"Unübersichtliche Lage" am Flughafen Kabul
20. August 2021Die Verzweiflung rund um den Flughafen von Afghanistans Hauptstadt wird von Stunde zu Stunde größer. Am Eingang zum zivilen Teil des Airports halten sich weiterhin Hunderte von Menschen auf. Sie versuchen, auf das Gelände und dann mit Hilfe von westlichen Flugzeugen außer Landes zu kommen. Bewaffnete Kämpfer der militant-islamistischen Taliban feuerten in die Luft und schlugen mit Peitschen, um die Leute zu vertreiben.
In einem aktuellen Schreiben der deutschen Botschaft an Menschen, die auf einen Flug hoffen, heißt es: "Die Lage am Flughafen Kabul ist äußerst unübersichtlich. Es kommt an den Gates immer wieder zu gefährlichen Situationen und bewaffneten Auseinandersetzungen. Der Zugang zum Flughafen ist derzeit möglich. Zwischendurch kann es aber immer wieder kurzfristig zu Sperrungen der Tore kommen, auch weil so viele Menschen mit ihren Familien versuchen, auf das Gelände zu kommen. Wir können Sie leider nicht vorab informieren, wann die Tore geöffnet sein werden."
Deutscher Zivilist angeschossen
Auf dem Weg zum Flughafen erlitt ein Deutscher eine Schussverletzung, wie die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer in Berlin mitteilte. "Er wird medizinisch versorgt, es besteht aber keine Lebensgefahr", sagte Demmer. "Und er wird bald ausgeflogen werden." Es handele sich um einen Zivilisten.
Die Bundeswehr hat bisher nach Angaben des Verteidigungsministeriums 1649 Menschen aus 38 Nationen in Sicherheit gebracht (Stand: Freitagmittag). Man habe dabei auch mehr als 100 EU-Bürger und 160 Personen aus Drittstaaten transportiert, berichtete das Auswärtige Amt. Umgekehrt seien bei Flügen der USA und der Niederlande 135 Personen evakuiert worden, deren Rettung Deutschland wichtig sei.
Künftig will die Bundeswehr auch zwei leichte Hubschrauber in Afghanistan einsetzen, etwa um Deutsche direkt aus Gefahrenlagen zu retten. Die beiden Helikopter sollten spätestens am Samstagmorgen in Kabul eintreffen, heißt es.
UNHCR und G7 appellieren
Die Außenminister der G7-Staaten verlangten von den Taliban Garantien für ausreisewillige Afghanen und Ausländer. Die Miliz müsse allen Menschen, die das Land verlassen wollten, sicheres Geleit gewähren, erklärte der britische Außenminister Dominic Raab, dessen Land derzeit den G7-Vorsitz innehat.
Afghanen können nach Informationen des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) derzeit nur unter großen Schwierigkeiten ins Ausland fliehen. "Die große Mehrheit der Afghanen ist nicht in der Lage, das Land über reguläre Wege zu verlassen", erklärte UNHCR-Sprecherin Shabia Mantoo. Sie appellierte an die Nachbarländer Afghanistans, die Grenzen offen zu halten.
Nach ihrem Eroberungsfeldzug hatten die Taliban am Sonntag faktisch die Macht am Hindukusch übernommen. Viele Afghanen befürchten eine Rückkehr der Schreckensherrschaft, die es in ihrem Land bereits zwischen 1996 und 2001 gab.
wa/fab (dpa, afp, rtr)