Vierte Welle: Neuer Anlauf gegen Corona
24. November 2021Wer sich als Reisender auf den Weg ins vorweihnachtliche Deutschland macht, muss seine Reiseziele derzeit sehr genau aussuchen. Die in aller Welt berühmten Weihnachtsmärkte finden an vielen Orten nicht statt. Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen, Brandenburg und Thüringen haben die Märkte verboten. Das Aus kam kurzfristig. Deshalb stehen auf vielen Marktplätzen noch halbfertige oder geschlossene Buden herum. Glühwein oder gebrannte Mandeln aber gibt es dort nicht zu kaufen.
Doch selbst wer ein Bundesland mit Weihnachtsmärkten besucht, wie zum Beispiel Berlin oder Nordrhein-Westfalen, sollte sich gut informieren. Vielerorts gilt die Regel: Zugang nur für Geimpfte oder Genesene und mit Maske, das sogenannte 2G. Ein negativer Corona-Test reicht da nicht mehr aus.
Neue Rechtslage tritt in Kraft
Die vierte Welle der Pandemie trifft Deutschland besonders hart. Die Infektionszahlen steigen auf neue Rekordwerte. Die USA warnen deshalb vor Reisen nach Deutschland.
Der neue COVID-Schub ereilt Deutschland nach der Bundestagswahl im September in einer Zeit des Übergangs von einer Regierung zur nächsten. Das heißt aber nicht, dass die Politik stillsteht. Die mögliche neue Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP hat im Corona-Management bereits einen Wechsel auf den Weg gebracht.
Die vom Bundestag erstmals im März 2020 festgestellte "epidemische Lage von nationaler Tragweite" läuft am 25. November aus. Sie bildete bisher die Rechtsgrundlage für den Kampf gegen Corona. Neue Rechtsgrundlage ist nun ein abgeschwächter, bundesweit anwendbarer Maßnahmenkatalog. Die Maxime lautet: Kein bundesweiter Lockdown mehr und ein stärker regional differenziertes Vorgehen. Die Länder können nun manches per Verordnung selbst regeln - wie zum Beispiel den Umgang mit Weihnachtsmärkten.
Härtere Maßnahmen beschlossen
Im neuen Katalog wurden einige Maßnahmen aus verfassungsrechtlichen Gründen gestrichen - wie generelle Ausgangssperren, Beherbergungsverbote oder flächendeckende Ladenschließungen. Erlaubt sind weiterhin Abstandsgebote, Kontaktbeschränkungen, Masken- und Testpflicht, Personenobergrenzen bei Veranstaltungen aber auch die Schließung von Einrichtungen.
Noch aber gilt für die Bundesländer eine Übergangsregelung. Bis zum 15. Dezember bleibt schon Beschlossenes gültig. Kurz vor Inkrafttreten der neuen Regelungen am 24. November haben manche Bundesländer von dieser Übergangsregelung noch schnell Gebrauch gemacht. Sachsen, Bayern und Thüringen beschlossen Teil-Lockdowns mit nächtlichen Ausgangssperre für Nicht-Geimpfte, Sperrstunden für Restaurants, die Schließung von Discos und mehr.
Druck auf Ungeimpfte steigt
Der Bundestag hat noch mehr Eingriffe in den Alltag beschlossen: Beschäftigte sollen soweit wie möglich von zu Hause aus arbeiten - Stichwort: Home-Office. In Krankenhäusern, Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen gilt eine Testpflicht für Beschäftigte und Gäste.
Das aktualisierte Infektionsschutzgesetz führt die so genannte 3G-Regelung im öffentlichen Nah- und Fernverkehr und am Arbeitsplatz ein - also Zugang nur für Geimpfte, Getestete und Genesene. Ob es nun zu langen Schlangen an den Werktoren kommt, muss abgewartet werden. Wie die Regelung in Bus und Bahn zu kontrollieren ist, muss sich auch noch zeigen. Reisende sollten auf jeden Fall ihr Impfzertifikat immer bei sich tragen.
Was wird aus Weihnachten?
