Verdacht: Chemiewaffeneinsatz in Darfur
15. September 2004
Die Aktion, die Dutzende Menschen das Leben gekostet habe, sei in Absprache mit der sudanesischen Regierung erfolgt. Nachrichtenagenturen berichten dagegen, deutsche Sicherheitskreise hätten keine Anhaltspunkte für einen solchen Chemiewaffeneinsatz Syriens im Sudan. Die in Berlin erscheinende Zeitung beruft sich in ihrer Mittwochsausgabe (15.9.) auf ihr vorliegende Unterlagen westlicher Geheimdienste. Der "Welt"-Autor bestätigte gegenüber DW-WORLD, er halte die Informationen für zuverlässig und habe bereits wiederholt mit diesen Quellen zusammengearbeitet.
Laut diesen Berichten hätten sich syrische Offiziere im Mai 2004 in einem Vorort von Khartum mit Vertretern der sudanesischen Armee getroffen. Bei den Gesprächen sei es um die Frage gegangen, wie man die militärische Zusammenarbeit ausweiten könne. Die syrische Delegation habe Sudan eine engere Kooperation auf dem Gebiet der chemischen Kriegführung angeboten. Dabei sei vorgeschlagen worden, die Wirkung der chemischen Kampfstoffe an den Rebellen der Sudan People's Liberation Army (SPLA) zu untersuchen. Da sich Khartum im Mai in Friedensverhandlungen mit den Rebellen befand, habe die sudanesische Delegation offenbar dazu geraten, die Kampfstoffe an der schwarzafrikanischen Bevölkerung zu testen.
Sonderbare Wunden
Wann der Einsatz begonnen habe, lasse sich nicht genau feststellen. Für den Einsatz seien mindestens fünf Flugzeuge der syrischen Zivilfluggesellschaft Syrian Arab Airlines von Damaskus nach Khartum geflogen, an Bord Spezialisten der syrischen Hochschule für chemische Kriegsführung samt technischer Ausrüstung.
Sudanesische Augenzeugen berichteten der "Welt" zufolge in einem Artikel der arabischen Webseite "Ilaf" vom 2. August über sonderbare Vorgänge in Khartums Al-Fashr-Hospital. Im Juni seien plötzlich mehrere Dutzend eingefrorener Leichen ins Krankenhaus gebracht worden. Sie hätten am ganzen Körper Verletzungen aufgewiesen, die auf einen Chemiewaffeneinsatz hindeuteten.
Amnesty International vor Ort
Unterdessen erklärte sich die sudanesische Regierung zum ersten Mal seit Ausbruch des Darfur-Konfliktes bereit, eine Delegation der Menschenrechtsorganisation Amnesty International in die Krisenregion reisen zu lassen. Am Dienstag traf die Untersuchungskommission im Sudan ein. Die von der ai-Generalsekretärin Irene Khan geleitete Gruppe will bis zum 21. September die Ortschaften El Dscheneina, Njala und El Fascher besuchen. Dort wollen die Menschrechtsaktivisten Gespräche mit Opfern des Bürgerkriegs sowie mit Vertretern von regierungsunabhängigen Organisationen vor Ort führen. In der Hauptstadt Khartum sind Treffen der ai-Experten mit Regierungsmitgliedern und internationalen Vertretern geplant.
Die Europäische Union hat der sudanesischen Regierung angesichts der andauernden Krise mit Sanktionen gedroht. Damit verschärften die EU-Außenminister bei einem Treffen in Brüssel am Montag ihren Ton. Ursprünglich war nur eine vage Erwähnung der Möglichkeit von Strafen beabsichtigt.
Tausende Tote
In dem im Februar 2003 begonnenen Konflikt zwischen Rebellen und Regierungstruppen in Darfur wurden bereits bis zu 50.000 Menschen getötet. Rund 1,4 Millionen Menschen waren oder sind infolgedessen auf der Flucht. Bis zu 10.000 Menschen sterben zudem monatlich in der sudanesischen Krisenregion. Hauptursache der Todesfälle seien Durchfallkrankheiten, teilte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit. Besonders kleine Kinder seien betroffen.