Rotkäppchens Großmutter hat eine Knarre
27. März 2016Als die beiden ersten Märchen hat die National Rifle Association (NRA) "Rotkäppchen" und "Hänsel und Gretel" in einer neuen Version veröffentlicht. Anders als im Original der Gebrüder Grimm tragen die Protagonisten jetzt Gewehre mit sich herum - auch im Titel: "Rotkäppchen hat ein Gewehr" und "Hänsel und Gretel haben ein Gewehr".
"Rotkäppchen fühlte das beruhigende Gewicht ihrer Flinte auf der Schulter" heißt es in der neuen Version, als die Märchenfigur den Wolf trifft. "Sein lüsternes Grinsen verschwand, als sein Blick auf das Gewehr fiel."
Es fließt kein Blut
Diese Version hat Amelia Hamilton im Auftrag der US-Waffenlobby geschrieben. Den Vorwurf von Waffengegnern der "Brady Campaign to Prevent Gun Violence", die neuen Versionen seien eine "Marketingkampagne", lässt sie nicht gelten. Das Gegenteil sei richtig, so die Autorin. Es gehe in ihren Geschichten vorrangig um Sicherheit.
"Der Wolf kam immer näher, das Maul weit geöffnet - doch plötzlich blieb er stehen. Mit seinen großen Ohren hörte er das unverwechselbare Geräusch, das entsteht, wenn ein Gewehr entsichert wird. Mit seinen großen Augen sah er, dass die Großmutter eine Schrotflinte auf ihn gerichtet hatte. 'Ich glaube nicht, dass ich heute gefressen werde', sagte die Großmutter. 'Und du wirst nie wieder jemanden fressen.' Oh wie der Wolf es hasste, wenn Familien wussten, wie sie sich selbst schützen können."
Auch Hänsel und Gretel wüssten eben, dass sie nicht am Lebkuchenhaus der Hexe knabbern dürfen, halten sich aus all den gefährlichen Situationen heraus, die in Märchen passieren und die sehr gewalttätig sind, so Autorin Hamilton.
Tatsächlich fällt in den neuen Versionen der beiden Märchen nicht ein einziger Schuss. Am Ende kommt der Sheriff und sperrt die Hexe ein, und der Jäger bewacht den Wolf, den Großmutter und Rotkäppchen in Ketten gelegt haben.
Zielgruppe Kinder
Zwar betonen sowohl die Autorin als auch die NRA, dass die Geschichten sich auch an Erwachsene richteten, doch das Zielpublikum für Märchen - auch für die in neuem Gewand und mit Gewehren - bleibt deutlich jünger. Es geht um Kleinkinder, die von der NRA für das Thema Waffen positiv beeinflusst werden sollen.
In den USA sterben jedes Jahr 30.000 Menschen durch Schusswaffen, davon die überwiegende Mehrzahl durch Selbsttötung. Doch immer wieder kommt es auch zu Amokläufen mit vielen Todesopfern wie zuletzt im kalifornischen San Bernardino oder vor vier Jahren bei der "Batman"-Filmpremiere in Aurora in Colorado.
Spektakulär auch der Fall eines vierjährigen Jungen, der in der vergangenen Woche seine Mutter mit deren geladener Pistole während der Fahrt in den Rücken schoss.
In den USA gibt es Schätzungen zufolge 350 Millionen Feuerwaffen - bei einer Einwohnerzahl von knapp 320 Millionen.
mak/pg (afp, dpa)