Belgische Museen machen sich über Facebook lustig
25. Juli 2018"Es ist zu Ihrer eigenen Sicherheit: Wir müssen Sie vor Nackten auf Gemälden beschützen." Mit diesen Worten versperren zwei in Uniform gekleidete Männer den Besuchern des Rubenshauses in Antwerpen die Sicht auf die Gemälde alter Meister, auf denen nackte Haut zu sehen ist. Festgehalten wurde das Ganze Schauspiel werbewirksam in einem YouTube-Video:
Auf ihren dunklen Uniformen prangen in Facebook-Blau die Lettern "fbi", "social media inspector". Gezielt fragen die Kontrolleure die Besucher nach einem eigenen Account in den Sozialen Medien. Diejenigen, die keinen haben, dürfen sich weiterhin dem Anblick der Gemälde erfreuen.
Wer jedoch einen Facebook-Account besitzt, wird gebeten, sich Gemälde ohne nackte Menschen anzusehen.
Skandal: Jesus nur mit Tuch um die Hüfte bekleidet
Die Aktion hat eine Vorgeschichte: Unter anderem mit dem Gemälde "Kreuzabnahme" des Malers Rubens, auf dem Jesus nur mit einem Tuch um die Lenden abgebildet ist, hatte die Tourismusbehörde der belgischen Region Flandern Werbung bei Facebook geschaltet, um auf ihr zweijähriges Sonderprogramm "Flämische Meister" aufmerksam zu machen.
Doch Facebook verbietet in seinen Werberichtlinien jugendgefährdende Inhalte. Dazu zählt der US-amerikanische Konzern "Nacktheit oder implizierte Nacktheit, auch zu künstlerischen oder pädagogischen Zwecken, außer bei Statuen".
Dass Peter Paul Rubens, der 1640 in seiner Heimatstadt Antwerpen starb, als künstlerisches Genie des 17. Jahrhunderts galt und mit seinen leuchtenden Farben, großformatigen Bildern und nicht zuletzt mit seinen Porträts üppiger, sinnlicher Frauen, den "Rubensfiguren", die europäische Barockkunst gegprägt hat wie kaum ein anderer, war den Facebook-Algorithmen gleichgültig. Nackt ist nackt, die Bilder wurden zensiert, die Werbeanzeigen waren online nicht mehr erreichbar.
Mit Mark Zuckerberg auf einen Kaffee
Das Video ist nun die Reaktion auf die Online-Zensur. Es erschien zusammen mit einem offenen Brief flämischer Museen an Facebook-Gründer Mark Zuckerberg. Darin beschweren sich die Vertreter von Museen und Tourismusbehörden: "Obwohl wir schon ein bisschen darüber lachen mussten: Ihre kulturelle Zensur macht uns das Leben schwer."
Sie beschreiben das Problem, bei der Verbreitung der Kunst auf Facebook angewiesen zu sein - mit all seinen Richtlinien - und bieten Zuckerberg an, bei einem Kaffee darüber zu beratschlagen.
Holocaust-Leugner haben leichteres Spiel
Mark Zuckerberg hatte mit seinen Vorstellungen, was auf Facebook erlaubt ist und was nicht, zuletzt vergangene Woche für Aufsehen gesorgt:
In einem Interview mit der Technik-Plattform "Recode" sagte er, dass er, selbst jüdisch, nicht glaube, dass Facebook das Leugnen des Holocaust auf seinen Seiten löschen sollte. Generell sei er der Meinung, dass sein Unternehmen Menschen nicht von seiner Plattform verbannen sollte, die falsche Dinge sagen - es sei denn, sie rufen zu Gewalt auf.
Den Holocaust zu leugnen gilt in Deutschland als Volksverhetzung und ist strafbar, in den USA ist es jedoch legal. In der Vergangenheit hat Facebook in Deutschland Posts gelöscht, die den Holocaust bestreiten. Dies wird wohl auch in Zukunft so bleiben. Für die USA gelte dies jedoch nicht.
Kritik an Mark Zuckerberg
Zuckerbergs Äußerungen hatten empörte Reaktionen nach sich gezogen. So kritisierte beispielsweise das Simon Wiesenthal-Zentrum, das unter anderem durch das Aufspüren noch lebender NS-Verbrecher bekannt ist, Zuckerberg heftig: Die Leugnung des Holocaust sei klassische Fake-News und der Holocaust das "am gründlichsten dokumentierte Verbrechen der Geschichte."
Facebook, das weltweit nach eigenen Angaben rund 2,2 Milliarden monatlich aktive Nutzer hat, arbeitet mit unabhängigen Faktenprüfern zusammen, die Falschnachrichten kontrollieren und deren Verbreitung eindämmen sollen.
Auch "Die Freiheit führt das Volk" von Eugène Delacroix zensiert
Die flämischen Museumsmacher haben mir ihrem Video einen sanften, wenn auch klickträchtigen Weg des Protests gegen Facebook gewählt. Bei Lösung ihres Problems winkt Zuckerberg sogar ein belgisches Bier, so der Brief der Belgier weiter. Die Initiatoren beklagen, dass kulturelles Erbe als pornografisch und jugendgefährdend eingestuft werde und meinen, dass Rubens' Werke bei Facebook zu sehen sein sollten.
Laut einem Bericht der belgischen Tageszeitung "Het Laatste Nieuws" habe Facebook bereits mit einer Einladung zum Kaffee geantwortet und habe bekräftigt, dass das Rubens' Gemälde in einem normalen Post nicht zensiert worden wären - in Werbeanzeigen seien die Regulationen strenger.
In der Vergangenheit waren den strikten Regeln bereits andere Kunstschätze zum Opfer gefallen. So war auch ein Bild der altsteinzeitlichen Statuette "Venus von Willendorf", das Abbild einer üppigen nackten Frau, von Facebook gelöscht worden. Fälschlicherweise, denn für nackte Statuen gibt es ja eigentlich eine Ausnahmeregelung bei Facebook. Ebenso wurde ein Foto des Gemäldes "Der Ursprung der Welt" des französischen Malers Gustave Courbet zensiert, das eine realistisch gemalte Vagina zeigt, sowie das berühmte Gemälde "Die Freiheit führt das Volk" des französischen Malers Eugène Delacroix aus dem Jahr 1830, das Marianne, die Nationalfigur der Französischen Republik als Anführerin des Volksaufstands während der Julirevolution zeigt.
Dem Malerrebell Rubens, dessen Gemälde im 17. Jahrhundert weniger angeeckt zu haben scheinen als im 21., hätte das Protest-Video gefallen, sind sich die Macher sicher: "Wäre Peter Paul Rubens seinerzeit auf Facebook gewesen, hätte seine Seite bestimmt besonders viele Abonnenten gehabt."
Mittlerweile hat das Netzwerk eine Prüfung seiner Richtlinien angekündigt. Wir möchten sicherstellen, dass Museen und andere Institutionen ihre Gemälde-Ikonen teilen können", sagte ein Unternehmenssprecher der Agentur epd. Bislang hatte Facebook darauf verwiesen, dass die unterschiedlichen kulturellen Ursprünge seiner Nutzer aus aller Welt berücksichtigt werden müssten, deshalb seien die Richtlinien manchmal "breiter gefasst als es uns lieb ist".