Vielfältiger Protest in Regenbogenfarben
24. Juni 2021Die von der UEFA nicht genehmigte Regenbogen-Beleuchtung des Münchner Stadions hat auch am Tag des letzten deutschen EM-Gruppenspiels gegen Ungarn für heftige Debatten gesorgt. Von einem "Eigentor", Glaubwürdigkeitsverlust und einer vertanen Chance der Europäischen Fußball-Union war die Rede. Im Stadion schwenkten dafür etliche Fans Regenbogenfähnchen.
Die Menschrechtsorganisation Amnesty International hatte in Zusammenarbeit mit Christopher Street Day Deutschland vor dem Stadion Regenbogenfähnchen an die Fans verteilt - bis zu 10.000 Stück, wie es hieß. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) unterstützte die Aktion. Zudem hatten viele Fans auch selbst größere Regenbogenfahnen mitgebracht, die sie vor und im Stadion fröhlich schwenkten.
Flitzer mit Regenbogenfahne
Kurz vor dem Spiel stürmte ein Flitzer mit einer Regenbogenfahne aufs Spielfeld. Der junge Mann, der ein Deutschlandtrikot trug, legte sich während des Abspielens der ungarischen Nationalhymne vor den Mannschaften auf den Rasen und ließ sich dann widerstandslos von Ordnern abführen. Torwart Manuel Neuer trug auch gegen Ungarn wieder seine Regenbogen-Kapitänsbinde - das wurde von der UEFA erlaubt. Weitere sonstige offizielle Aktionen gab es zunächst nicht.
Medienhäuser und zahlreiche Institutionen sowie Unternehmen bekannten nach dem Verbot selbst Farbe und zeigten das Regenbogensymbol, darunter die Hamburger Elbphilharmonie und die Deutsche Bahn. Oder sie präsentierten sich in sozialen Netzwerken in bunter Optik.
Etliche Bundesligastadien etwa in Berlin, Frankfurt, Düsseldorf, Köln, Wolfsburg und Augsburg erstrahlten am Abend in den bunten Farben. Das Europaparlament hisste zum Spiel die Regenbogenflagge vor dem Parlamentsgebäude in Brüssel. Wie in München wehten in vielen deutschen Städten Regenbogenflaggen vor Rathäusern und an öffentlichen Gebäuden.
Auch der bayerische Ministerpräsident Markus Söder bekannte beim letzten EM-Gruppenspiel Deutschlands gegen Ungarn Farbe. Der CSU-Politiker trug auf der Tribüne eine Corona-Schutzmaske in Regenbogenfarben. "Klares Bekenntnis gegen Ausgrenzung und für Freiheit und Toleranz. Auch an der Staatskanzlei wird heute Abend eine Regenbogenfahne gehisst", schrieb er dazu bei Twitter.
Die UEFA verteidigte am Mittwoch ihre Entscheidung. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban appellierte an die deutsche Politik, das UEFA-Verbot zu akzeptieren. "Ob das Münchner Fußballstadion oder ein anderes europäisches Stadion in Regenbogenfarben leuchtet, ist keine staatliche Entscheidung", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Auch in Budapest gehören Orban zufolge "die Regenbogenfarben selbstverständlich zum Straßenbild". Eine Reise nach München sagte der ungarische Regierungschef ab. Nach dpa-Informationen plant er stattdessen eine Reise nach Brüssel.
Von der UEFA hieß es, "einige" hätten ihre ablehnende Entscheidung zur Regenbogen-Beleuchtung "als politisch" interpretiert. "Im Gegenteil, die Anfrage selbst war politisch und verbunden mit der Anwesenheit der ungarischen Nationalmannschaft im Stadion für das Spiel am Abend gegen Deutschland." Der Regenbogen sei für die UEFA "kein politisches Symbol, sondern ein Zeichen unseres Engagements für eine vielfältigere und integrativere Gesellschaft", teilte der Verband mit und färbte sein Logo bunt.
Zuvor hatte die UEFA einen Antrag von Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter abgelehnt, die Arena im letzten Gruppenspiel der DFB-Elf in Regenbogenfarben zu erleuchten. Sie sei "aufgrund ihrer Statuten eine politisch und religiös neutrale Organisation. Angesichts des politischen Kontextes dieser speziellen Anfrage - eine Botschaft, die auf eine Entscheidung des ungarischen Parlaments abzielt - muss die UEFA diese Anfrage ablehnen", teilte sie mit.
Regenbogenfahne als Symbol für Akzeptanz
Die Regenbogenfahne steht als Symbol für die Akzeptanz und Gleichberechtigung von Menschen, die sich nicht mit dem traditionellen Rollenbild von Mann und Frau oder anderen Normen rund um Geschlecht und Sexualität identifizieren. Hintergrund der Debatte ist ein Gesetz, das die Informationsrechte von Jugendlichen in Hinblick auf Homosexualität und Transsexualität in Ungarn einschränkt und vor kurzem vom ungarischen Parlament gebilligt wurde. Das Gesetz gilt als besonderes Anliegen von Ministerpräsident Orban. Der Parlamentsbeschluss sorgt europaweit für Empörung. EU-Kommissionspräsident Ursula von der Leyen sprach von "Schande" und kündigte Widerstand an.
kle/rb (dpa, afp)