USA - Kuba: "Eine historische Annäherung"
17. Dezember 2014DW: US-Präsident Barack Obama und der kubanische Staatschef Raúl Castro wollen diplomatische Beziehungen aufnehmen – nach Jahrzehnten der Eiszeit zwischen beiden Ländern. Ist das nur ein erster kleiner Schritt? Oder ist das eine historische Annäherung?
Bert Hoffmann: Es ist auf jeden Fall eine historische Annäherung. Die diplomatischen Beziehungen wieder aufzunehmen, das ist wirklich ein ganz wichtiger Schritt. Das hat Symbolkraft. Mehr kann ein US-Präsident mit einem einzigen Schritt nicht tun. Auch wenn es erst einmal Verhandlungen geben muss darüber, wie man die diplomatischen Beziehungen wieder aufnimmt: das ist historisch.
Kam die Annäherung für Sie überraschend?
Der Moment kommt überraschend, aber die grundsätzliche Annäherung hat sich angebahnt. Die Verhandlungen waren geheim. Es war jedoch seit geraumer Zeit klar, dass es Verhandlungen gibt über die Freilassung des US-Gefangenen in Kuba, des mutmaßlichen Geheimdienstmitarbeiters Alan Gross. Und die Regierung Obama hatte seit geraumer Zeit angekündigt, dass eine grundlegende Überarbeitung der Kuba-Politik ansteht. Dass beide Präsidenten gleichzeitig vor die Kameras treten, das war in der Form neu, interessant und überraschend. Dass Obama in den letzten zwei Jahren seiner Amtszeit diesen Schritt macht, das war nicht überraschend. Denn Obama hat politisch nichts mehr zu verlieren und die Annäherung an Kuba als überfällig angesehen.
Welches Interesse hat Obama, welches Interesse haben die USA an normalen Beziehungen zu Kuba?
Zum einen ein politisches. Die USA wollen nicht immer nur die Getriebenen sein. Im April ist der Gipfel der Organisation Amerikanischer Staaten. Da wird Kuba dabei sein. Und da müssten sie wieder Raúl Castro die Hand schütteln und alle Welt würde sehen, dass die USA der Getriebene sind und nur reagieren. Stattdessen gehen die USA jetzt ein Stück weit nach vorn und sagen: wir sind aktiv und kommen voran. Zum anderen macht die US-Geschäftswelt seit langer Zeit Druck und sagt: wir wollen nach Kuba exportieren. Lebensmittelunternehmen, die Tourismusindustrie und andere machen Druck, die Beziehungen zu normalisieren. Und die politische Gefahrenlage ist längst nicht mehr so, dass man Kuba isolieren müsste.
Viele Exilkubaner in den USA sehen das anders.
Dieser Schritt wird natürlich massiv angegriffen werden. Dafür wird Obama sehr viel Kritik von Seiten der Rechten, der Hardliner und der Exilkubaner einstecken. Aber die kubanische Community in den USA ist mittlerweile auch sehr gespalten. Die Leute schicken viel Geld an ihre Verwandten auf der Insel. Kubaner aus Miami schauen, dass sie Schnäppchen auf dem Immobilienmarkt in Havanna machen. Die Menschen wollen Business machen. Die Position, Kuba zu isolieren, ist längst nicht mehr so einhellig. "Wandel durch Annäherung" und durch direkten Kontakt, auch das ist längst eine etablierte Position.
Glauben Sie, dass Obama den Kongress überzeugen kann, nun komplett auf Sanktionen gegenüber Kuba zu verzichten?
Das ist ganz unwahrscheinlich, da im Kongress die Republikaner das Sagen haben. Er kriegt ganz sicher nicht schnell - und wahrscheinlich auch gar nicht - eine Aufhebung der Sanktionsgesetze durch den Kongress. Was passieren kann, ist, dass Ausnahmen verhandelt werden. Die gibt es ja jetzt schon. Die USA sind Kubas fünftwichtigster Handelspartner - so viele Ausnahmen hat man schon geschaffen.
Und wann reist Obama zur Eröffnung der US-Botschaft nach Havanna?
Die Botschaft wird sicher ohne ihn eröffnet werden. Und bis dahin kann es dauern, vielleicht das ganze nächste Jahr lang. Es geht jetzt um Visumsbestimmungen und viele offene Fragen. Aber in dem Moment, in dem man darüber verhandelt, ist die Botschaft in der Praxis schon halb da.
Prof. Dr. Bert Hoffmann ist Kuba-Experte am Hamburger GIGA-Institut für Lateinamerika-Studien.