"Zur Hölle mit Trump"
8. Dezember 2015Am Tag nach Donald Trumps jüngstem Vorstoß gegen Muslime ist in den USA eine hitzige Diskussion ausgebrochen - über den Präsidentschaftskandidaten selber und über seine immer radikaler werdenden Attacken.
Diskriminierung? Egal!
Sie wird in den großen Fernsehkanälen wie CNN oder Fox News geführt, auf Twitter und anderen sozialen Medien und in vielen Alltagsgesprächen der Menschen. "Das ist reine Demagogie", verurteilt Larry Haas vom American Foreign Policy Council Trumps neuesten Angriff gegen Muslime. Im Fernsehen kommen immer wieder Anhänger Trumps zu Wort, die ihr Idol rückhaltlos unterstützen. Einer sagt, es sei ihm egal, dass mit einem solchen Einreiseverbot eine ganze Religionsgruppe diskriminiert werde.
Ob Zufall oder nicht: Die meisten von ihnen tragen beim Interview Sonnenbrillen, wollen nicht erkannt werden. Larry Haas glaubt nicht, dass die Mehrheit der Republikaner hinter Trumps These steht, der zufolge nur ein striktes Einreiseverbot für Moslems die USA vor weiteren Terroranschlägen schützen kann.
"Das ist nicht, wofür dieses Land steht"
Es gibt Anzeichen dafür, dass Haas recht hat. An diesem Tag meldet sich erstmals Paul Ryan zu Wort, der neue republikanische Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus. Normalerweise äußere er sich nicht zum Präsidentschaftswahlkampf, sagt er vor laufenden Kameras. Doch Trump hat ihn mit seiner jüngsten Attacke herausgefordert: "Das ist nicht konservative Politik", sagt Ryan mit der US-Flagge im Hintergrund. "Was gestern vorgeschlagen wurde, ist nicht, wofür diese Partei steht, und, viel wichtiger, wofür dieses Land steht".
Es ist das erste Mal in der langen Reihe von provokativen Äußerungen des in fast allen Umfragen führenden republikanischen Präsidentschaftskandidaten, dass die Parteiführung und die anderen Präsidentschaftskandidaten geschlossen gegen ihn auftreten. Die Wähler sollten Trump "zur Hölle schicken", äußert sich ungewohnt deftig Senator Lindsey Graham, einer der Konkurrenten Trumps.
Selbst der umstrittene Dick Cheney, Vizepräsident unter George W. Bush und mitverantwortlich für den fatalen Irak-Feldzug, distanziert sich: "Das ist nicht, wofür wir stehen", stimmt er ein in den Chor der Kritiker. Im Verhältnis dazu moderater ist die Reaktion von Präsident Obamas Sprecher Josh Earnest. Er sieht Trump für das Präsidentenamt nun endgültig "disqualifiziert".
Nur Ted Cruz bleibt vorsichtig
Nur einer der republikanischen Präsidentschaftskandidaten, Ted Cruz, formuliert seine Ablehnung vorsichtig. Trump sei weiterhin ein "Freund", sagt der Senator aus Texas, der zu Trumps gefährlichstem Konkurrenten herangewachsen ist und auf dessen Anhänger spekuliert.
In den sozialen Medien fällt die Kritik weit schärfer aus: Faschistisch, bigott und rassistisch seien Trumps Äußerungen, liest man dort. Die "Philadelphia Daily News" sehen Trump sogar als "The New Furor" - und spielen damit offensichtlich auf den auch "Führer" genannten Adolf Hitler an.
Aufstieg von Demagogen hat Tradition
Trumps Demagogie sei "nicht das schlimmste, was wir bisher erlebt haben", sagt Larry Haas mit Blick auf die amerikanische Geschichte. Schon in den 1930er Jahren hätten die Amerikaner angesichts wirtschaftlicher Not einen "Aufstieg von Demagogen erlebt". Damals versammelte der katholische Prediger Father Coughlin ein Millionenpublikum am Radio. "Jeden Tag hat er die Juden für die Probleme der Welt verantwortlich gemacht," sagt Haas.
Trump repräsentiere eine "Deformation in der amerikanischen Politik, die immer wieder hochkommt – vor allem in der Republikanischen Partei", erklärt Haas, der für die Clinton-Regierung gearbeitet hat und heute in Washington zu den konservativen Politikexperten zählt.
Angst schüren gegen Einwanderer
"Das ist die Kombination aus Populismus und Ausländerhass", sagt er. Trump schüre vor dem Hintergrund der Terroranschläge von Paris und San Bernardino die Furcht vor Fremden. "In einem breiten Pinselstrich" würden Angehörige bestimmter Nationen und Religionen einfach als "nicht erwünscht" gebrandmarkt. "Wir haben diese Anti-Einwanderungsbewegung immer wieder gesehen. Das hat sich durch das ganze 19. bis ins frühe 20. Jahrhundert gezogen", analysiert Haas - und erinnert auch an die Vorbehalte vieler Republikaner gegen Einwanderer aus Mittel- und Lateinamerika. Trump selbst hatte jüngst eine Mauer an der Grenze zu Mexiko gefordert.
Politische Rechenspiele
"Keiner von uns sollte über Trumps Hasstiraden überrascht sein," liest man im Blog der Washington Post. Dort bringt man seine Attacke mit ganz nüchternen politischen Rechenspielen in Verbindung. In Iowa, einem für die Vorwahlen wichtigen US-Bundesstaat, war Trump in Umfragen jüngst auf den zweiten Platz gefallen - hinter Ted Cruz. Trumps bevorzugte Technik sei es, so das Blog, "an Angst, Furcht und Bigotterie zu appellieren. Und nun haben wir das Einreiseverbot für Muslims".