USA: Schrille Töne in der Waffendebatte
2. März 2018Der Republikanische Kongressabgeordnete Don Young ist in Washington für schräge Vergleiche und aufhetzende Bemerkungen bekannt. Einmal soll er einem Parteifreund gedroht haben, ihn zu beißen - "wie ein wildgewordener Nerz!". Nach dem Schulmassaker von Parkland hat sich die Debatte über verschärfte Waffengesetze in den USA aufgeheizt. Erneut provozierte der Politiker aus Alaska.
Bei einer Konferenz in seinem Bundestaat behauptete er, dass mehr Juden den Holocaust überlebt hätten, wenn sie bewaffnet gewesen wären. "Wie viele Millionen Menschen wurden erschossen, weil sie unbewaffnet waren?", fragte er sein Publikum. "Wie viele Juden wurden in die Öfen gesteckt, weil sie nicht bewaffnet waren?"
Absurde Behauptungen
Seine politischen Gegner und Bürgerrechtsorganisationen reagierten empört. Youngs Äußerungen seien absurd. "Es ist völlig verdreht, zu behaupten, persönliche Schusswaffen in den Händen einer kleinen Zahl von Juden in Deutschland (rund 214.000 Verbliebene in Deutschland 1938) hätten den totalitären Ansturm der Nazis stoppen können, wenn die Armeen von Polen, Frankreich, Belgien und vielen anderen Ländern vom Dritten Reich überwältigt wurden", kritisierte Jonathan Greenblatt von der Anti-Defamation League, die in den USA gegen den Antisemitismus kämpft.
Youngs Pressesprecherin, Murphy McCollough, teilte der DW auf Anfrage mit, die Äußerungen seien aus dem Zusammenhang gerissen worden. Der Kongressabgeordnete wollte nur generell klar machen, "welche dramatischen Folgen drohen, wenn man die Bürger entwaffnet". Sie seien dann ihren Regierungen ausgeliefert.
Wie die NRA den Holocaust missbraucht
Es ist nicht das erste Mal, dass der Holocaust von der Waffenlobby-Organisation National Rifle Association, NRA, und ihren Mitgliedern missbraucht wird. Mit Verweis auf ein Reichsgesetz aus dem Jahr 1938 wird behauptet, dass der Holocaust hätte verhindert werden können, wenn die Nazis Juden den Waffenbesitz nicht verboten hätten.
"Diese absurde Behauptung taucht immer wieder in Debatten um mehr Waffenkontrolle auf", sagt Professor Robert J. Spitzer, dessen Fachgebiet Waffengesetzgebung ist. "Die NRA will damit beweisen, dass bewaffnete Bürger jede Tyrannei verhindern können. Allerdings haben diejenigen, die das behaupten, von Geschichte keine Ahnung."
Ein sicherer Weg, Gegner zu verunglimpfen
Amerikaner seien eher als Deutsche bereit, den Begriff "Holocaust" in politischen Debatten zu nutzen, findet der Historiker Peter Hayes. "Es ist der sicherste Weg, um seine Gegner zu verunglimpfen, um Menschen Angst zu machen, und eine sachliche Debatte in Beschimpfungen ausarten zu lassen."
In der Debatte, die auf das Schulmassaker von Florida folgte, wächst der Druck auf die mächtige NRA. Viele Amerikaner sind berührt davon, wie sich überlebende Schüler der Marjory Stoneman Douglas High School in Parkland für strengere Waffengesetze engagieren. Mittlerweile fordert eine große Mehrheit der Amerikaner Einschränkungen beim Waffenverkauf.
Trumps Kehrtwende
Präsident Trump hat inzwischen eine Kehrtwende vollzogen. Er fordert jetzt unter anderem, potentielle Waffenverkäufe umfassender zu überprüfen und das Mindestalter für den Erwerb von Schusswaffen anzuheben. Auch die US-Wirtschaft reagiert. Der US-Einzelhandelsriese Walmart hat das Mindestalter für den Kauf von Waffen und Munition auf 21 Jahre bereits angehoben. Die Einzelhandelskette Dick's Sporting nimmt Sturmgewehre aus dem Sortiment.
Mehrere Unternehmen, darunter die Fluggesellschaft Delta, kündigen an, Mitgliedern der NRA keine Rabatte mehr zu gewähren. Im Fall von Delta hat das Folgen. "Ich werde jedes Gesetz killen, das Delta begünstigt", twitterte Casey Cagle, der stellvertretende Gouverneur des Staates Georgia, in dem die Fluggesellschaft ihren Sitz hat. "Kein Unternehmen kann uns Konservative attackieren, ohne dass wir zurückschlagen!"
Inzwischen hat das Parlament in Georgia geplante Steuervergünstigungen auf Flugbenzin gestrichen, um damit Delta zu bestrafen. Die NRA gerät massiv unter Druck, aber sie hält dagegen – mit allen Mitteln.