Deutliche Warnung der USA an die Türkei
17. Juli 2016Nach dem niedergeschlagenen Militärputsch in der Türkei wachsen die Spannungen in den Beziehungen zu den USA. Der amerikanische Präsident Barack Obama rief die Regierung in Ankara zur Zurückhaltung auf und mahnte, bei der Bekämpfung der Umstürzler die Gesetze einzuhalten. Nach Angaben des Weißen Hauses verwies er in einer Telefonkonferenz mit Beratern zudem auf die gemeinsamen Herausforderungen mit der Türkei - etwa den Kampf gegen den Terrorismus.
Noch deutlicher wurde Außenminister John Kerry. Er warnte seinen türkischen Kollegen Mevlut Cavosoglu vor einem Schaden für das Verhältnis zwischen beiden Ländern. Entschieden wies Kerry angebliche Unterstellungen in der Türkei zurück, die USA seien in den fehlgeschlagenen Staatsstreich involviert. Sein Ministerium erklärte: "Er machte deutlich, dass die Vereinigten Staaten bereit seien, die türkischen Behörden bei der Untersuchung zu unterstützen, aber dass öffentliche Andeutungen oder Behauptungen über jedwede Beteiligung der Vereinigten Staaten an dem gescheiterten Putschversuch völlig falsch und schädlich für unsere bilateralen Beziehungen sind."
Obama und Kerry hatten den Putschversuch umgehend verurteilt und zur Unterstützung der demokratisch gewählten Regierung der Türkei aufgerufen. Der türkische Arbeitsminister Süleyman Soylu deutete später jedoch an, die USA steckten selbst hinter dem Umsturzversuch.
265 Todesopfer
Teile des türkischen Militärs hatten in der Nacht zum Samstag versucht, die Macht an sich zu reißen. In Ankara und Istanbul kam es zu schweren Gefechten. Dabei wurden nach offiziellen Angaben 265 Menschen getötet, darunter 161 Zivilisten und Polizisten sowie 104 Aufständische. Die türkische Regierung erklärte den Putschversuch nach wenigen Stunden für gescheitert.
Zur Belastungsprobe wird insbesondere der Geistliche Fethullah Gülen, der in den USA lebt. Gülen ist seit einem schweren Zerwürfnis 2013 einer der Erzfeinde des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Er beschuldigt Gülen, hinter dem Umsturzversuch zu stehen. Der islamische Prediger wies diese Behauptung energisch zurück und erklärte, der Putschversuch könnte von der türkischen Führung selbst inszeniert worden sein.
Der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim sagte, jedes Land, das Gülen unterstütze, werde als im Kriegszustand mit der Türkei betrachtet. Erdogan forderte die Regierung in Washington auf, Gülen auszuliefern. Kerry erklärte dazu, die USA seien bereit, der Türkei dabei zu helfen, die Verantwortlichen für den Putschversuch ausfindig zu machen. Man werde aber nur Maßnahmen ergreifen, wenn es Beweise gegen Gülen gebe.
Luftraum für Militärjets blockiert
Der gescheiterte Staatsstreich behindert inzwischen die von den USA angeführten Angriffe gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" in Syrien. Die Türkei schloss ihren Luftraum für Militärflugzeuge. Daher kann die amerikanische Luftwaffe von der türkischen Basis Incirlik aus keine Maschinen starten. In Incirlik sind auch rund 250 deutsche Soldaten stationiert. Die Bundeswehr startet von dort zu Aufklärungs- und Tankflügen im Kampf gegen den IS.
Die Beziehungen der Türkei zu den USA haben sich in letzter Zeit verschlechtert. Hintergrund sind unter anderem Erdogans zunehmend autoritärer Herrschaftsstil sowie die türkische Unterstützung für islamistische Oppositionsgruppen in Syrien.
Derweil warnt die Regierung in Washington ihre Bürger vor Reisen in die Türkei. US-Bürger sollten Reisen in die Türkei "überdenken", erklärte das Außenministerium. In der Mitteilung wurde zudem vor einer "zunehmenden Gefahr durch Terrorgruppen" im ganzen Land gewarnt. Von Reisen in den Südosten der Türkei, wo die Streitkräfte mit aller Härte gegen die kurdische Untergrundorganisation PKK vorgehen, wird ausdrücklich gewarnt.
Ruf nach der Todesstrafe
Nach offiziellen Angaben wurden in der Türkei bisher mehr als 2800 Putschisten aus den Reihen der Armee festgenommen. Auch fünf Generäle und 29 Oberste wurden demnach ihrer Posten enthoben. Erdogan hatte eine "vollständige Säuberung" des Militärs angekündigt. Nach seinen Worten könnte das Parlament schon bald über die Wiedereinführung der Todesstrafe beraten. Nach entsprechenden Äußerungen seiner Anhänger sagte er in Istanbul: "Dass jede Forderung bewertet, besprochen und diskutiert wird, ist in einem demokratischen Land ein Recht." Es sei "auch nicht nötig, sich dafür von irgendwoher eine Erlaubnis einzuholen."
kle/fab (rtr, afp, dpa)