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US-Parlamentarier wollen Nord Stream 2 stoppen

12. Dezember 2019

So viel Einigkeit ist selten in den USA: Sowohl US-Präsident Trump als auch Republikaner und Demokraten im Kongress lehnen Nord Stream 2 ab. Nun wollen die Parlamentarier die Ostsee-Pipeline mit Sanktionen ausbremsen.

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Russland Baustelle der Gasleitung in der Nähe der Stadt Kingisepp
Ein Arbeiter setzt ein Kappe auf ein Rohr der Pipeline Nord Stream 2 Bild: Reuters/V. Vaganov

Das US-Repräsentantenhaus hat Sanktionen gegen Firmen im Zusammenhang mit der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 auf den Weg gebracht. Die Abgeordneten billigten mit großer Mehrheit ein Gesetzespaket zum Verteidigungshaushalt (NDAA), in das das Sanktionsgesetz eingefügt worden war. Erwartet wird, dass der Senat das Gesetzespaket noch vor Beginn der Sitzungspause Ende nächster Woche verabschiedet. Das Weiße Haus hat bereits deutlich gemacht, dass Präsident Donald Trump das Gesetzespaket unterzeichnen wird.

Nord Stream 2 soll vom kommenden Jahr an unter Umgehung von Polen und der Ukraine Gas von Russland nach Deutschland liefern. Bisher wurden nach Angaben des Nord-Stream-2-Konsortiums mehr als 2100 Kilometer des Doppelstrangs in der Ostsee verlegt, rund 300 Kilometer fehlen noch. Der US-Kongress will die Fertigstellung des Projekts verhindern. Ob das gelingt, ist fraglich. Die Sanktionen könnten es aber zumindest verzögern. Die USA argumentieren, dass sich Deutschland mit der Pipeline in Abhängigkeit von Russland begeben würde.

Infografik Nord Stream 2 Pipeline

Auch TurkStream im Visier

Das "Gesetz zum Schutz von Europas Energiesicherheit" sieht Strafmaßnahmen gegen die Betreiberfirmen der hoch spezialisierten Schiffe vor, mit denen die Rohre für die Pipeline durch die Ostsee verlegt werden. Auch TurkStream - eine russische Pipeline, die durch das Schwarze Meer Gas in die Türkei bringen soll - ist betroffen. Ebenso gelten die Sanktionen für jegliche Folgeprojekte von Nord Stream 2 und TurkStream.

Das Gesetz sieht vor, dass der US-Außenminister in Absprache mit dem Finanzminister dem Kongress binnen 60 Tagen berichtet, welche Schiffe eingesetzt werden und welche Firmen diese Schiffe zur Verfügung gestellt haben. Gegen Manager der Firmen und deren Hauptaktionäre mit Kontrollmehrheit sollen Einreiseverbote in die USA verhängt werden. Bestehende Visa sollen widerrufen werden. Transaktionen der Betroffenen, die sich auf ihren Besitz oder ihre geschäftlichen Interessen in den USA beziehen, sollen blockiert werden können. Die Auswärtigen Ausschüsse im Repräsentantenhaus und im Senat hatten bereits vor Monaten mit klaren Mehrheiten Gesetzesentwürfe mit Sanktionen zu Nord Stream 2 verabschiedet.

USA Florida Port Tanks in Jacksonville
Ein LNG-Container in Jacksonville, Florida. Laut OAOEV wollen die USA vor allem ihr Flüssiggas in Europa verkaufen.Bild: picture-alliance/AP Images/Florida Times-Union/B. Mack

Ministerium reagiert mit Bedauern

Der Betreiber von Nord Stream 2 will sich nicht zu den näherrückenden US-Sanktionen äußern. "Uns sind die politischen Debatten sowie die Gesetzesinitiativen im US-Kongress bekannt", teilte ein Sprecher der Nord Stream 2 AG am Donnerstag im schweizerischen Zug mit. "Wir können uns zu etwaigen Auswirkungen auf unser Projekt nicht äußern."

"Die europäische Energiepolitik wird in Europa entschieden, nicht in den USA", unterstrich Außenminister Heiko Maas (SPD) am Donnerstag. Wie das Wirtschaftsministerium lehnte er den Anspruch der USA ab, exterritoriale Sanktionen zu verhängen. Das Wirtschaftsministerium reagierte mit "Bedauern" auf die Entscheidung des US-Repräsentantenhauses. Eine Sprecherin von Wirtschaftsminister Peter Altmaier sagte am Donnerstag, das Haus beobachte nun genau, wie der US-Senat sich verhalte. Weiter sagte sie: "Unsere Haltung zu extraterritorialen Sanktionen ist klar: Wir lehnen diese ab."

