Entwicklung in Mali "eine Frage der politischen Prozesse"
8. September 2017Die G5-Sahel-Staaten Mauretanien, Mali, Burkina Faso, Niger und Tschad haben beschlossen, eine gemeinsame Eingreiftruppe für grenzübergreifende Einsätze gegen Terroristen aufzustellen. Der Finanzbedarf wird auf 423 Millionen Euro pro Jahr geschätzt. Rund ein Viertel sind bisher zugesagt worden, vor allem von der Europäischen Union und Frankreich. Am 19. September soll in Berlin eine Geberkonferenz für die G5-Sahel stattfinden.
DW: Können sie schon konkreter sagen, welche Beiträge Deutschland zur Initiative G5-Sahel leisten wird?
Ursula von der Leyen: Einerseits bauen wir gemeinsam mit Frankreich einen Unterstützerkreis auf, der die Initiative der G5-Sahel begleitet. Anderseits diskutieren wir mit dem Beginn der gemeinsamen Streitkräfte im G5-Sahel, was sie tatsächlich brauchen und wie viel. Das ist der erste Schritt. Und dann erst kommt die Frage nach den Beiträgen.
Wie weit ist diese Truppe bisher?
Wir sind vor kurzem mit meiner französischen Kollegin in Niger gewesen, haben dort die Anfänge des aufzubauenden Hauptquartiers betrachtet. Auch dazu werden wir Beiträge leisten. Die Truppe ist sozusagen im Aufbau, aber wir kommen schnell voran. Das merkt man daran, dass von allen Seiten sehr intensiv daran gearbeitet wird, die Strukturen jetzt tatsächlich mit Leben zu füllen.
Die Idee dahinter ist ja, dass die afrikanischen Staaten selbst für ihre Sicherheit sorgen. Das hat bei vorangegangenen Ansätzen oft nicht so gut geklappt. Was möchte man diesmal besser machen?
Da möchte ich eine Lanze brechen für die Fähigkeiten, die in Afrika vorhanden sind. Es gibt ein Beispiel rund um den Tschadsee: Auch dort haben sich afrikanische Staaten zusammengetan, um den Terror gemeinsam zu bekämpfen, und das ist erfolgreich gewesen. Die G5-Staaten haben sicher davon gelernt. Sie nehmen auch viel Erfahrung mit durch die Trainingsmission in Mali. Und sie haben das gemeinsame Ziel, dass der Terror, der grenzüberschreitend ist, auch mit einer grenzüberschreitenden Truppe bekämpft wird. Und diese Zielrichtung ist absolut richtig.
Sie haben Mali angesprochen. Dort brauchen die örtlichen Truppen noch die Unterstützung der Europäischen Union, der UN-Truppe MINUSMA und Frankreichs. Was meinen sie: wie lange werden ausländische Truppen dort noch helfen müssen?
Das kann man jetzt nicht quantifizieren in Zeit, das wäre auch falsch, sondern man muss es abhängig machen von der Situation vor Ort - also nicht terminkalenderabhängig, sondern lageabhängig. Und in Mali ist wichtig, dass die politischen Reformen und der Versöhnungs- und Stabilisierungsprozess intern mehr Raum greifen. Es ist also nicht nur eine Frage der Ausbildung und der Ausstattung der Streitkräfte, sondern vor allen Dingen auch eine Frage der politischen Prozesse.
Welche Fortschritte sehen Sie da?
Wir wünschen uns mehr Fortschritte. Wir wünschen uns mehr Aktivität. Auch die internationale Gemeinschaft steht mit großer Klarheit hinter dieser Forderung.
Es gibt auch immer wieder Übergriffe mit Todesopfern auf die UN-Truppe MINUSMA. Wie schätzen Sie die Sicherheitslage ein?
Wir haben uns von Anfang an keine Illusionen darüber gemacht, dass die MINUSMA eine der gefährlichsten, wenn nicht die gefährlichste Mission der Vereinten Nationen ist. Deshalb ist es eben so wichtig, sie mit Fähigkeiten auszustatten. Es geht nicht nur um die Zahl der Soldatinnen und Soldaten, die dort sind, sondern vor allem um die Fähigkeiten. Wir haben dort seit November eine Aufklärungsdrohne, die den gesamten Norden Malis überblicken kann. Das ist ein gewaltiger Schritt nach vorne für die Sicherheit der eigenen Truppe und der Bevölkerung. Wir sind im Prozess, die Hubschrauberunterstützung gemeinsam mit den Vereinten Nationen in ein Rotationssystem zu überführen, so dass mehrere Länder abwechselnd die luftgestützte Unterstützung und Evakuierung sicherstellen.
Die Hochwert-Beiträge, die Deutschland jetzt leistet, sind ja sehr willkommen in Mali. Könnten Sie sich auch für andere UN-Missionen in Afrika vorstellen, dass Deutschland so etwas anbietet?
Wir haben mit der europäischen Trainingsmission und MINUSMA fast tausend Soldatinnen und Soldaten in Mali. Jetzt ist erstmal wichtig, dass wir die gewaltigen Aufgaben, die wir haben, mit großer Ernsthaftigkeit weiter zum Erfolg führen.
Wird es gelingen, auch in den entlegenen Gebieten Malis die Sicherheit herzustellen?
Im Augenblick ist vor allem der Norden schwierig. Worauf es jetzt ankommt, ist der Prozess der Umsetzung der einzelnen Bausteine des Friedensvertrags, den die MINUSMA begleiten soll. Es gibt viele dieser Bausteine: dass diejenigen Rebellen, die zu einer verhandelten Lösung bereit sind, auch tatsächlich in gemeinsame Streitkräfte integriert werden, dass die Entwaffnung stattfindet, dass alternative Beschäftigung angeboten wird. Ich habe nur einige wenige der Teilschritte genannt, die jetzt aktiv umgesetzt werden müssen. Das ist das Allerwichtigste.
Die CDU-Politikerin Ursula von der Leyen ist seit Ende 2013 Bundesministerin der Verteidigung. Im vollständigen Interview (Audio, 9 Min.) spricht sie auch über die europäische Sicherheitspolitik und Deutschlands Verantwortung in der Welt.
Das Interview führte Nina Werkhäuser, Korrespondentin im Hauptstadtstudio.