Streit um amerikanisches Fracking-Gas
12. Februar 2019Wer in diesen Tagen über Erdgas redet, der redet über die ganz große Geopolitik. Das war auch zu spüren, als Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) am Dienstag mit dem stellvertretenden US-Energieminister, Dan Brouillette, zusammentraf. Umringt von Vertretern der Gasbranche kündigte Altmaier an, den Import von verflüssigtem Erdgas aus den USA deutlich steigern zu wollen. Deutschlands Energieversorgung müsse vielfältiger werden, forderte der Minister: "Was die Energieversorgung angeht, darf Europa nicht erpressbar sein, egal ob von Feinden oder Freunden."
Der US-Vertreter pries sein Land als Stabilitätsanker für die Energieversorgungssicherheit in Europa an. "Wir sind bereit, Deutschland zu beliefern - mit Erdgas zu fairen Preisen, transparent und verlässlich produziert", betonte Brouillette. Schon heute beliefere die USA zehn europäische Länder - und Deutschland werde bald folgen. "Die Frage ist nicht ob, sondern wann." Das verflüssigte Erdgas, auch "liquefied natural gas" oder kurz LNG genannt, könne für die Deutschen ein Instrument sein, um die Abhängigkeit von russischen Energie-Importen zu verringern, bemerkte der US-Vertreter, ohne auf den jüngsten transatlantischen Streit rund um die Ostseepipeline North Stream 2 einzugehen.
Deutschland will Ressourcenvielfalt, die USA will verdienen
Vergangene Woche hatte der US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, in einem Gastbeitrag für die DW heftig gegen die Ostsee-Pipeline gewettert. Zwei weitere US-Botschafter in Europa hatten sich seiner Argumentation angeschlossen, dass Deutschland sich nicht von russischem Gas abhängig machen dürfe. US-Regierung und US-Kongress haben mehrfach mit Sanktionen gegen deutsche Firmen gedroht, die am Nord-Stream-2-Projekt beteiligt sind. Ob diese Sanktionen kommen, dazu wollte sich der stellvertretende US-Energieminister nicht äußern: "Die US-Bedenken gegen das Projekt basieren nicht auf wirtschaftlichen Interessen, sondern auf geopolitischen Überlegungen."
Altmaier zeigte sich von diesen geopolitischen Überlegungen gänzlich unbeeindruckt und betonte: "Da sind wir sehr entspannt, weil wir glauben, dass wir diese Fragen sehr gut selbst behandeln und auch entscheiden können." Trotzdem sei es richtig, so Altmaier, bei steigendem Erdgasbedarf auch neue Bezugsquellen ausfindig zu machen.
Bislang gilt das US-Flüssigerdgas wegen hoher Transport- und Verarbeitungskosten als nicht wettbewerbsfähig gegenüber Gas, das durch Pipelines von Russland, Norwegen oder den Niederlanden nach Deutschland fließt. Zudem attestieren Umweltschützer dem mittels Fracking produzierten US-Erdgas eine extrem schlechte Umwelt- und Klimabilanz. US-Präsident Donald Trump schreckt das nicht. Er will das Geschäft mit verflüssigtem Gas ausbauen und sieht in Europa einen Wachstumsmarkt. Kaum verwunderlich, dass auch er sich gleich mehrfach öffentlich gegen die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 ins Zeug legte. North Stream 2 soll nach seiner Fertigstellung im Jahr 2020 Kontinentaleuropa direkt mit weiterem Gas aus Russland versorgen.
US-Regierung dringt auf Bau neuer LNG-Terminals in Deutschland
Kirsten Westphal von der Berliner Denkfabrik Stiftung Wissenschaft und Politik wundert der Wirbel um die Gaslieferungen nicht. Am Energiemarkt spiele Erdgas inzwischen eine wichtigere Rolle als Erdöl, sagt Westphal im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Und auch in Deutschland ändere sich der Energiemix rasant und zumindest mittelfristig sei der Gewinner Erdgas. Denn Erdgas sei der klimafreundlichste, fossile Energieträger, der zudem flexibel einsetzbar ist. Erdgas wird deshalb gebraucht, um den Ausstieg Deutschlands aus der Stromproduktion mit Kernenergie und Kohle abzufedern.
Bislang fehlen aber die entsprechenden LNG-Terminals, um das mit Tankern über den Ozean transportierte Flüssiggas anlanden zu können. "Mindestens" zwei Terminals hält der deutsche Wirtschaftsminister für notwendig. Der Bau soll von privaten Investoren getragen, aber mit staatlichen Fördergeldern unterstützt werden. Eine Entscheidung, wo und wann gebaut wird, erwartet der Minister schon "in den nächsten Wochen". Der US-Vertreter spornte seinen deutschen Kollegen an, den Worten Taten folgen zu lassen.
Fracking-Gas aus den USA: klimapolitischer Irrsinn
Scharfe Kritik ernteten Altmaiers Pläne von der Opposition. Der Tenor: Deutschland braucht kein Fracking-Gas aus den USA. Klaus Ernst, wirtschaftspolitischer Sprecher der Linkspartei, zeigte sich fassungslos, dass der deutsche Wirtschaftsminister sich nicht gegen die "ungehörige US-amerikanische Einmischung" in Deutschlands Energiepolitik verwahrt habe. Aber auch ökologisch und ökonomisch sei eine Kooperation mit den USA in Energiefragen Irrsinn. "Dieses Gas ist im Vergleich zu konventionell gefördertem, per Pipeline transportiertem Gas klimaschädlicher und teurer", so Ernst.
Die energiepolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Julia Verlinden, forderte Altmaier auf, sich auf "die eigentlichen Herausforderungen der Energiewende" zu konzentrieren. Steuergelder in LNG-Terminals zu versenken, wo doch bereits bestehende Flüssiggas-Terminals in Europa bei Weitem nicht ausgelastet seien, das gehöre allerdings nicht zu diesen Hauptaufgaben, so Verlinden. "LNG verlängert nur das fossile Zeitalter und torpediert so den Kampf gegen die Klimakrise".