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Burundis Vizepräsident: "Kein drittes Mandat für Nkurunziza"

Eric Topona/lh25. Juni 2015

Wenige Tage vor der Parlamentswahl in Burundi ist Vizepräsident Gervais Rufyikiri nach Belgien geflohen. Im DW-Interview ruft er den umstrittenen Präsidenten Pierre Nkurunziza zum Machtverzicht auf.

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Burundi Vize-Präsident Gervais Rufyikiri. (Foto: AFP)
Bild: Getty Images/AFP/F. Coffrini

DW: Warum haben Sie so lange gewartet, bis Sie den Wunsch von Präsident Nkurunziza nach einer erneuten Kandidatur offen angeprangert haben?

Gervais Rufyikiri: Ich weiß nicht, ob ich zu lange gewartet habe. Man muss zur richtigen Zeit handeln. Ich wurde in Burundi belästigt und konnte meine Meinung nicht sehr frei äußern. Meine Kollegen im Weisenrat und ich haben unsere Meinung zum dritten Mandat des Präsidenten klar geäußert und wurden seitdem von Beratungen ausgeschlossen. Wir wurden auch bedroht. Ich möchte keine Namen nennen, aber ich habe genug Informationen, die bestätigen, dass ich nicht mehr sicher war.

Obwohl viele Mitglieder der Regierungspartei CNDD-FDD und viele Persönlichkeiten aus dem Umfeld vom Präsident Nkurunziza sich abgesetzt haben, sieht es aus, als ob das Regime sich noch an der Macht halten kann. Woher kommt diese Stärke?

Es dauert lange, bevor sich die Meinungen und Einstellungen der Menschen ändern, besonders wenn die Machthaber Abschreckungsmanöver und repressive Methoden nutzen. Wir haben die Gewalt während der Demonstrationen beobachten können. Die Übermacht der Polizei hat zum Tod vieler Demonstranten geführt. Wegen der Repressionen haben die Menschen Angst, die eigene Meinung frei zu äußern. Viele Burunder sind für die Einhaltung des Arusha-Abkommens* und der Verfassung, trauen sich aber nicht, offen darüber zu sprechen.

General Godefroid Niyombare hat versucht, den Präsidenten zu stürzen. Sie waren damals noch in Burundi. Warum glauben Sie, dass der Putsch gescheitert ist? Ist die Armee gespalten?

Ich kenne die Gründe für das Scheitern des Putsches am 13. Mai nicht. Es gibt aber Zeichen dafür, dass die Armee nicht zusammenhält. Das Scheitern würde ich eher auf ihre schwache Organisationsstruktur zurückführen.

Glauben Sie, dass die abgesetzten Generäle sich zusammentun und eine Rückkehr nach Burundi planen, so wie es Präsident Nkurunziza 2003 ja selbst schonmal gemacht hat?

Ich weiß nicht, wo sich die abgesetzten Generäle oder die Personen, die das Land verlassen haben, befinden - oder was sie planen. Die Krise, die zuerst nur mit Politikern zu tun hatte, hat sich inzwischen verschärft und wird begleitet von Demonstrationen und Gewalt. Inzwischen werden Granaten auf Häuser gefeuert. Die Lage könnte eskalieren, zu einem richtigen Bürgerkrieg.

Die Imbonerakure, die Jugendorganisation der Regierungspartei, wird beschuldigt, der bewaffnete Arm der Partei zu sein. Können Sie das bestätigen?

Die Fakten haben gezeigt, dass diese Jugend während der Demonstrationen bewaffnet an der Seite der Polizei erschien. Es gibt auch Informationen, wonach diese Gruppe trainiert wurde. Ich glaube, es war ein großer Fehler, diese Milizen zu bewaffnen, weil Burundi eine Polizei hat, die sich im Großen und Ganzen loyal gegenüber den Institutionen verhält. Ich sehe keinen Grund, junge Zivilisten zu bewaffnen in einem Land, in dem die Armee und die Polizei der Macht treu geblieben sind.

