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Politik

Verluste für Nationalisten bei Wahl in Bosnien

3. Oktober 2022

Bei den Wahlen in Bosnien und Herzegowina hat die muslimisch-nationalistische Partei SDA einen Rückschlag erlitten. Ihr Vertreter im Staatspräsidium, Bakir Izetbegovic, verlor gegen den Sozialdemokraten Denis Becirovic.

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Wahlen in Bosnien und Herzegowina
Ein Wahllokal in SarajevoBild: DW

Der 46-jährige Becirovic, der an der Spitze eines Bündnisses von elf Oppositionsparteien stand, holte laut den Teilergebnissen 56 Prozent der Stimmen, Izetbegovic kam auf 39 Prozent. Izetbegovic, Sohn des ersten bosnischen Präsidenten nach der Unabhängigkeit, ist Chef der SDA. Die Partei hat in den vergangenen Jahrzehnten die Politik des weiterhin von ethnischen Konflikten zerrissenen Landes maßgeblich geprägt. 

Bosnien und Herzegowina | Parlamentswahlen | Denis Becirovic
Denis Becirovic gibt in Tuzla seine Stimme abBild: Ahmed Besic/AA/picture alliance

Der Sieg von Becirovic würde bedeuten, dass zum ersten Mal seit zwölf Jahren kein SDA-Politiker im Staatspräsidium von Bosnien-Herzegowina vertreten wäre. Im Rennen um den kroatischen Sitz dürfte sich den Teilergebnissen zufolge der bisherige Amtsinhaber, der Reformer Zeljko Komsic, durchgesetzt haben. Auf ihn sollen 54 Prozent der Stimmen entfallen sein.

Der serbische Sitz dürfte hingegen in den Händen von Nationalisten bleiben. Die Kandidatin der im serbischen Landesteil regierenden SNSD, Zeljka Cvijanovic, soll 53 Prozent der Stimmen auf sich vereinigt haben. Sie ist eine Vertraute des serbischen Separatisten Milorad Dodik, der bislang den serbischen Sitz im Staatspräsidium innehatte. Er kandidierte diesmal für den Präsidentenposten im serbischen Landesteil und liegt den Berichten zufolge vorne.

Bosnien und Herzegowina | Parlamentswahlen | Milorad Dodik
Milorad Dodik, Spitzenpolitiker der bosnischen Serben, verlässt das Wahllokal in LaktasiBild: Darko Vojinovic/AP Photo/picture alliance

Komplexes Wahlsystem

Die Wahlen in Bosnien und Herzegowina fanden vor dem Hintergrund wachsender ethnischer Konflikte  statt. Die Abstimmung war so komplex wie das Land selbst. Auf der Ebene der gesamtstaatlichen Institutionen bestimmten die Wählerinnen und Wähler neben dem Staatspräsidium das Bundesparlament, die Parlamente in den beiden weitgehend selbstständigen Landesteilen, die Präsidentschaft in der Serbischen Republik (RS) und die Kantonsverwaltungen in der bosnisch-kroatischen Föderation.

Wahlen in Bosnien: Wie gespalten ist das Land?

Auf gesamtstaatlicher Ebene besteht die Präsidentschaft aus einem Kroaten, einem bosniakischen Muslim und einem Serben, die sich alle acht Monate im Vorsitz abwechseln. Die Zentralregierung ist für das Militär, das Justizsystem, die Steuerpolitik, den Außenhandel und die Diplomatie zuständig. Die Teilstaaten haben ihre eigenen Polizei-, Bildungs- und Gesundheitssysteme.

Die Langzeitfolgen von Dayton

Das komplexe und wenig funktionsfähige politische System in dem Balkanstaat ging aus dem Dayton-Abkommen von 1995 hervor, mit dem der Bürgerkrieg der 1990er Jahre beendet worden war. Seit 1995 ernennt der UN-Sicherheitsrat einen Hohen Repräsentanten, der die Umsetzung des Friedensabkommens überwacht. Derzeit hat der Deutsche Christian Schmidt das Amt inne. Der Gesandte ist formal befugt, in die Gesetzgebung einzugreifen und gewählte Politiker abzusetzen. Ursprünglich sollte das Amt 2007 auslaufen, doch wegen der politischen Instabilität und des Versagens der örtlichen Politiker wurde das Mandat verlängert.

Wenige Augenblicke nach Schließung der Wahllokale am Sonntag kündigte Schmidt eine Reihe von Wahlrechtsänderungen an. Ziel sei es, "die Funktionsfähigkeit der Föderation von Bosnien und Herzegowina zu verbessern und die rechtzeitige Umsetzung der Ergebnisse der Wahlen vom Oktober 2022 zu gewährleisten", erklärte er.

kle/wa/haz/hf (dpa, rtr, afp)