Ob das alles ausreicht, die Dynamik der Pandemie abzubremsen, darüber soll am 9. Dezember noch einmal beraten werden. Die Stimmung bewegt sich in Deutschland jedenfalls auf einen neuen Tiefpunkt zu. Ohnehin trägt der nasskalte November mit seinen grauen Wolkendecken nicht zu guter Laune bei. Nun fragen sich viele: Was wird aus Weihnachten, dem beliebtesten Fest der Deutschen?
Immerhin: Wer beim Reservieren für das sehr beliebte Weihnachtsmenü außer Haus spät dran, hat noch eine Chance. Es gibt viele Absagen von Tischgesellschaften mit Ungeimpften. Doch werden die Restaurant überhaupt offen sein?
Die Hoffnung, mit niedrigen Infektionszahlen in den Winter zu gehen, hat sich nicht erfüllt. Zum einen haben sich nicht so viele Menschen impfen lassen wie erhofft. Die Quote liegt bei 70 Prozent. Zum anderen sind die Impfstoffe nicht wo wirksam wie erhofft; vor allem bei der hochansteckenden Delta-Variante schwindet der Schutz vor Ansteckung schon nach einigen Monaten. Entsprechend steigt die Zahl der Impfdurchbrüche. Das sind schon Geimpfte, die sich trotzdem infizieren - und das Virus mit der Atemluft weiter verteilen.
Neuer Wert: Wie viele Menschen müssen ins Krankenhaus?
Viele blicken gespannt auf eine weitere Neuerung - beschlossen vor kurzem von der Noch-Kanzlerin und den Spitzen der Bundesländer. Bei der Bewertung der Lage gilt künftig nicht mehr die Sieben-Tage-Inzidenz an Neuinfektionen als Maßstab politischen Handelns. Entscheidend ist jetzt, wie viele Leute wegen Corona ins Krankenhaus müssen.
Auch die sogenannte Hospitalisierungsrate ist ein Sieben-Tage-Inzidenzwert: Wie viele Menschen mit einer Corona-Infektion mussten in den vergangenen sieben Tag pro 100.000 Einwohner stationär eingewiesen werden?
Die Orientierung an diesem Wert hat auch Nachteile - und wird deshalb schon wieder infrage gestellt. Denn es gilt: Ausschlaggebend ist der Tag, an dem eine Infektion festgestellt wurde - und nicht der Tag der Einlieferung ins Krankenhaus. Es kann gut sein, dass dazwischen ein, zwei Wochen liegen. Der Wert wird dann nachträglich geändert. Einen Meldeverzug gab es zwar auch bei der alten Inzidenz der Neuinfektionen. Aber da waren es höchstens ein paar Tage.
Ziel: Impfquote erhöhen
Die neuen Maßnahmen können noch gar nicht wirken, da wird schon über nächste Schritte gesprochen - Thema Impfpflicht. Die Noch-Regierung hatte gesagt, es werde keine geben. Nun aber ist eine Diskussion entbrannt über eine allgemeine oder mindestens einrichtungsbezogene Impfpflicht zum Beispiel für Pflegeheime, Kitas und Krankenhäuser.
Allerdings gibt es dringend auch noch ganz handfeste Dinge zu regeln - wie die Impfungen. Nach langer Diskussion sollen nun alle ab 18 Jahren eine Dritt-Impfung erhalten können, zur Auffrischung. Doch einen Termin dafür zu bekommen, ist oftmals schwierig - egal ob beim Arzt oder in einer zentralen Impfstelle. Aktuell hat der Noch-Gesundheitsminister Jens Spahn für zusätzliche Unruhe gesorgt. Das bislang zumeist verimpfte Vakzin von BioNTech/Pfizer wird nun rationiert; schwerpunktmäßig soll der Impfstoff von Moderna eingesetzt werden.
Die aktuell größte Herausforderung aber wartet auf den Intensivstationen. Fast 4000 Corona-Fälle liegen dort - fast so viele wie auf dem letzten Höhepunkt der Pandemie vor einem Jahr. Seit Ende Oktober steigt die Zahl wieder steil an. In ersten Regionen werden die Betten knapp. Wegen Personalmangels gibt es davon einige Tausend weniger als im Vorjahr. Hier können auch die neuen Corona-Maßnahmen keine schnelle Hilfe bringen.