Amazon Streik
27. Oktober 2014Kurz vor dem Start des wichtigen Weihnachtsgeschäfts hat Verdi zu einer erneuten Streikwelle bei Amazon aufgerufen. Am Montag legten Beschäftigte an fünf Standorten des Versandhändlers die Arbeit nieder. Betroffen waren die Verteilzentren in Bad Hersfeld, Leipzig, Graben bei Augsburg sowie die Standorte Werne und Rheinberg in Nordrhein-Westfalen.
Am größten deutschen Amazon-Versandstandort in Bad Hersfeld beteiligten sich Hunderte Mitarbeiter am Arbeitsausstand: "Der Streik ist gut angelaufen", sagte Verdi-Gewerkschaftssekretärin Mechthild Middeke. Ein Tarifvertrag stehe nach wie vor auf der Tagesordnung. "Mit der in diesem Jahr gezahlten 'freiwilligen' Lohnerhöhung von Amazon von 2,2 Prozent wollen sich die Beschäftigten nicht zufrieden geben", sagte sie. Insgesamt beschäftigt das Unternehmen an neun Standorten in Deutschland mehr als 9000 Mitarbeiter.
Respekt gefordert
Die Streiks sollen laut Verdi teils bis Dienstagabend, teils bis Mittwochabend dauern. Hintergrund ist der anhaltende Streit mit Amazon um eine Tarifbindung der Mitarbeiter. Verdi will für die Beschäftigten Tarifverträge nach den Konditionen des Einzel- und Versandhandels durchsetzen. Ein Tarifvertrag sei eine "Frage des Respekts, den Amazon seinen Beschäftigten schuldet", erklärte Verdi-Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger.
Amazon orientiert sich bei der Bezahlung an den Tarifen der Logistikbranche. Was das in der Praxis bedeutet, zeigt ein Überblick über Wirklichkeit und Wunsch am Standort Bad Hersfeld: Für Mitarbeiter in der Warenannahme, in der Kommissionierung oder im Versand liegt der Einstiegslohn nach Amazon-Angaben aktuell bei 10,23 Euro brutto pro Stunde. Im zweiten Jahr erhöht sich der Lohn auf 11,84 Euro brutto.
Welcher Tarif gilt?
Laut dem Einzel- und Versandhandelstarif Hessen müssten es nach Verdi-Angaben durchgängig vom ersten Jahr an 12,81 Euro brutto pro Stunde sein, sagte eine Verdi-Sprecherin. Hinzu kämen deutlich höhere Zuschläge für Sonntags- und Nachtdienste sowie Überstunden.
Amazon verweist darauf, seinen Mitarbeitern Zusatzleistungen wie Aktienzuteilungen, Bonuszahlungen, Altersvorsorge und Sonderzahlungen zu Weihnachten zu gewähren.
Verdi kritisiert, dass Amazon auch mit diesen freiwilligen Leistungen noch weit vom Tarifanspruch entfernt liege. Das Verhältnis von Arbeitsleistung und Bezahlung stimme nicht.
Versandhandel oder Logistik-Dienstleistung?
Uneins sind sich die Streitparteien vor allem darüber, welchen Charakter der Job bei Amazon hat. Verdi sieht in dem Unternehmen einen klassischen Versandhändler. Der US-Versandriese wiederholt gebetsmühlenartig: "Unsere Mitarbeiter nehmen Ware aus Regalen, verpacken und versenden sie." Mit dieser Dienstleistung stünden die Logistikzentren im Wettbewerb mit anderen Unternehmen, die Logistik-Dienstleitungen anbieten.
Aufgrund der festgefahrenen Auseinandersetzung legten die Beschäftigten bereits mehrfach ihre Arbeit nieder, auch in der Weihnachtszeit 2013. Verhandlungsführer Jörg Lauenroth-Mago kündigte am Wochenende in der "Bild"-Zeitung an, notfalls werde auch in diesem Jahr im Weihnachtsgeschäft gestreikt.
Amazon betonte, die Ausstände hätten keine Auswirkungen auf die "Einhaltung des Lieferversprechens" an die Kunden. Die große Mehrheit der Mitarbeiter habe regulär gearbeitet.
Hoher Quartalsverlust
Ende vergangener Woche hatte Amazon mit schlechten Quartalszahlen für Schlagzeilen gesorgt. Der rasante Expansionskurs von Konzern-Chef Jeff Bezos bescherte dem weltgrößten Online-Händler einen unerwartet hohen Verlust von 437 Millionen Dollar (345 Mio Euro).
Dazu trug auch das erste Amazon-Handy Fire Phone bei. Das als sehr innovativ angekündigte Smartphone ist bisher kein Verkaufsschlager und bekam auch schlechte Kritiken in der Fachpresse.
Für das laufende Quartal mit dem wichtigen Weihnachtsgeschäft konnte der Konzern überhaupt keine klare Prognose geben. Die Vorhersage beim operativen Ergebnis liegt zwischen einem Minus von 570 Millionen Dollar und einem Gewinn von 430 Millionen Dollar.
Aktionäre verunsichert
So werden die Aktionäre von Amazon weiter verunsichert Sie sind zwar rote Zahlen oder nur dünne Gewinne gewöhnt. Denn der Online-Händler investiert aggressiv, um seine Marktposition zu verteidigen und auszubauen. Damit schießen die Kosten aber immer mehr in die Höhe.
Inzwischen scheinen die Investoren die Geduld ztu verlieren: Der Aktienkurs fiel am Freitag nach Verkäufen der Wertpapiere, obwohl der Quartalsumsatz des Konzerns im Jahresvergleich immerhin um ein Fünftel auf 20,6 Milliarden Dollar gestiegen war.
Finanzchef Tom Szkutak kündigte aber an, dass Amazon grundsätzlich an den hohen Investitionen festhalten werde.