Wacken Open Air 2023 versinkt im Schlamm
1. August 2023Wegen des starken Dauerregens, der derzeit über großen Teilen Deutschlands niedergeht, lassen die Veranstalter des
Heavy-Metal-Festivals im schleswig-holsteinischen Wacken (2. bis 5. August) keine weiteren Fans aus das Gelände. "Regen gibt es bei Festivals manchmal. Aber nur selten so viel", erklärten sie. Die "vernünftige Besucherkapazität" sei angesichts der Wetterlage erreicht, schrieben die Veranstalter bei Instagram. "Jede weitere Reise muss mit sofortiger Wirkung eingestellt und storniert werden." Zum ersten Mal in der Geschichte des Festivals sei diese Entscheidung
gefallen. "Wir sind sehr traurig, aber die weiterhin schwierige
Wetterlage lässt uns leider keine andere Wahl", hieß es weiter.
Fans reagierten ungehalten und kritisierten eine "unterirdische
Kommunikation". Einige hatten stundenlang vor dem Gelände ausgeharrt.
Wacken 2023 dauert einen Tag länger
85.000 Fans erwartet die 32. Ausgabe des Wacken Open Air Festivals - WOA genannt. In den letzten Jahren füllte sich das kleine Dorf Wacken im norddeutschen Bundesland Schleswig-Holstein schon Tage vorher mit schwarz gekleideten Menschen: schwarze Wacken-T-Shirts, schwarze Band-T-Shirts, schwarze Hosen, schwarze Shorts und Röcke, schwarze schwere Stiefel. Eigentlich sehen viele von ihnen sehr finster aus, mit ihren langen Haarmähnen, Tätowierungen und Piercings. Aber der Schein trügt - den Metalheads - so werden die Leute genannt, die gerne Metal hören - wird nachgesagt, dass sie die friedlichsten Menschen der Welt sind.
Auch wenn viele Bands das WOA-Publikum mit lauter, bösartiger Musik, brutalsten Gitarrenriffs und teuflischem Gesang beschallen, die Fans vor der Bühne im Moshpit (eine Art Tanzkreis) herumtoben und das Bier in Strömen fließt: Trotz der vorherrschenden Farbe schwarz hat das WOA mehr "Flower Power" als das berühmte Woodstock-Festival im Jahr 1969. Denn die Menschen hier sehen sich als eine einzige große Familie, die nichts anderes will als ein paar Tage ganz friedlich "die Sau raus lassen". In Ruhe und unter sich.
Faszination Wacken
Das macht Wacken wohl so einzigartig. Es gibt viele Metalfestivals in Europa, vom Hellfest in Frankreich über das Download in England bis Graspop in Belgien. Die sind zum Teil größer und von den Bands her noch hochkarätiger besetzt. Doch keinem dieser Festivals wird dieser besondere Spirit nachgesagt, der das WOA für die Fans so besonders macht. Weder die hohen Preise noch das Line Up noch schlechtes Wetter halten die Fans davon ab, aus allen Kontinenten der Erde anzureisen und gemeinsam auf ihrem "Heiligen Acker" zu feiern.
"Louder than hell" (Lauter als die Hölle) - unter dem Motto wird in diesem Jahr erstmals auf den großen Bühnen noch einen Tag länger gefeiert. Bereits am Mittwoch (2.8.23) begeht die deutsche Heavy Metal-Queen DORO in einer abendfüllenden Show ihr 40. Bühnenjubiläum.
Doch bereits ab Montag Abend gibt es Musik für die frühen Ankömmlinge - im Dorf Wacken etwa spielen Bands im "Landgasthof", kurz LGH genannt. Dort geben sich Newcomer und kleinere Metalbands die Ehre; eingeschworene Fans wissen, dass es da viele lohnenswerte "Überraschungseier" gibt. Auf dem Festivalgelände außerhalb des Dorfes können Fans auf einer kleineren Bühne namens "Welcome to the Jungle" ebenfalls Livekonzerte besuchen.
Frauenpower auf Wacken
Am Mittwoch mittag spielt die Feuerwehrkapelle der Gemeinde vor hunderten Metalheads alte Rock-Klassiker. Die "Wacken Firefighters" gehören traditionell zum festen Line Up des WOA.
Bevor DORO als erste Headliner-Band am Mittwoch Abend die große "Louder"-Bühne rockt, spielen dort schon ab mittags Bands mit ordentlich Frauenpower, darunter die deutsche Symphonic Metalband "Beyond the Black" mit Sängerin Jenny oder die brasilianische Frauenband Nervosa. Das WOA gilt als das Metalfestival mit den meisten weiblichen Acts - ob als Frontfrau oder als reine Frauenband.
