Maaßen gerät massiv unter Druck
9. September 2018Nach seinen umstrittenen Äußerungen zu den Ereignissen in Chemnitz musste sich Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen dem Innenministerium erklären. "Ich erwarte eine Begründung, auf die er seine These stützt", sagte Ressortchef Horst Seehofer (CSU) im ARD-Fernsehen. Inzwischen ist der angeforderte Bericht beim Innenminister sowie im Kanzleramt eingegangen. Das schriftliche Dokument werde nun ausgewertet und bewertet, heißt es aus dem Ministerium.
Vertrauen oder uneingeschränktes Vertrauen?
Maaßen hatte mit einem Interview in der "Bild"-Zeitung vom vergangenen Freitag eine heftige Debatte ausgelöst. Er hatte unter anderem gesagt, es lägen seinem Amt keine belastbaren Informationen darüber vor, dass in Chemnitz Hetzjagden auf Ausländer stattgefunden hätten. Es lägen auch keine Belege dafür vor, dass ein im Internet kursierendes Video zu einer angeblichen Hetzjagd - nach der Tötung eines Mannes in Chemnitz mutmaßlich durch einen Syrer und einen Iraker - authentisch sei. Zugleich sprach der Behördenchef von möglicherweise gezielten Falschinformationen.
Maaßen habe ihn selbst und das Ministerium über seine Zweifel vorab informiert, sagte Seehofer in Antwort auf eine Frage, bei der es um die Videoaufnahme ging. "Und wenn solche Zweifel vorhanden sind, darf man diese Meinung als Minister nicht unterdrücken." Zugleich machte Seehofer aber auch deutlich: "Die Verantwortung für Formulierungen und seine Thesen hat er." Auch über Maaßens Pläne, an die Öffentlichkeit gehen zu wollen, sei das Ministerium informiert gewesen. Berichte, dass er dem Verfassungsschutzchef in dieser Sache eine Anweisung erteilt habe, wies Seehofer zurück. "Das ist falsch."
Auf die Frage, ob Maaßen sein uneingeschränktes Vertrauen genieße, antwortete Seehofer zunächst: "Herr Maaßen genießt mein Vertrauen." Erst auf Nachfrage ergänzte er, "mein uneingeschränktes Vertrauen".
Auch die SPD erhöhte den Druck auf den umstrittenen Verfassungsschutz-Chef. "Entweder Maaßen legt diese Woche klare Belege für seine Behauptungen der letzten Tage vor, oder er ist in seinem Amt nicht mehr zu halten", sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die Sozialdemokraten wollten das für die Geheimdienste zuständige Parlamentarische Kontrollgremium anrufen. Der Innenausschuss des Bundestages wird sich in einer Sondersitzung mit Maaßens Einlassungen befassen. Aus Sicht der meisten Bundestagsparteien hat sich der Verfassungsschutz-Präsident mit seiner unbelegten Einschätzung zu weit aus dem Fenster gelehnt.
Zentralrat der Juden: Es ist "fünf nach Zwölf"
Derweil schaltete sich auch der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, in die Debatte ein. Er kritisierte Politiker und Behörden scharf. Berichte über den Angriff von Neonazis auf das koschere Restaurant 'Schalom' in Chemnitz hätten ihn erschüttert, erklärte Schuster. "Für die Versuche einiger Politiker und Vertreter der Sicherheitsbehörden, die Lage in Chemnitz schön zu reden, habe ich kein Verständnis." Und Schuster weiter: "Wir müssen das Problem beim Namen nennen. Das erwarte ich vor allem von denen, die für die innere Sicherheit in Deutschland verantwortlich sind." Es sei bereits "fünf nach Zwölf".
ml/uh (dpa, rtr)