USA brauchen Syrien-Strategie
17. September 2015Teheran hat nach Gesprächen mit Moskau bekanntgegeben, man werde in den nächsten Tagen beginnen, einen politischen Plan zur Lösung des Syrien-Konflikts umzusetzen. Washington scheint überrascht über diese Schritte.
Das war nicht das erste Mal, dass die militärischen Aktivitäten Moskaus in Syrien in letzter Zeit für Überraschungen sorgten: "Ich weiß von keiner Vorankündigung gegenüber den Vereinigten Staaten, was diese zusätzlichen Aktivitäten von Russland angeht", sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, John Kirby. Daraufhin bekräftigte US-Außenminister John Kerry im Gespräch mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow die amerikanischen Sorgen über Moskaus Vorgehen. Es war sein dritter Anruf bei Lawrow innerhalb von zehn Tagen.
Davis: USA zögerlich im Syrien-Konflikt
Jetzt also die Ankündigung aus Teheran: Noch gibt es keine offizielle Reaktion aus den USA. "Der politische Plan der Islamischen Republik Iran für die Syrien-Krise wird nach Gesprächen mit russischen Vertretern in den nächsten Tagen umgesetzt", sagte Irans stellvertretender Außenminister, Amir Abdollahian, am Dienstag nach Angaben der halbstaatlichen iranischen Nachrichtenagentur Fars.
Der amerikanische Wissenschaftler James Davis forscht an der Universität St. Gallen zum Thema Außenpolitik. Ihn hat die langsame Reaktion der Obama-Regierung auf die militärischen und diplomatischen Schritte von Russland und dem Iran nicht überrascht.
"Diese US-Regierung war nicht besonders geschickt bei der Entwicklung einer schlüssigen Strategie für den Nahen Osten und insbesondere für Syrien", sagt Davis."Einer meiner Kritikpunkte an Obamas Herangehensweise ist, dass die USA immer noch nicht entschieden haben, ob ihnen das Thema überhaupt wichtig genug ist."
Von Anfang an, meint Davis, seien die USA ein zögerlicher Akteur im Syrien-Konflikt gewesen. Statt eine echte Debatte über Syrien zu führen, habe Washington "halbherzig einige Rebellengruppen unterstützt und dann entschieden, dass der 'Islamische Staat' (IS) die Gefahr ist, gleichzeitig aber das abscheuliche Verhalten von Syriens Präsident Baschar al-Assad kritisiert".
Eskalation zwischen den USA und Russland
Die Auswirkungen des russischen Vorgehens reichen weit über den Syrien-Konflikt hinaus: "Es ist auch eine Stufe der weiteren Eskalation zwischen den USA und Russland", sagt Kristina Kausch, Leiterin des Nahost-Programms der Denkfabrik FRIDE in Madrid. "Für den Westen ist es wichtig zu verstehen, dass es für Präsident Wladimir Putin nicht nur um Syrien geht, sondern darum, seine geopolitischen Interessen in einer zunehmend umkämpften Region zu wahren."
Mit dem Sturz der Diktatoren Saddam Hussein im Irak und Muammar al-Gaddafi in Libyen durch die USA oder mit ihrer Hilfe hat Moskau seine langjährigen Verbündeten in der Region verloren. Selbst der Iran, ein weiterer traditioneller Partner des Kremls, hat sich durch die Unterzeichnung des Nuklear-Abkommens Washington angenähert.
"Damit ist das Regime von Assad Russlands letzter Ankerpunkt in der Region", so Kausch. Das Vorgehen Moskaus müsste vor diesem Hintergrund gesehen werden, gibt sie zu bedenken.
"Russland hat sich militärisch übernommen"
Doch die jüngsten Schritte Moskaus in Syrien hätten nur symbolischen Charakter im Vorfeld der UN-Generalsversammlung, meint Pavel Baev, Militär-Experte für Russland am Friedensforschungsinstitut PRIO in Oslo. Es sei im Grunde genommen keine echte Intervention, sondern eher "Show".
"Die Wahrnehmung der militärischen Stärke Russlands ist übertrieben - zum Teil wegen des spektakulären Erfolgs auf der Krim. Tatsächlich hat sich Russland militärisch übernommen, weil es Einheiten in der Donbass-Region in der Ostukraine bereitstellen muss", meint Baev.
Seiner Ansicht nach kann Moskau sich gerade noch erlauben, ein oder zwei Luftwaffen-Geschwader nach Syrien zu schicken, um dort den IS zu bekämpfen. Aber solange Russland noch keine Hochpräzisionswaffen vor Ort habe, würden die Schläge weniger effektiv sein als die der USA, so Baev.
Washington muss sich entscheiden
Moskaus erhöhte militärische Unterstützung für Assad mache eine Lösung in Syrien zwar nicht einfacher, sagt Baev - doch sie verändere auch nicht grundsätzlich die Kräfteverhältnisse.
"Man sollte nicht überreagieren", meint er. Putin sei wohl bewusst geworden, wie beschäftigt die Türkei mit den Kurden ist, sowie, dass Europa mit seinem Flüchtlingsproblem klarkommen muss und Amerikas Bombenangriffe gegen den IS kaum Fortschritte bringen. "Putin versucht jetzt, die Wirren der westlichen Politik für seinen eigenen Vorteil zu nutzen", so Baev.
Die Obama-Regierung müsse sich endlich entscheiden, wie wichtig Syrien für Washington ist, meint US-Forscher Davis: "Wenn es uns wichtig ist, tun wir jetzt nicht genug. Falls es uns aber nicht wichtig ist, tun wir schon zu viel."