Trotz aller Demonstrationen, Proteste und Appelle - Präsident Nkurunziza denkt offenbar nicht an Rücktritt. Glauben Sie, dass die Parlamentswahlen am 29. Juni stattfinden werden?

Die Wahlen können stattfinden und anerkannt werden - egal, wie viele Leute sich daran beteiligen werden. Damit Wahlen aber als demokratisch bezeichnet werden können, müssen Sicherheit, Freiheit und Transparenz herrschen. Also können wir nicht wirklich von demokratischen Wahlen sprechen. Dafür müssten bestimmte Bedingungen her:die Rückkehr des Friedens und der Sicherheit im ganzen Land, die Möglichkeit der Politiker, eine faire Wahlkampagne zu führen und die Entwaffnung der Milizen. Auch die Oppositionsführer sollten die Möglichkeit haben, ihre Parteien neu aufzustellen. Erst dann kann man von einem freien Wettbewerb sprechen.

Wie viel Zeit geben Sie dem Regime von Nkurunziza noch?

Ich glaube, dass das Regime schwächer wird. Die Zahl der Flüchtlinge und die Proteste im Inland sind ein Zeichen dafür. Die Demonstrationen finden, anders als behauptet, nicht nur in bestimmten Vierteln statt, sondern inzwischen in ganz Bujumbura und auch in Kommunen im inneren des Landes. Es beteiligen sich also viele Menschen an den Protesten. Aber wegen den Repressalien der Polizei trauen sich auch viele Burunder nicht, auf die Straße zu gehen.

Was muss passieren, damit sich die Lage nicht noch weiter zuspitzt?

Damit die Lage sich entschärft, muss Präsident Nkurunziza seine Kandidatur für ein drittes Mandat zurückziehen. Er sollte bereit sein, die Entscheidungen der Afrikanischen Union umzusetzen. Dieser Schritt ist deswegen so dringend, weil der Konflikt, der sich zurzeit noch auf Burundi beschränkt, auch auf die Nachbarländer überschwappen könnte, so wie es ja auch in der Vergangenheit schon passiert ist. Die ersten Zeichen dafür gibt es schon, da viele Menschen aus Burundi in die Nachbarländer geflohen sind.

Glauben Sie, dass Ihre Forderung gehört wird?

Die Forderung kommt ja nicht nur von mir, sondern auch von den Mitgliedern des Weisenrates, von den katholischen und protestantischen Kirchen, der muslimischen Gemeinschaft, den Führern der Oppositionsparteien und der Zivilgesellschaft. Es gab auch einen Appell vom aktuellen und vom ehemaligen Generalsekretär der Vereinten Nationen und aus der südafrikanischen Politik. Die Aufforderungen kommen aus dem In- und Ausland und das kann man nicht ignorieren.

Glauben Sie, dass Burundi in einem Bürgerkrieg versinkt, falls Nkurunziza darauf besteht, im Amt zu bleiben?

Das ist eine reale Gefahr, denn es gibt Signale, dass die aktuelle Krise sich in einen Bürgerkrieg verwandelt, wenn nichts unternommen wird. Der einzige Ausweg ist Nkurunzizas Verzicht auf eine weitere Kandidatur.

Das Interview führte Eric Topona.

Gervais Rufyikiri ist seit 2010 der 2. Vizepräsident von Burundi und Mitglied der regierenden Partei CNDD-FDD (Conseil National pour la Défense de la Democratie - Forces pour la Défense de la Démocratie). Seit August 2005 ist Rufyikiri Präsident des burundischen Senats. Er besitzt die belgische Staatsbürgerschaft und einen Doktortitel (PhD) in Biologie, Agrar- und Umweltwissenschaften von der katholischen Universität von Löwen/Belgien.

*Das Arusha-Abkommen ist ein Friedensabkommen zwischen den ruandischen Bürgerkriegsparteien. Es wurde am 4. August 1993 unterzeichnet.