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Auto und MobilitätDeutschland

Volkswagen: Streik in der Krise

Mathis Richtmann
2. Dezember 2024

Autobauer Volkswagen steckt tief in der Krise und jetzt streikt die Belegschaft: Sie fordert mehr Geld, während der Konzern weiterhin Werke in Deutschland schließen und tausende Stellen abbauen will.

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Plakat mit der Aufschrift "Streikbereit": IG Metall-Streik bei Volkswagen Zwickau
Die VW-ler sind aufgebracht und - wie hier in Zwickau - streikbereitBild: Jens Schlueter/AFP via Getty Images

Zuerst waren es nur wenige, aber dann kamen sie in Scharen: Hunderte von Arbeitern im Volkswagen-Werk in Hannover versammelten sich vor Tor 3, zeigten Plakate mit der Aufschrift "Ihr wollt Krieg, wir sind bereit!" und schwenkten die roten Fahnen der mächtigen Gewerkschaft IG Metall.

In seinem Hannoveraner Werk produziert VW leichte Nutzfahrzeuge, darunter auch den elektrischen Kleinbus ID.Buzz, den Nachfolger des legendären Bulli - die Abkürzung für Bus und Lieferwagen -, der hier mehr als 65 Jahre lang vom Band lief, jetzt aber in der Türkei produziert wird.

Die VW-Arbeiter in Hannover beteiligen sich an einem Streik, der fast alle VW-Werke in Deutschland erfasst.

Große Wut

"Für mich ist das Wichtigste, dass sie diesen Produktionsstandort nicht schließen", sagt Hassan Savas, der seit 24 Jahren für VW arbeitet und sich nun einer Menge von Arbeitern anschließt, die auf dem örtlichen Marktplatz demonstrieren. "Sie sollten Bonuszahlungen abschaffen. Oliver Blume hat 10,3 Millionen Euro verdient und was bekommen wir?", so Savas zur DW.

Hassan Savas ist wütend über die Entscheidung des VW-Managements um den Vorstandsvorsitzenden Oliver Blume, mehrere VW-Werke in Deutschland zu schließen und Tausende von Arbeitsplätzen abzubauen. Einen solchen Schritt hat es in der über 75-jährigen Geschichte des Autobauers noch nicht gegeben und er erfolgt, nachdem der Konzern Anfang des Jahres eine Beschäftigungssicherungsvereinbarung mit den Gewerkschaften aufgekündigt hat, die Entlassungen bis 2049 ausgeschlossen hatte.

Beschäftigte von Volkswagen Nutzfahrzeuge beteiligen sich an einem Demonstrationszug in Hannover
Beschäftigte von Volkswagen Nutzfahrzeuge beim Demonstrationszug in HannoverBild: Moritz Frankenberg/dpa/picture alliance

Moritz ist Auszubildender im zweiten Lehrjahr und will seinen vollen Namen nicht veröffentlicht sehen. Viele VW-Arbeiter seien "wirklich wütend", sagt er der DW. "Auszubildende sollten mehr Geld bekommen und nach ihrer Ausbildung Verträge erhalten, aber das steht beides auf dem Spiel".

Lohnsteigerungen oder Entlassungen?

Während die Arbeiter im VW-Werk Osnabrück bereits einen neuen Tarifvertrag ausgehandelt haben und sich deshalb nicht am Streik beteiligen, hoffen die VW-Belegschaften an den anderen Standorten noch immer auf einen neuen Abschluss.

In Lohnverhandlungsrunde haben die VW-Arbeiter vor kurzem angeboten, Kosteneinsparungen in Höhe von 1,5 Milliarden Euro zu unterstützen, falls das Management die Schließung von Werken in Deutschland ausschließt. Allerdings warnten sie ausdrücklich, dass Volkswagen ein historischer Kampf bevorstünde, wenn der Konzern mit drastischen Kürzungen fortfahren wolle.

Die Gewerkschaften fordern eine Lohnerhöhung von mindestens sieben Prozent, das VW-Management drängt dagegen auf Lohnkürzungen von bis zu zehn Prozent. Europas größter Autobauer will außerdem drei Werke schließen, um der sinkenden Nachfrage Rechnung zu tragen, insbesondere der nach Elektrofahrzeugen.

Das Unternehmen ist hart getroffen durch die hohen Herstellungskosten im Inland, eine stockende Umstellung auf Elektrofahrzeuge und die harte Konkurrenz auf dem Schlüsselmarkt China.

Die IG Metall kündigte am Wochenende an, dass die Arbeitskämpfe am Montag mit einer Reihe von sogenannten Warnstreiks, also kurzen Arbeitsniederlegungen, beginnen würden, nachdem das Unternehmen in der vergangenen Woche die Vorschläge der Gewerkschaft zum Schutz der Arbeitsplätze abgelehnt hatte.

Die IG Metall rief schon am frühen Morgen vor dem Volkswagen-Werk Emden zum Warnstreik auf
Erinnerung für die Morgenmuffel: Heute wird gestreikt - wie hier in EmdenBild: Sina Schuldt/dpa/picture alliance

Der VW-Konzern, dem zehn Marken von Audi und Porsche bis Skoda und Seat gehören, erklärte in einer Stellungnahme, er "respektiere die Arbeitnehmerrechte" und glaube an einen "konstruktiven Dialog", um "eine dauerhafte Lösung zu erreichen, die kollektiv getragen wird". Das Unternehmen habe aber für die Dauer des Streiks "Maßnahmen ergriffen, um dringende Lieferungen zu gewährleisten".

Die Tarifverhandlungen sollen am 9. Dezember wieder aufgenommen werden. Die Arbeiter versammelten sich in Hannover und sagten, sie unterstützten die Forderung der Gewerkschaft nach dem "größten Streik, den VW je erlebt hat". Die Gewerkschaften sind bereit, die gegenwärtigen Warnstreiks im kommenden Januar noch auszudehnen.

Schwergewicht der deutschen Industrie

Die Streiks bei VW finden statt, während die mächtige deutsche Autoindustrie angesichts sinkender Nachfrage aus Europa und harter Konkurrenz aus China in einer tiefen Krise steckt. Und weil der Wolfsburger Autobauer Deutschlands größter Industriearbeitgeber ist, hat eine Krise bei VW auch Auswirkungen im gesamten Land.

Im Jahr 2023 waren laut dem Verband der Automobilindustrie (VDA) fast 780.000 Menschen in der deutschen Autoindustrie beschäftigt, davon mehr als 465.000 in der Teile- und Ausrüstungsversorgung der größten Automobilhersteller, darunter VW, BMW und Mercedes.

Die Verlangsamung der deutschen Autoproduktion hat inzwischen auch andere Hersteller als VW erreicht. Der Premium-Autobauer Mercedes plant beispielsweise Kostensenkungen in Höhe von mehreren Milliarden Euro. Der Reifenhersteller Continental wird weltweit 7.150 Mitarbeiter entlassen, und der Zulieferer von Elektronikteilen Bosch plant, bis zu 5.550 Stellen abzubauen.

Auch der US-Automobilkonzern Ford hat angekündigt, in Deutschland 2900 Stellen abzubauen. Beim Zulieferer ZF sind 14.000 Stellen gefährdet, bei der Schaeffler-Gruppe, einem weiteren wichtigen Automobilzulieferer, sind es 4700.

 

Dieser Beitrag wurde aus dem Englischen adaptiert.