Viel Harmonie und leise Kritik
25. Februar 2014Den ganzen Morgen über sah man den einen und anderen bekannten Politiker geschäftig über die Flure des altehrwürdigen Jerusalemer Hotels "King David" huschen. Ein Treffen im "Oak Room", das nächste im Saal nebenan und dazwischen ein kurzes Gespräch auf dem Gang. Die deutschen und israelischen Minister schienen sich bei dem kurzen Ausflug aus ihrem politischen Alltag ganz wohl zu fühlen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel war mit 14 Ministern zu den fünften deutsch-israelischen Konsultationen angereist - eine der größten deutschen Ministerdelegationen, seitdem die Treffen 2008 vereinbart worden waren. Ein Signal an Israel, um die ganz besonderen Beziehungen zwischen beiden Ländern zu würdigen.
Verhaltene Kritik am Siedlungsbau
Viel war im Vorfeld in den deutschen und israelischen Medien über die Spannungen im deutsch-israelischen Verhältnis geschrieben worden. Dabei ging es vor allem um die deutsche Kritik am Siedlungsbau, die in den letzten zwei Jahren für schlechte Stimmung zwischen Kanzlerin Angela Merkel und Israels Premierminister Benjamin Netanjahu gesorgt hatte. Während des knapp 24-stündigen Besuchs war aber wenig davon zu spüren. So fiel die Kritik der deutschen Regierung am Siedlungsbau diesmal eher verhalten aus. Auf der abschließenden Pressekonferenz mahnte Kanzlerin Merkel mit freundlichen Worten, dass für "einen Frieden die territoriale Integrität der einzelnen Gebilde" - also der Palästinensergebiete - gewahrt werden müssten. Man sehe die Siedlungsfrage mit Sorge, fügte sie noch hinzu.
Israels Premierminister Benjamin Netanjahu, der Angela als "echte Freundin" bezeichnete, schaute dabei lächelnd ins Publikum. Kritik am Ausbau der israelischen Siedlungen im seit 1967 besetzten Westjordanland sieht der israelische Premier als ungerechtfertigt an. Allzu viele Sorgen muss er sich nicht machen, denn wirkliche Konsequenzen für die Siedlungspolitik seiner Regierung musste er bislang nicht fürchten. Auch wenn sich die Stimmen in Europa für einen Wirtschafts-Boykott mehren, um mehr Druck auszuüben.
Aber die deutsche Kanzlerin machte klar, dass Deutschland einen solchen Boykott nicht unterstützen würde. "Wir glauben, dass Boykotte nicht die Antwort sein können, um den Friedensprozess voranzubringen", sagte sie. Stattdessen setzt man in Berlin auf eine Politik der Nähe und weniger der direkten Konfrontation. Für Israel ist Deutschland einer der wichtigsten Partner in der Europäischen Union.
Meinungsverschiedenheiten beim Thema Iran
Dabei würden sich einige Israelis sogar wünschen, dass Deutschland als "besonderer Partner" ab und an etwas mehr Kritik übt. Im national-religiösen Siedlerlager sieht man dies natürlich anders. "In unserem Staat sollte uns niemand sagen, wo wir leben sollen, und wo nicht, und wo wir unsere Grenzen ziehen", sagt Shalom Heiman, der seit sieben Jahren mit seiner Familie in der Siedlung Eli tief im Westjordanland lebt.
Beim Thema Iran kamen dann die Differenzen etwas deutlicher zu Tage. Kanzlerin Merkel verteidigte die derzeitigen Verhandlungen mit dem Iran und meinte, dass "weiteres Abwarten die Dinge nicht besser machen würden". Premierminister Netanjahu dagegen nutzte die gemeinsame Pressekonferenz, um lange über die Bedrohung durch den Iran zu sprechen. Dabei warnte er vor einem iranischen Regime, das seine Politik auch unter dem neuen Präsidenten Hassan Rohani nicht geändert habe. Keine Anreicherung von Uran, keine Sanktionserleichterungen - so seine bekannten Forderungen.
Stärkung der bilateralen Beziehungen
Doch neben den großen politischen Themen ging es auch um die bilateralen Beziehungen. Und der Katalog an gemeinsamen Vereinbarungen, zwölf Seiten stark, kann sich sehen lassen. Da wäre das Konsularabkommen etwa zu nennen, das die deutsche Regierung als "besonderen Vertrauensbeweis" bewertet. Demnach kann demnächst ein israelischer Staatsbürger von einem deutschen Konsularbeamten Hilfe erhalten, in Ländern, in denen Israel keine Botschaft hat.
Oder die Einführung des "Working Holiday Visa", das jungen Israelis ermöglichen soll, für ein Jahr in Deutschland zu arbeiten. Zu nennen sind auch die gemeinsamen Entwicklungsprojekte in Afrika und die angekündigte Lösung in der wichtigen Frage der "Ghettorenten", bei der es um die Auszahlung von Renten für rund 20.000 israelische Holocaust-Überlebende geht.
Höchste Auszeichnung für Angela Merkel
Für Angela Merkel war der Besuch in Israel auch noch mit einer besonderen Ehre verbunden. Präsident Shimon Peres verlieh ihr die "Präsidentenmedaille" - den höchsten Orden Israels. "Wir sind zutiefst dankbar für ihre wertebetonte Haltung und dafür wie sie der jungen Generation die Vision einer besseren Welt vermitteln, Antisemitismus und der Leugnung des Holocausts entgegentritt", sagte Peres in seiner Laudatio. Und er lobte sie für ihren Einsatz für die Sicherheit Israels und für den Nahost-Friedensprozess.
Nur ein Jahr vor den Feierlichkeiten zum 50. Jubiläum der diplomatischen Beziehungen haben die fünften deutsch-israelischen Konsultationen beide Länder sicher noch etwas näher zusammengebracht. Wer sich als Israeli aber ein wenig mehr Kritik "unter Freunden" gewünscht hätte, der dürfte enttäuscht worden sein. Zum Schluss gab es noch ein Gruppenbild. Dichtgedrängt, auf einer viel zu kleinen Empore, standen die Minister der deutschen und israelischen Kabinette. Nah beieinander, Seite an Seite. Ein passendes Bild der deutsch-israelischen Freundschaft.