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Neue "Fehlerkultur" für Bundeswehr

Marcel Fürstenau8. Oktober 2014

Die Verteidigungsministerin rechtfertigt ihren Kurs in der Rüstungspolitik und freut sich über Zuspruch der SPD. Derweil amüsiert sich die Opposition über die neue Bedeutung des Begriffs "stillgestanden!".

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Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen bei Soldaten.
Bild: picture-alliance/dpa

Ursula von der Leyen hat allen Grund zur Freude, denn sie feiert an diesem Mittwoch (08.10.2014) im Bundestag ihren Geburtstag. Parlamentsvizepräsident Peter Hintze beglückwünscht die Verteidigungsministerin im Namen des ganzen Hauses. Und er bedankt sich mit charmanten Worten dafür, dass sie trotz ihres Ehrentages zur Arbeit erschienen ist. Es wäre allerdings auch ein Affront gegenüber den Abgeordneten gewesen, hätte von der Leyen die von Linken und Grünen beantragte Aktuelle Stunde zur Rüstungspolitik geschwänzt.

Gesprächsstoff gibt es eine ganze Menge und den hat die Ministerin selbst geliefert, genau genommen: liefern lassen. Am Montag erhielt von der Leyen nämlich die von ihr in Auftrag gegebene Studie zu Rüstungsprojekten. Seitdem weiß sie schwarz auf weiß, wie schlecht es um die Ausstattung ihrer Truppe bestellt ist. Die Experten stellen dem Verteidigungsministerium ein verheerendes Zeugnis aus. Die schlechten Noten beziehen sich auf extrem überteuerte sowie zu spät oder gar nicht gelieferte Flugzeuge, Hubscharuber, Panzer und Schiffe. Und auf die über Jahre gewachsene Führungskultur im Hause von der Leyens. Die ist allerdings erst seit knapp zehn Monaten im Amt.

Bei der Ausrüstung "nicht immer genau hingeschaut"

Diese "schonungslose Analyse" sei nötig gewesen, sagt von der Leyen zu Beginn ihrer Ausführungen in der Aktuellen Stunde des Bundestages. Schon im nächsten Satz betont sie aber: "Deutschland ist gefordert und übernimmt seine Verantwortung." Auf keinen Fall will die Christdemokratin bei Bündnispartnern in der NATO oder gegenüber den Vereinten Nationen (UN) Zweifel an der Schlagkraft und Einsatzfähigkeit der Bundeswehr aufkommen lassen. Dieser Eindruck aber hat sich in den vergangenen Wochen verstärkt, weil Flugzeuge am Boden blieben oder Ersatzteile fehlten.

Abwehrraketen vom Typ "Patriot".
Auch die Abwehrraketen vom Typ "Patriot" sind in die Jahre gekommen und sollen durch neue ersetzt werden.Bild: Getty Images

Die Verteidigungsministerin räumt ein, in den vergangenen Jahren beim "Grundbetrieb" nicht immer "genau hingeschaut" zu haben. Damit meint sie Zustand und Ausstattung der Truppe insgesamt. Als einen Grund für diese Nachlässigkeit nennt von der Leyen, dass der "Fokus" auf den Auslandseinsätzen gelegen habe. Und dabei habe die Bundeswehr ein Niveau erreicht, "um das uns die allermeisten Länder der Welt beneiden". Ausdrücklich dankte die Ministerin ihren Soldatinnen und Soldaten, die an vielen Orten der Welt ihren oft lebensgefährlichen Dienst leisten.

Probleme sollen schnell an die Leitungsebene gemeldet werden

Mit Hilfe des nun vorliegenden Berichts will von der Leyen den "Stau in der Rüstungsbeschaffung" auflösen. Von ihr eingesetzte Taskforces sollen Maßnahmen entwickeln, um kurzfristig Probleme beim fliegenden Material zu lösen. Es gelte, eine neue "Fehlerkultur" zu entwickeln. Darunter versteht die Ministerin frühzeitige Meldungen an die Leitungsebene, wenn Probleme auftreten. Daran hat es nach ihrer Überzeugung in der Vergangenheit gehapert, es sei zu viel vertuscht worden.

Von der Leyen plädiert für einen ressortübergreifenden Konsens in der Rüstungspolitik. Bei Schlüsseltechnologien wie der militärischen Aufklärung müsse Deutschland souverän bleiben. Ausdrücklich erwähnt die Christdemokratin in diesem Zusammenhang das Reizwort Waffenexport. Der sozialdemokratische Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel bevorzugt dabei eine restriktive Praxis. Seiner Kollegin scheint das zu weit zu gehen, auch wenn sie es nicht ausdrücklich sagt.

"Sicherheit durch Aufrüstung" oder "Sicherheit durch Abrüstung"?

Aus Sicht der Opposition liefert Deutschland so oder so zu viel Waffen in alle Welt. Wolfgang Gehrcke von der Linken sieht einen grundsätzlichen Unterschied zwischen den verteidigungspolitischen Vorstellungen seiner Fraktion und denen des Bundeskabinetts. Die Regierung sei für "Sicherheit durch Aufrüstung", die Linke für "Sicherheit durch Abrüstung", sagt Gehrcke. Und er fügt hinzu: Wo über Sicherheit gesprochen werde, würden Rüstungsfirmen Profit machen.

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter redet im Bundestag.
Sorgte für den Lacher des Tages: Anton HofreiterBild: Getty Images

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter hält der Ministerin schließlich vor, laut nach mehr internationaler Verantwortung Deutschlands gerufen zu haben. Das Problem sei aber, dass Hubschrauber und Flugzeuge nicht fliegen und Panzer nicht fahren könnten. Dem militärischen Begriff "stillgestanden!" gebe die Verteidigungsministerin damit eine "ganz neue, einzigartige Bedeutung", spottet Hofreiter.

Rückendeckung vom Experten der SPD

Nach so viel Kritik darf sich von der Leyen über den Beistand Rainer Arnolds freuen. Der SPD-Verteidigungsexperte hält ihr zugute, die Probleme mit Rüstungsgütern nicht verursacht zu haben. Bei dem Versuch, die Strukturen im Ministerium zu verändern, werde er die Ministerin "in den nächsten Jahren unterstützen", verspricht Arnold. Seine Analyse deckt sich mit der von der Leyens. So seien etwa die Probleme beim "Euro Hawk" seit Jahren bekannt gewesen. Kritiker, die darauf hingewiesen hätten, seien aber als "Störenfriede" abgekanzelt und "vergrault" worden. Trotz aller Mängel bei der Ausrüstung, sei die Bundeswehr aber "leistungsfähig", betont der Sozialdemokrat. Und das liege an den Menschen, "die dort im Einsatz sind".