Friedliches Abstimmungsende am Nil
16. Januar 2014Unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen ist in Ägypten der Volksentscheid über die neue Verfassung beendet worden. Der zweite Tag des Referendums verlief weitgehend ohne Zwischenfälle, nachdem am Dienstag bei Zusammenstößen zwischen Islamisten und den Sicherheitskräften mindestens neun Menschen getötet wurden. Ergebnisse von Wählerbefragungen deuteten an, dass eine Mehrheit für den Entwurf abgestimmt hat. Auch erste Äußerungen aus Regierungskreisen gingen von einer breiten Zustimmung aus.
Eine gute Nachricht für Militär und Übergangsregierung, die massiv für den Verfassungsentwurf geworben hatten. Die Übergangsregierung erhofft sich durch eine hohe Referendumsbeteiligung eine Stärkung ihrer Legitimität. Die Volksbefragung gilt auch als wichtiger Stimmungstest für Armeechef al-Sisi. Der Vizeministerpräsident und Verteidigungsminister ist seit der Entmachtung Mursis Anfang Juli der starke Mann Ägyptens. Er hat angekündigt, für die Präsidentenwahl zu kandidieren, wenn "das Volk dies will". Bei einer hohen Beteiligung am Referendum rechnen Experten damit, dass al-Sisi schon in Kürze seine Kandidatur bekannt geben wird.
Muslimbrüder ohne Macht und Einfluss
Die Anhänger des entmachteten islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi dürften weniger erfreut sein über das ruhige Wahlende. In der Hauptstadt Kairo versuchten sie mit der Blockade einer U-Bahnstation noch einmal Aufmerksamkeit zu erhalten, doch erfolgreich waren sie damit weniger. Die ägyptischen Behörden meldeten ansonsten kaum Vorfälle. Lediglich in Kairo lief die Abstimmung zunächst schleppend an. Die Staatsführung hoffe "auf eine Wahlbeteiligung von mehr als 50 Prozent", sagte ein Regierungssprecher nach Schließung der Wahllokale. Nach Behördenangaben soll das offizielle Resultat "binnen 72 Stunden" vorliegen.
"Wir haben den Muslimbrüdern vertraut und ihre Verfassung akzeptiert, ihre Regierung und ihr Parlament (...), aber sie haben uns getäuscht", sagte eine Ägypterin, während sie in Kairo vor einem Wahllokal wartete. "Jetzt stimmen wir für diese Verfassung, um aus der Krise zu kommen." Das umstrittene neue Grundgesetz enthält Fortschritte bei Bürger- und Frauenrechten, stärkt zugleich aber auch die Sonderstellung und den politischen Einfluss der Armee. Es soll nach den Worten von Interimspräsident Adli Mansur auch den Weg für Parlaments- und Präsidentschaftswahlen bereiten und so ein halbes Jahr nach dem Sturz Mursis die Rückkehr zur politischen Normalität ermöglichen.
In einer ersten Reaktion auf das Ende der Abstimmung äußerte US-Außenminister John Kerry die Hoffnung auf "einen transparenten und nachvollziehbaren Prozess, der den Menschen Vertrauen gibt, dass der ihnen versprochene Weg auch tatsächlich eingeschlagen wird".
nis/re (afp, dpa)