Der FDP-Außenpolitiker und Vize-Fraktionschef, Alexander Graf Lambsdorff, kritisiert die Bundesregierung harsch:  "Die deutsche Regierung hat es nicht geschafft, das Thema Nord Stream 2 außenpolitisch einzubetten. Das ist vollkommen misslungen und hat politisches Kapital gekostet", so Lambsdorff gegenüber der DW. Das habe auch dazu geführt, dass die baltischen Staaten und Polen die amerikanische Haltung unterstützten. Weiter sagte Lambsdorff: "Der Machtanspruch der USA in dieser Angelegenheit ist nicht neu. Sie wollen ihr Flüssiggas LNG verkaufen und haben ein wirtschaftliches Interesse." 

Russland sieht mit den geplanten US-amerikanischen Sanktionen gegen Firmen im Zusammenhang mit der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 Nachteile auf Europa zukommen. Die USA wollten sich mit diesem Schritt Vorteile im Gasgeschäft verschaffen, sagte Vize-Außenminister Alexander Gruschko am Donnerstag in Moskau der Agentur Interfax zufolge. Mit möglichen US-Strafmaßnahmen würden die Interessen Europas und der Verbraucher verletzt.

"Angriff auf die Souveränität der EU"

Bereits vor der Billigung des Gesetzespaketes in Washington hatte sich der Ost-Ausschuss-Osteuropaverein der Deutschen Wirtschaft (OAOEV) zu Wort gemeldet. Der Ausschuss-Vorsitzende Oliver Hermes schrieb in einer Pressemitteilung vom Dienstag (10.12.2019): "Sollte es zu diesen Sanktionen kommen, wäre dies ein direkter Angriff auf die Souveränität der Europäischen Union und ein fatales Signal für die Friedensbemühungen von Paris“

Die US-Maßnahmen würden den angelaufenen Entspannungsprozess zwischen der Ukraine und Russland gefährden: "In Paris ist es dank der Vermittlung der deutschen Bundeskanzlerin und des französischen Präsidenten endlich gelungen, nach jahrelangem Stillstand erste Schritte für die Befriedung der Ostukraine in die Wege zu leiten. Diese Annäherung wird mit neuen US-Sanktionen ebenso aufs Spiel gesetzt", befürchtet Hermes.

Besonders die vermuteten Motive für das Vorgehen der Amerikaner erzürnen den OAOEV-Vorsitzenden: "Die Amerikaner wollen Flüssiggas nach Europa verkaufen, entsprechende Terminals sind auch in Deutschland geplant. Wenn sich der Eindruck verfestigt, dass mit Wirtschaftssanktionen die Konkurrenz vom Markt verdrängt werden soll, könnte sich die Begeisterung für derartige Projekte mit den USA ziemlich abkühlen."

Deutsche Wirtschaft fordert Gegensanktionen

Bei der deutschen Wirtschaft in Russland stieß der Beschluss des Repräsentantenhauses auf scharfen Widerspruch. Der Chef der deutsch-russischen Auslandshandelskammer (AHK), Matthias Schepp, verurteilte die geplanten Sanktionen der USA als Schlag gegen die Energiesicherheit in Europa und verlangte Gegenmaßnahmen. "Wir sollten auf Sanktionen, die Europa schädigen, mit Gegensanktionen antworten", sagte Schepp der Deutschen Presse-Agentur in Moskau. "Es ist an der Zeit, dass Berlin und Brüssel eine klare politische Position beziehen und mit gezielten Gegenmaßnahmen antworten."

Matthias Schepp Russland Porträt
Matthias Schepp gibt KontraBild: picture-alliance/dpa/G. Sisoev

Die energiepolitische Unabhängigkeit Europas stehe hier auf dem Spiel. Nord Stream 2 erhöhe die Energiesicherheit in Europa und sorge für günstige Energiepreise auch im Vergleich zum teureren amerikanischen Flüssiggas (LNG). Die USA wollten mit den Sanktionen vor allem den Verkauf ihres eigenen LNG nach Europa fördern, kritisierte Schepp. "Deutschland braucht günstige Energiepreise, um mit seinen energieintensiven Industrien im weltweiten Wettbewerb bestehen zu können", sagte Schepp.

Eine zu hohe Abhängigkeit von russischem Gas in Deutschland wies er als "Scheinargument" zurück. Die EU hänge bei "nüchterner Betrachtung der Fakten unzweifelhaft weniger vom russischen Gas ab als Russland von den Deviseneinnahmen für in die EU geleitetes russisches Gas". Die Sanktionen würden aber weniger Russland treffen, sondern in erster Linie europäische Unternehmen und deutsche Energieinteressen.

Nord Stream 2 kostet rund zehn Milliarden Euro. Die Leitung wird je zur Hälfte vom russischen Energieriesen Gazprom und den fünf europäischen Unternehmen OMV, Wintershall Dea, Engie, Uniper und Shell finanziert. Mehr als 90 Prozent der Strecke sind bereits fertiggestellt.

kle/dk/haz (OAOEV,dpa)