Viele Wahlhelfer sagen wegen COVID-19 ab
31. Oktober 2020Eigentlich wollte Dan Kortum den 3. November als Wahlhelfer verbringen. Der ehemalige Anwalt meldete sich nach dem Urnengang 2016 für das Ehrenamt, um zu helfen, die Situation zu verbessern. Denn in seinem Wahllokal in Pittsburgh hatten die Leute bis in die Nacht angestanden, um ihre Stimme abgeben zu können.
"Diese Leute, die den Wahlvorgang am Laufen halten, Gott segne sie, sind schon lange in Rente. Offen gesagt waren sie nicht in Bestform. Und das war das Nadelöhr in diesem Prozess", sagt Kortum. Es habe noch freie Wahlkabinen gegeben, aber bei der Registrierung habe es sich gestaut, erinnert sich der Rentner aus Pennsylvania an die Wahl vor vier Jahren. "Es lag an den Leuten. Und das hat mich frustriert."
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass nun, vier Jahre später, Dan Kortums Alter selbst zu Problemen führt. Die Coronavirus-Pandemie bestimmt diese Wahl - und bugsiert Hunderttausende Wahlhelfer im Seniorenalter ins Abseits.
Wahlhelfer sind die heimlichen Helden in dem demokratischen Prozess. Sie helfen überall aus, haben ein Auge auf die Wahlausrüstung, registrieren neue Wähler und stellen sicher, dass die Stimmzettel korrekt ausgefüllt werden. 2016 waren in den ganzen USA fast eine Million Wahlhelfer nötig, um die Arbeit in den Wahllokalen zu bewältigen. Rund 138 Millionen Wähler stimmten damals in der hart umkämpften Wahl ab.
Doch in den vergangenen Jahren war mehr als jeder zweite Wahlhelfer über 60 Jahre alt - für sie ist Ehrenamt jetzt eine Gefahr für ihre Gesundheit: "So weit ich weiß, habe ich keine bedeutenden Vorerkrankungen", sagt Dan Kortum. "Aber ich bin 71 Jahre alt. Als Wahlhelfer unterschreibst du Dokumente, leihst ständig Stifte aus, überreichst den Wählern Dinge."
Er ist sich sicher: 15 Stunden lang Interaktionen mit vielen Personen in einem geschlossenen Raum ist ein Risiko, und er möchte es nicht eingehen: "Deshalb habe ich entschieden, dass es wahrscheinlich das Beste ist, diese Wahl auszusetzen."
Probleme bei den Vorwahlen
In diesem Jahr ist es wahrscheinlich, dass der Ansturm auf die Wahllokale noch größer wird. Experten prognostizieren eine so große Wahlbeteiligung, wie es sie seit 1908 nicht mehr gegeben hat. Die Beteiligung an der frühzeitigen Stimmabgabe hat in vielen Bundesstaaten schon jetzt alle Rekorde gebrochen.
Doch viele der erfahrensten Wahlhelfer lassen in diesem Jahr der Gesundheit zuliebe Vorsicht walten. Die Organisatoren der Wahl kämpften darum, diese Lücke bei den Freiwilligen zu schließen - eine Lücke, die dafür sorgen könnte, dass Menschen Schwierigkeiten haben, ihr Wahlrecht auszuüben.
Die erste Welle der Infektionen traf die Vorwahlen zur Präsidentschaftswahl in der ersten Jahreshälfte teils stark. In Milwaukee etwa, der größten Stadt des politisch hart umkämpften Bundesstaats Wisconsin, waren 175 der üblichen 180 Wahllokale geschlossen. Zehntausende Wähler strömten also zu den verbliebenen fünf Orten. Viele warteten stundenlang, da sich die Schlangen teils über mehrere Häuserblocks erstreckten. Andere gaben einfach auf. Die Wahlbeteiligung sank im Vergleich zu 2016 um fast zehn Prozentpunkte.
Eine neue Generation
Regionale Wahlkommissionen und Initiativen, die die Wahlbeteiligung erhöhen wollen, befürchten eine Wiederholung dieses Szenarios. Deshalb haben sie sich sehr offensiv darum bemüht, neue Freiwillige zu rekrutieren. Dabei haben sie sich vor allem an eine Gruppe gerichtet, der oft nachgesagt wird, sie meide den Gang zum Wahllokal: die nach 1981 Geborenen, auch Millenials und Zoomer genannt.
Eine von ihnen ist Dan Kortums eigene Tochter Katherine, die als Transportingenieurin in Washington D.C. lebt. "Ich kann nicht den Platz meines Vaters einnehmen, weil ich an einem anderen Ort lebe. Aber ich kann den Vater von jemand anderem ersetzen", sagt die 36-Jährige.
Für sie selbst sei die Gefahr, die von einer Ansteckung ausgeht, eher gering. Deshalb sei es besser, wenn sie im Wahllokal ist. "Es ist gut möglich, dass ich die Person nicht kenne, deren Platz ich einnehme, aber sie ist irgendjemandem wichtig. Wenn ich also dazu beitragen kann, dass sich diese Person keinem Risiko aussetzt, tue ich, was ich kann."
So gehe es vielen jungen Menschen bei dieser Wahl, sagt Ciarra Malone, die im Bundesstaat Georgia das "Campus Vote Project" koordiniert. Die Initiative will erreichen, dass mehr Studenten an der Wahl teilnehmen. Ihr zufolge weiß die junge Bevölkerung, wie wichtig es ist, sich freiwillig als Wahlhelfer zu melden.
"Sie wollen sicherstellen, dass ihre Großmutter in Sicherheit ist und dass sie einen Ort hat, an dem sie gefahrlos ihre Stimme abgeben kann", sagt Malone. "Geliebte Personen zu schützen, ist ein sehr starker Antrieb, für junge Leute, etwas zu tun, was sie vorher nicht getan haben."
Die Wahlhelfer-Krise überwinden
Im Zuge der anstehenden Wahl hat Malone eng mit der Initiative "Power the Polls" zusammengearbeitet, die im Juni gegründet wurde, nachdem Wahllokale besetzt wurden. In weniger als 100 Tagen hat die Gruppe ihr ursprüngliches Ziel nahezu verdreifacht. Sie konnte mehr als 700.000 neue Wahlhelfer gewinnen.
Auch andere Initiativen wie "More than a Vote" vom Basketballstar LeBron James bemühten sich um neue Freiwillige. Unterstützt wurde sie vom ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama und dessen Ehefrau Michelle.
Allen Widrigkeiten zum Trotz heißt es von den meisten Stellen nun, sie seien voll besetzt. Das ist Musik in Dan Kortums Ohren: "Wenn es genug Ersatzfreiwillige gibt, dann gibt es am Wahltag nur Warteschlangen wegen einer immensen Wahlbeteiligung - nicht wegen eines Mangels an Wahlhelfern."
Er ist mehr als glücklich, den Staffelstab an die nächste Generation weiterzugeben. Trotzdem hofft er, bei der nächsten Wahl wieder als Freiwilliger dabei zu sein. "Mit ein bisschen Glück und Gottes Gnade ist das Coronavirus bis dahin nichts weiter als eine Erinnerung."
Adaptiert aus dem Englischen von Uta Steinwehr.