Ebenfalls am Mittwoch beginnen die ersten Bands im sogenannten Metal Battle gegeneinander zu spielen. 30 Kandidaten aus der ganzen Welt spielen um einen Platz auf dem Siegertreppchen. Die Musikerinnen und Musiker kommen unter anderem aus dem karibischen Raum, Australien, Japan, Südafrika und der Ukraine. Der Metal Battle ist Festival-Gründer Thomas Jensen besonders wichtig, sagte er schon 2019 in einem DW-Interview: "Der Metal Battle zeigt, wo Metal überall stattfindet: in Krisengebieten, Kriegsgebieten. Da ist Musikmachen sicher ein ganz anderes Statement als hier bei uns. Wenn wir dafür eine Bühne bieten können, finden wir das großartig."
Sturm auf das "Infield"
Am Donnerstag wird das sogenannte "Infield" eröffnet - das ist der Platz vor den beiden Hauptbühnen "Faster" und "Harder". Traditionell wird das Gelände von zehntausenden wartenden Fans gestürmt - mit erhobenen Händen, die den Wacken-Gruß - die "Pommesgabel" zeigen und laut den Schlachtruf "Wackeeeeen!" brüllen.
Am Abend erwarten die Fans einige Metal-Schwergewichte wie etwa Hammerfall, Helloween, Kreator sowie die Altrocker von Uriah Heep.
Lord of the Lost sind auch dabei
Die Superbands Megadeth und Iron Maiden spielen am Freitag Abend. Und am Ende des Festivaltages kommt eine Band, die in Deutschland seit dem Eurovision Song Contest 2023 über die Metal-Fanbase hinaus bekannt geworden ist. Es sind die deutschen ESC-Teilnehmer Lord of the Lost. Die hatten beim ESC zwar nur den letzten Platz gemacht, was sie allerdings nicht besonders beeindruckte. Nach der Niederlage haben sie sich lediglich kurz geschüttelt, den Musikwettbewerb als tolle Erfahrung bezeichnet und sind dann mit Iron Maiden auf Tour gegangen. Verloren haben "LOTL" nur den ESC, aber sonst haben sie vieles gewonnen: Tausende neuer Fans sowie Verkaufszahlen, die in die Höhe schnellten.
Nach den finnischen Monsterrockern von Lordi (ESC-Sieger 2006) und der ungarischen Metalband AWS (ESC-Teilnehmer 2018) haben LOTL erneut die Gelegenheit zu zeigen, dass der Eurovision Song Contest und das Wacken Open Air sich nicht gegenseitig ausschließen.
Samstag, der vierte Festivaltag, wartet mit Heaven Shall Burn und den Dropkick Murphys auf. Sehens- und hörenswert ist auch die ukrainische Band Jinjer. Sängerin Tatiana Shmailyuk ist mit ihrem beeindruckenden Gesangsstil über die ukrainischen und europäischen Grenzen hinaus bekannt.
Ein Überraschungsact steht noch aus - unter den Fans wird schon gewitzelt, ob nicht doch dieses Jahr endlich mal Metallica nach Wacken kommen - die waren nämlich noch nie da.
Umfassendes Rahmenprogramm
Wer sich bei den vorher genannten Acts schon fragt, wann man sich das alles angucken soll, der hat noch keinen Blick auf das Rahmenprogramm geworfen. Das steht ganz unter dem Motto der Kultur der Wikinger, was sich im gesamten Erscheinungsbild ebenso wiederfinden wird wie in den künstlerischen Darbietungen, Programminhalten und weiteren Angeboten auf dem Gelände.
Die Künstlergruppe "Wasteland Warriors" feiert ihr zehnjähriges Jubiläum im "Wasteland", einem festen Bestandteil der Wacken-Welt. Hier gibt es Feuer, Metall, brüllende Motoren und alles, was man sich in einer post-apokalyptischen Welt vorstellt.
Das komplette Festivalgelände macht wie gewohnt die niederländische Metal Marching Band "Blaas of Glory" unsicher, die in bester Laune Coverversionen von berühmten Metalhits spielt.
Wer zur Ruhe kommen möchte, kann auch eine der vielen Lesungen und Panels besuchen, die am Rande des Spektakels angeboten werden - oder sich zum Metal-Yoga einfinden, das entspannt Nacken und Schultern nach dem Headbangen.
Und genau das werden die Metalheads in Wacken tun: ihre Haare schütteln, feiern, Musik hören und jede Menge Bier trinken - egal ob es regnet oder die Sonne scheint. Nicht umsonst heißt es bei Wacken-Fans: "See you on the Holy Ground - rain or shine".
Dies ist die aktualisierte Fassung eines Artikels vom 30.7.2023.