.
Ein erster wichtiger Schritt
Vor dem Hintergrund des jahrzehntelangen Bürgerkriegs ist das jetzt zustande gekommene Abkommen dennoch ein großer Fortschritt. Myanmars Regierung unter Thein Sein ist damit seinem Anspruch, die Ära der Militärherrschaft hinter sich zu lassen, einen Schritt näher gekommen. Phuong Nguyen vom Zentrum für strategische und internationale Studien in den USA (CSIS) bremst im Interview mit der Deutschen Welle übergroße Erwartungen: "Man kann vorsichtig optimistisch sein."
Von einer landesweiten Befriedung des Landes ist die Regierung nämlich noch weit entfernt, sagt auch Tim Schröder, der für die Myanmar Peace Support Initiative arbeitet: "Meiner Einschätzung nach ist es ein wichtiger erster Schritt. Es ist aber wirklich nur der erste Schritt eines langwierigen und komplizierten Friedensprozesses, der sich über Jahrzehnte erstrecken wird." Außerdem sei es wohl so, dass wichtige Verhandlungspunkte im letzten Entwurf weggelassen worden seien, um eine schnelle Einigung zu erreichen. Die Frage nach der Gründung und Ausgestaltung einer föderalen Armee, die die Truppen der Zentralregierung und der ethnischen Minderheiten zusammenführen soll, ist beispielsweise völlig ungeklärt. Nguyen von CSIS erklärt: "Die Parteien können sich nicht darauf einigen, was eine föderale Armee eigentlich sein soll."
Noch viele Hürden zu meistern
Wie schwierig die Lage ist, zeigt unter anderem auch der Konflikt mit den Kokang-Rebellen des im Norden gelegenen Shan-Staates. Sie haben seit Februar 2015 den Kampf gegen die Zentralregierung wieder aufgenommen. Gesprächsangebote von Seiten der Kokang hat die Regierung bisher ausgeschlagen.
Hinzu kommt, dass das vorläufige Abkommen erst noch von den Anführern der jeweiligen ethnischen Gruppe abgesegnet werden muss. Dazu sind weitere Beratungen notwendig, die für Ende April oder Anfang Mai geplant sind.
Sämtliche offene Punkte "sollen dann in einem politischen Dialog adressiert werden", sagt Schröder. Deren Ausgang sei allerdings absolut ungewiss: "Hier kann man wirklich keine Prognose abgeben. Die Konfliktparteien auf beiden Seiten sind sehr unterschiedlich und vertreten zum Teil entgegengesetzte Ansichten." Er ist überzeugt: "Nur wenn es in Zukunft gelingt, eine neue politische Kultur zu etablieren, die frei von Misstrauen gegenüber politischen Kontrahenten sowie zu Kompromissen und Dialogen bereit ist, wird sich der Friedensprozess weiterentwickeln können."
Langwierige Friedensverhandlungen
In den letzten Monaten hatte die Regierung Myanmars viel Kritik einstecken müssen. Der Reformprozess sei ins Stocken geraten. Studentenproteste wurden von den Sicherheitskräften gewaltsam beendet. Journalisten beklagten sich über eine Verschärfung der Zensur. US-Präsident Barack Obama forderte freie und faire Wahlen für Myanmar.
"Das nationale Waffenstillstandsabkommen hat natürlich einen hohen symbolischen Wert für Präsident Thein Sein in Hinblick auf seine Reformbemühungen und seine Amtszeit", sagt Schröder, aber es sei noch keine Kehrtwende. Dazu müssten die Friedensverhandlungen abgewartet werden.
Präsidentschaftswahlen 2015
Mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen geht das Urteil der Experten auseinander. Für Schröder liegen die Verhandlungen über die Friedensabkommen und die Wahlen zeitlich so nah beieinander, dass sie sich gegenseitig behindern könnten. Die Friedensverhandlungen würden vom Wahlkampf überlagert werden. Eine Einigung sei deswegen unwahrscheinlich. Nach den Wahlen, könnte die neue Regierung neue Vorstellungen bezüglich des politischen Dialogs haben.
Nguyen vom CSIS glaubt, dass das Waffenstillstandsabkommen positive Impulse für die Wahlen hat. Es könnte den Weg für Wahlen in den Konfliktgebieten frei machen. Bei den letzten Präsidentschaftswahlen von 2010 hatte die Regierung in vielen Gebieten der ethnischen Minderheiten keinen Urnengang gestattet. "Dieses Mal Wahlen in Konfliktgebieten zu ermöglichen, wäre sehr im Interesse der Regierung. Sie will der internationalen Gemeinschaft zeigen, dass die Wahlen so inklusiv und glaubwürdig wie möglich sind." Die Wahlen sollen nach bisheriger Planung im November 2015 stattfinden.