Verändert Corona deutsche Essgewohnheiten?
29. Mai 2020Die Corona-Krise bietet, so man denn will, viel Raum zur Selbstoptimierung: Seit dem 21. März, also kurz vor der Verhängung der Kontaktbeschränkungen in Deutschland, wird bei Google deutlich häufiger nach Yogamatten gesucht als zuvor. Seit sie ihre Läden wieder öffnen dürfen, berichten Fahrradhändler über besonders viele Kunden. Und wer sich in einer beliebigen deutschen Innenstadt in einen Park oder ans Flussufer begibt, kommt ins Staunen ob der vielen Fußgänger, die sich dort tummeln. Es scheint, als nutzten viele Deutsche die Zeit für viel Bewegung.
Es wird mehr gekocht
Zumindest bei einem Teil der Deutschen führt sich dieser gesündere Lebensstil zumindest vorübergehend auch im Essverhalten fort. Bei einer repräsentativen Umfrage des Marktforschungsunternehmens Kantar im Auftrag der Heinz-Lohmann-Stiftung gab jeder vierte Befragte an, häufiger zu kochen als vorher.
Die meisten bleiben dabei ihrem bisherigen Rezept-Repertoire treu, 18 Prozent gaben an, seit Beginn der Corona-Zeitrechnung anders zu kochen. Anders bedeutet in diesem Falle häufig gesünder: Frisches Gemüse und Salate wurden mit 70 Prozent besonders oft genannt, vegetarische Gerichte immerhin von 48 Prozent der Befragten. Auf dem dritten Platz (38 Prozent) folgt "mehr gebacken" - was wenig verwundern dürfte, angesichts der zwischenzeitlichen Mehl- und Hefe-Knappheit in den Supermärkten.
Langfristig weniger Fleisch
Die Befragung fand Ende April statt - also noch bevor die Fleischindustrie ins Zentrum der Corona-Aufmerksamkeit rückte, weil sich einige Schlachthöfe - beziehungsweise Sammelunterkünfte für dort eingesetzte Leiharbeiter - als Hotspots für Übertragungen herausstellten. Die politische Debatte über unappetitliche Arbeitsbedingungen scheint jedoch den Appetit auf Fleisch kaum zu bremsen: Zuletzt hat die Vereinigung der Erzeugergemeinschaften für Vieh und Fleisch (VEZG) ihre Preisempfehlung wieder leicht angehoben. Dass Schlachthöfe zwischenzeitlich dicht gemacht wurden, wirkte sich einer Analystin zufolge kaum auf den Preis aus; allerdings steige nun die Nachfrage, da Restaurants wieder geöffnet werden. Zudem bleiben die Exporte, vor allem nach China, stabil.
Unabhängig von Corona geht der Fleischkonsum in Deutschland langfristig jedoch zurück: Vor allem beim Schweinefleisch registrierte der Bundesverband der deutschen Fleischwarenindustrie (BVDF) zuletzt eine sinkende Nachfrage, demnach war 2019 das erste Jahr seit der BSE-Krise, in dem der Durchschnittsdeutsche weniger als 60 Kilogramm Fleisch und Wurst verzehrte. Das deckt sich mit einer um den Jahreswechsel durchgeführten Forsa-Umfrage im Auftrag des Bundeslandwirtschaftsministeriums: Darin gaben 26 Prozent an, jeden Tag Fleisch zu essen - fünf Jahre zuvor lag dieser Wert noch bei 34 Prozent. "Insbesondere immer mehr Männer verzichten auf ihre tägliche Portion Fleisch", verlautete das Ministerium. Die Umfrage ist Teil des jährlichen Ernährungsreports, dessen aktuelle Ausgabe Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner an diesem Freitag vorgestellt hat. Der Anteil von Vegetariern (fünf Prozent) und Veganern (ein Prozent) an der Bevölkerung ist laut Angaben des Ministeriums jedoch unverändert.
Die Akzeptanz von Fleischersatzprodukten aus pflanzlichen Inhaltsstoffen, Insekten oder im Labor gezüchtetem künstlichen Fleisch nimmt zu - allerdings gaben erst 49 Prozent der Befragten an, solche Produkte bereits getestet zu haben. In jüngeren Altersgruppen sind diese Werte höher.
Corona-Kilos auf den Rippen
Bei allen qualitativen Veränderungen, wie sich die Deutschen ernähren, scheint es - vorausgesetzt, Yogamatten und neue Fahrräder kommen tatsächlich zum Einsatz - aber auch quantitative zu geben: So mancher hat ein paar Pandemie-Pfunde oder gar Corona-Kilos zugelegt. In der eingangs erwähnten Kantar-Umfrage gaben 14 Prozent an, gegenüber der Zeit vor Corona mehr Gewicht auf die Waage zu bringen, während nur 10 Prozent abgenommen haben wollen.