US-Demokraten dringen auf Entmachtung Trumps
9. Januar 2021Wegen der Ausschreitungen am Kapitol, bei denen fünf Menschen zu Tode kamen, gerät der abgewählte US-Präsident Donald Trump zunehmend unter Druck. Die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, erklärte nach einer Online-Konferenz mit ihren demokratischen Fraktionskollegen: "Es ist die Hoffnung der Abgeordneten, dass der Präsident sofort zurücktritt." Für den Fall, dass das nicht geschehe, habe sie den Geschäftsordnungsausschuss angewiesen, Vorbereitungen für ein Amtsenthebungsverfahrenzu treffen. Trump wäre der erste US-Präsident, gegen den zwei Amtsenthebungsverfahren eröffnet würden.
In einem Resolutionsentwurf für ein solches Verfahren ist ein einziger Anklagepunkt vorgesehen: "Anstiftung zum Aufruhr". Darin wird Trump beschuldigt, bei einer Kundgebung am Mittwoch in Washington seine Unterstützer angestachelt zu haben, so dass viele von ihnen danach das Kapitol stürmten. Der Republikaner habe damit seine Bemühungen fortgesetzt, die Zertifizierung der Ergebnisse der Präsidentenwahl zu behindern. "Präsident Trump hat die Sicherheit der Vereinigten Staaten und ihrer Regierungsinstitutionen ernsthaft in Gefahr gebracht." Er habe die Integrität des demokratischen Systems bedroht und die friedliche Machtübergabe beeinträchtigt. Mit seinem Verhalten habe Trump gezeigt, "dass er eine Gefahr für die nationale Sicherheit, die Demokratie und die Verfassung bleiben wird, wenn er im Amt bleiben darf". Trump müsse daher aus dem Amt entfernt werden. Er müsse außerdem für künftige Regierungsämter gesperrt werden.
Nächster Schritt am Montag
Die demokratische Kongressabgeordnete Diana DeGette teilte mit, es sei geplant, die Resolution an diesem Montag einzubringen. In dem von den Demokraten beherrschten Repräsentantenhaus gilt eine Zustimmung zur Eröffnung eines Amtsenthebungsverfahrens als sicher. Entschieden würde es allerdings im US-Senat. Dort haben derzeit noch die Republikaner die Mehrheit. Dass das Verfahren im Senat vor der Vereidigung des künftigen Präsidenten Joe Biden und seiner Vizepräsidentin Kamala Harris am 20. Januar abgeschlossen werden kann, gilt als quasi ausgeschlossen.
Der Senat kommt zu seiner nächsten regulären Sitzung erst am 19. Januar zusammen. Aus einem von der „Washington Post" verbreiteten Memorandum des republikanischen Mehrheitsführers im Senat, Mitch McConnell, geht hervor, dass das Verfahren nach den geltenden Regeln frühestens am 20. Januar um 13.00 Uhr Ortszeit beginnen könnte - eine Stunde nach Bidens Vereidigung und Trumps Ausscheiden aus dem Amt.
"Ein gestörter, verwirrter, gefährlicher Präsident"
Pelosi verschärfte inzwischen noch ihre Kritik an Trump. "Leider ist die Person, die die Exekutive führt, ein gestörter, verwirrter, gefährlicher Präsident der Vereinigten Staaten", sagte die Demokratin in einem vorab veröffentlichten Auszug eines Interviews des Senders CBS, das am Sonntag ausgestrahlt werden soll. "Und es sind nur noch ein paar Tage, bis wir vor ihm geschützt werden können. Aber er hat etwas so Schwerwiegendes getan, dass er strafrechtlich verfolgt werden sollte."
Biden wiederum erklärte, er sei seit langem davon überzeugt gewesen, dass Trump amtsunfähig sei. Es sei aber Sache des Kongresses über ein Amtsenthebungsverfahren gegen ihn zu entscheiden. Er selbst wolle sich auf die Bekämpfung des Coronavirus konzentrieren. Biden fügte hinzu, er halte es zwar für wichtig, dass Trump sein Amt abgebe. Aber "der schnellste Weg, dass das passiert, ist, dass wir am 20. Januar vereidigt werden." Der Demokrat bezeichnete den scheidenden Amtsinhaber als "eine Schande für das Land" und einen der "inkompetentesten Präsidenten in der Geschichte der USA".
Gegen Kandidatur Trumps 2024
Die Demokraten im Kongress verfolgen mit dem Verfahren nach Ansicht von Beobachtern ein anderes Ziel: Sollte Trump im Senat schuldig gesprochen werden, könnte er zusätzlich mit einem Verbot belegt werden, künftig öffentliche Ämter des Bundes zu bekleiden. Damit wäre ihm eine etwaige Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl 2024 verwehrt. Für eine Verurteilung müssten aber mindestens 67 der 100 Senatoren stimmen. Für eine solche Zweidrittelmehrheit müssten 17 Republikaner die künftig 50 Demokraten im Senat unterstützen, was derzeit nicht absehbar ist. Sollte das dennoch geschehen, würde eine einfache Mehrheit ausreichen, um Trump künftig von Bundesämtern auszusperren.
Seit dem Sturm auf das Kapitol am Mittwoch rücken allerdings etliche enge Vertraute von Trump ab. Kritiker machen ihn für die beispiellosen Ausschreitungen rund um das Parlament verantwortlich. Sie werfen ihm vor, mit seinen ständig wiederholten - aber unbelegten - Behauptungen vom Wahlbetrug und insbesondere seinem Aufruf zu den Protesten gegen Bidens Sieg sowie dem Marsch auf das Kapitol seine Anhänger aufgehetzt zu haben. Mit Ben Sasse erklärte bereits mindestens ein republikanischer Senator, er erwäge eine Unterstützung eines Amtsenthebungsverfahrens, weil Trump gegen seinen Amtseid verstoßen habe.
Murkowski verlangt Rücktritt
Als erste republikanische Senatorin forderte Lisa Murkowski Trumps Rückzug. "Ich will, dass er zurücktritt", sagte Lisa Murkowski - eine innerparteiliche Kritikerin Trumps - der Zeitung "Anchorage Daily News" aus ihrem Heimat-Bundesstaat Alaska. "Er hat genug Schaden angerichtet." Murkowski stellte auch ihre eigene Zukunft als Republikanerin infrage. Dies wolle sie davon abhängig machen, ob die Partei sich auch nach dem Sturm radikaler Trump-Anhänger auf das US-Kapitol noch hinter den Präsidenten stelle. "Wenn die Republikanische Partei nichts mehr ist als die Partei von Trump, dann stelle ich mir ernsthaft die Frage, ob dies die Partei für mich ist", sagte die 63-Jährige.
Als erster republikanischer Abgeordneter im Repräsentantenhaus - der anderen Parlamentskammer - hatte Adam Kinzinger am Donnerstag die Absetzung von Trump mit Hilfe des 25. Verfassungszusatzes gefordert. Der Zusatzartikel ermöglicht es dem Vize-Präsidenten und einer Kabinettsmehrheit, den Staatschef für amtsunfähig zu erklären. Mehrere republikanische Senatoren hatten sich nach der Erstürmung des Kapitols zwar von Trump distanziert, seinen Rücktritt forderte vor Murkowski jedoch keiner von ihnen öffentlich.
Derweil warnte Präsidialamtssprecher Judd Deere vor einer Amtsenthebung Trumps. Ein solcher Schritt so kurz vor dem Ende der Amtszeit würde das Land nur noch mehr spalten. Von Trump selbst lag zunächst keine Reaktion vor.
kle/as (dpa, rtr, afp)