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Politik

Härtere Regeln für die Fleischindustrie

20. Mai 2020

Eine Branche im Kreuzfeuer: Aus immer mehr Schlachthöfen werden COVID-19-Infektionen gemeldet. Die Politik will gegensteuern mit drastischen Strafen und einem Verbot von Werkverträgen.

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Schlachthof Symbolbild Schweine
Bild: picture-alliance/dpa/M. Assanimoghaddam

Die Horrormeldungen aus der Fleischindustrie reißen nicht ab. Schlachthöfe sind zu Corona-Brutstätten geworden. Mehrere hundert Mitarbeiter haben sich infiziert; in Bayern, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Häufig kommen die Arbeiter in der Fleischindustrie aus Rumänien oder Bulgarien. Sie sind über Subunternehmen beschäftigt und nicht selten in Sammelunterkünften untergebracht, in denen katastrophale Hygienebedingungen herrschen.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil von der SPD will nun schnell gegensteuern, und er benutzt in Bezug auf die Fleischindustrie drastisches Vokabular: Von "Ausbeutung" der Arbeiter spricht er und von "dubiosen Vertragsstrukturen".

Corona-Hotspot Schlachthof

Heil: Schluss mit Werkverträgen und höhere Strafen

Heil will "aufräumen" in der Fleischindustrie, und Konstruktionen mit "Sub-, Sub- und Subunternehmen" zerschlagen. Der Minister will - so steht es im Kabinettsbeschluss - sogenannte Werkverträge in der Fleischindustrie ab Anfang des kommenden Jahres verbieten. Mit diesen Verträgen können Subunternehmen bestimmte Arbeiten bei anderen Firmen einkaufen, die sich dann um die Ausführung kümmern. Doch diese Konstruktionen mit mehrfach verschachtelten Subunternehmen erschweren die Kontrollen und verhindern oft, dass der Mindestlohn von 9,35 Euro tatsächlich ausgezahlt wird.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD)
Will in der Fleischindustrie "aufräumen": Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD)Bild: picture-alliance/dpa/Reuters/F. Bensch

In den Eckpunkten des "Arbeitsschutzprogramms für die Fleischwirtschaft" ist außerdem vorgesehen, Kontrollen zu verstärken und Bußgelder bei Arbeitszeitverstößen zu verdoppeln - auf dann bis zu 30.000 Euro.

Ein erneuter Versuch der Politik, eine für Deutschland wichtige Industrie - die 25 größten deutschen Fleischkonzerne setzten 2018 knapp 27 Milliarden Euro um - strenger zu kontrollieren.

Gegenwind und Unterstützung

Die Fleischindustrie läuft Sturm gegen den Beschluss. Bei einem Verbot der Anheuerung von Subunternehmen drohten "gravierende wirtschaftliche Schäden", sagte die Hauptgeschäftsführerin des Verbandes der Fleischindustrie, Heike Harstick, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Große Teile der Fleischproduktion würden dann ins Ausland abwandern.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund hingegen, die größte Dachorganisation von Einzelgewerkschaften in Deutschland, ist mit dem Vorstoß von Arbeitsminister Heil einverstanden.

Anja Piel
Die Ausbeutung in der Fleischindustrie müsse beendet werden, fordert DGB-Vorstandsmitglied Anja PielBild: DGB/Simone M. Neumann

Auf Anfrage der DW sagte Vorstandsmitglied Anja Piel, die Initiative von Heil sei "genau richtig". Die Fleischkonzerne dürften ihre Verantwortung nicht länger auf Subunternehmen abwälzen. Vor allem aber müsse es "bessere Kontrollen" geben: "Die Arbeitsschutzbehörden sollten auch verdachtsunabhängig mehr Stichproben machen und brauchen dafür mehr Personal."

Rumänien und Deutschland wollen enger zusammenarbeiten

Das Statistische Bundesamt zählte im vergangenen Jahr rund 1500 Fleischbetriebe mit rund 130.000 Beschäftigten. Schätzungsweise 40.000 Arbeiter kommen aus Bulgarien oder Rumänien. Auch deshalb suchte Arbeitsminister Hubertus Heil bereits am Dienstag das Gespräch mit seiner rumänischen Amtskollegin Violeta Alexandru.

Gemeinsam wollen sie die Arbeitsbedingungen für rumänische Arbeiter in der deutschen Fleischindustrie verbessern. Im Interview mit der DW sagte Alexandru, sie sei "froh", dass Deutschland die Missstände nun bekämpfen wolle und auch sie forderte, "dass die Kontrollen ausgeweitet werden".

Mindestpreis für Fleisch?

Die Grillsaison lockt - und die Supermärkte mit ihren Fleisch-Sonderangeboten. Der Handelskonzern EDEKA zum Beispiel bietet das Schweinenackensteak BBQ-Bockbier-Style für 3,99 Euro das Kilo feil. Die Deutschen essen immer noch gerne Fleisch, rund 60 Kilogramm im Jahr. Auch weil es hierzulande so billig ist. Viel zu billig, meint Robert Habeck, der Parteivorsitzende der Grünen.

Spitzentreffen zu Lebensmittelpreisen
Aktivisten der Umweltorganisation Greenpeace demonstrieren im Februar vor dem Bundeskanzleramt in Berlin Bild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Die Partei fordert in einem Arbeitspapier "Schluss mit den Fleisch-Dumpingpreisen" und einen "Mindestpreis für tierische Produkte". Dann könne auch der Arbeitsschutz in der Fleischindustrie verbessert werden. Doch diese Idee stößt auf Widerstand: Die einen wollen keine Festlegung auf Mindestpreise (Teile der Union). Die anderen wittern soziale Ungerechtigkeit, weil sich nicht jeder Haushalt die dann höheren Preise leisten könne (FDP und Die Linke).

Und so wird wohl aus der Mindestpreis-Idee erst einmal nichts. Aber vielleicht helfen ja die strengeren Regeln zum Arbeitsschutz in der Fleischindustrie, wenn sie eines Tages Gesetzeskraft erlangen sollten. 

Volker Witting
Volker Witting Politischer Korrespondent für DW-TV und Online