US-Außenpolitik: "Abgrundtiefes Unwissen"
12. Dezember 2015Die Präsidentschaftskandidaten der Republikaner reden zur Zeit über kein anderes Thema mehr als über Außen- und Sicherheitspolitik. Doch tun sie das weitgehend ohne aussenpolitische Kompetenz, wie Constanze Stelzenmüller vom Washingtoner Think-tank Brookings Institution bestätigt: "Keiner der Kandidaten hat bisher den Eindruck erweckt, dass er sehr viel über Aussenpolitik weiß."
Aussenpolitik wahlentscheidend?
Sie sieht allenfalls beim jungen Senator Marco Rubio aus Florida ein gewisses Potential. Doch vor allem Donald Trump und Ben Carson würden durch "abgrundtiefes Unwissen" glänzen. Dabei ist die Außen- und Sicherheitspolitik seit den Anschlägen von Paris und San Bernadino zum momentan wichtigsten Wahlkampfthema geworden.
Außenpolitik spiele in diesem Präsidentschaftswahlkampf "eine größere Rolle als in allen anderen Wahlkämpfen seit 1980", analysiert Lawrence Haas vom American Foreign Policy Council. Damals prägte das geostrategische Kräftemessen mit der Sowjetunion das Rennen zwischen Amtsinhaber Jimmy Carter und seinem Herausforderer Ronald Reagan.
Terrorangst und starke Sprüche
Heute sind es vor allem der Terror des sogenannten "Islamischen Staates" und das blutige Chaos im Mittleren Osten, die die US-Bürger verunsichern. "Je weniger sicher sich die Amerikaner fühlen - und sie sind ziemlich nervös im Augenblick -, desto wichtiger werden Außen- und Sicherheitspolitik", so der frühere Mitarbeiter der Clinton-Regierung.
Doch Stelzenmüller sieht noch weitere Gründe dafür, dass sich die Präsidentschaftskandidaten der Republikaner auf die Außenpolitik eingeschossen haben: "Die Regierung Obama kämpft mit Problemen, zu denen keiner eine wirkliche Lösung hat. Es ist alles zu gewissen Zeiten ausprobiert worden und inzwischen herrscht eine gewisse Ratlosigkeit."
Angesichts einer offensichtlichen Ohnmacht gegenüber dem islamistischen Terror verführt der Wahlkampf laut Stelzenmüller schnell zu starken Sprüchen, etwa nach dem Motto: "Wenn ich ins Amt komme, dann zerreiße ich den Iran-Deal. Oder: "Wenn ich Präsident wäre, dann würde ich Syrien massiv bombardieren."
Nicht nur Trump bedient Furcht
Donald Trump sagt zu jeder Gelegenheit, er wolle den "Islamischen Staat" und seine Terrorzentren "kaputtbomben". Ted Cruz spricht von "Flächenbombardement". Das seien Drohungen, die beim Wähler gut ankommen, insbesondere wenn sie mit der Unterstützung für Israel verbunden sind, so Stelzenmüller. Doch werde jeder Präsident im Amt schnell feststellen, "dass es gravierende Einwände gegen solche grobschlächtigen Vorgehensweisen gibt."
Den vorläufigen Höhepunkt in einer langen Reihe an populistischen Provokationen hat Donald Trump mit dem Vorschlag eines US-Einreiseverbotes für Muslime geboten. Der derzeit umfragenstärkste Präsidentschaftskandidat der Republikaner hat damit weit verbreitete Terrorängste der Amerikaner ausgenutzt.
Er folgt "republikanischen Denkmustern hinsichtlich der Einwanderung", erklärt Lawrence Haas: "Lasst uns einen Wall an unserer Südgrenze hochziehen und keine Mexikaner und Hispanics mehr reinlassen", höre man aus der Partei immer wieder. "Das ist keine außenpolitischen Position, das ist Teil der Einwanderungspolitik", stellt Haas klar. Trump habe damit einmal mehr gezeigt, dass er ein "rücksichtsloser Populist mit faschistoiden Einschlägen" sei, so Constanze Stelzenmüller.
Trump und Cruz ohne Konzept
Auch wenn ihm "keine These zu steil" ist, sei auch er nicht soweit gegangen, für Syrien den Einsatz amerikanischer Bodentruppen zu fordern: "Soweit sind die Kandidaten der Realität noch nahe, dass sie wissen, dass sich die Amerikaner damit nicht anfreunden würden", so die Außenpolitik-Expertin der Brookings Institution.
Stelzenmüller und Haas sind sich mit fast allen Politikexperten in Washington einig, dass Trump über keine "kohärente Strategie" verfüge. Die Washington Post schreibt, Trump betreibe allenfalls "Außenpolitik durch Reflex". Weitgehend frei von Faktenkenntnis reagiere er lediglich mit populistischen Thesen auf die vorherrschende Themenlage.
Auch Trumps derzeit in Umfragen stärkster Konkurrent, Senator Ted Cruz aus Texas, vermag die meisten Experten nicht zu überzeugen. Er hat sich in der Vergangenheit vor allem am Nuklearabkommen mit dem Iran abgearbeitet und daraus eine "Überlebensfrage für Israel gemacht", so Stelzenmüller. "Das ist ein Thema, mit dem Cruz bei der Tea Party und den religiös Konservativen gut punkten kann."
Den "Islamischen Staat" will er mit flächendeckenden Luftschlägen aus der Welt bomben. Auch zum Thema Russland höre man von Cruz wie den meisten anderen Kandidaten nur "dünne und letztlich ratlose Einlassungen", sagt Stelzenmüller. Den meisten republikanischen Kandidaten sei nicht klar, "ob sie Wladimir Putin abschrecken oder mit ihm Deals machen sollen".
Hoffnungsträger Rubio
Keiner der Kandidaten aus den Reihen der Republikaner verfügt über die außenpolitische Kompetenz und Erfahrung der demokratischen Bewerberin und Ex-Außenministerin Hillary Clinton. Doch Stelzenmüller und Haas sind sich einig, dass Senator Marco Rubio aus Florida Anlass zur Hoffnung bietet. Er sei der Kandidat "mit der höchsten Glaubwürdigkeit für Nationale Sicherheit", lobt Haas und glaubt mit Blick auf die Terrormiliz "Islamischer Staat", dass er die militärische Koalition wirkungsvoller als Präsident Obama anführen würde und "mehr Feuerkraft" auf das Kampffeld bringen würde.
"Es ist nicht so, dass Rubio ein detailliertes, differenziertes außenpolitisches Weltbild hat. Aber er hat zumindest langjährige Erfahrung im Senat, hat sich mit den Sachthemen beschäftigt und ist in der Welt unterwegs gewesen", sagt Stelzenmüller.
Vorbild Reagan
Für Rubio und den Großteil der republikanischen Präsidentschaftskandidaten ist der frühere Präsident Ronald Reagan das Vorbild. Sein ausgewogener Ansatz "Frieden durch Stärke" unterscheide sich allerdings erheblich von allem, was er aus dem republikanischem Bewerberfeld gehört habe, sagt Lawrence Haas.
Reagan hat mit Blick auf die damalige Sowjetunion den Begriff vom "Reich des Bösen" geprägt. Doch Constanze Stelzenmüller weist darauf hin, dass sich seine Politik nicht in ideologischer Agitation erschöpfte. Vielen, die ihn heute zitieren, sei nicht klar, "dass seine Außenpolitik durch eine sehr fein austarierte Diplomatie begleitet wurde".