Unterwegs mit Sabahis Wahlhelfern
16. Mai 2014Für die Wahlhelfer von Hamdien Sabahi beginnt der Tag sehr früh. Zusammen mit ihrem Kandidaten besuchen sie fast täglich einen anderen Wahlkreis in Ägypten. Heute geht es nach Beheera, wo der linke Präsidentschaftskandidat Sabahi geboren und aufgewachsen ist, etwa 200 Kilometer nördlich von Kairo. Etwa 18 Personen quetschen sich in den kleinen weißen Wahlkampfbus, auf dessen Seitentüren Sabahis Gesicht zu sehen ist. Der Weg ist lang und die meisten von ihnen kämpfen noch gegen die Müdigkeit. Sie fangen an zu singen, um die Zeit zu überbrücken. "Hamdien, du bist unser Präsident", rufen sie laut.
Solche Touren seien wichtig, sagt Ahmed Sameh, einer der Unterstützer von Sabbahi. "Hamdien sucht dadurch den direkten Kontakt zu den Bürgern." Sein Kontrahent, der Ex-Armeechef Abdel Fattah Al-Sisi, habe Kairo hingegen seit Beginn des Wahlkampfes kaum verlassen. "Die Menschen brauchen einen Kandidaten, den sie mit eigenen Augen sehen können - nicht einen, der sich in seinem Palast verschanzt", argumentiert der 25-jährige Student. "Sie brauchen jemanden, dem sie erzählen können, was ihnen fehlt, der sie nach ihren Hoffnungen fragt."
Mehr soziale Gerechtigkeit
Nach einer dreistündigen Fahrt kommen die Wahlhelfer in einer staatlichen Textilfabrik an. Sabahi-Anhänger und Journalisten warten bereits auf den Präsidentschaftskandidaten, der nur mit wenigen Leibwächtern durch die Menge geht. Die Arbeiterinnen lassen ihre Nähmaschinen stehen und rennen zu Sabahi, den sie nur aus dem Fernsehen kennen. Doch nur wenige kommen direkt an ihn heran - zu groß ist die Menschenmenge um ihn herum, die zum Großteil aus Journalisten besteht. Immer wieder spricht der linke Präsidentschaftskandidat in der Fabrik über soziale Gerechtigkeit und eine Umverteilung der Ressourcen zugunsten der Armen.
Die Provinz Beheera war bis Ende der 1970er Jahre für ihre Textilfabriken bekannt. Fast alle waren damals in staatlicher Hand. Diese Industrie war bis zur Privatisierungswelle Anfang der 1980er Jahre ein wichtiger Zweig der ägyptischen Wirtschaft, danach hat sie an Bedeutung verloren. Korruption und Vetternwirtschaft während der Herrschaft von Husni Mubarak haben den staatlichen Betrieben stark geschadet. Nach Angaben von Gewerkschaften sollen vor dreißig Jahren in der Textilfabrik, die Sabahi besucht, viermal so viele Menschen beschäftigt gewesen sein wie heute. Der Präsidentschaftskandidat verspricht, dass es wieder besser wird: Mehr Jobs sollen entstehen, er will einen Mindestlohn einführen und Managergehälter kürzen. Doch diese Worte können nur die Reporter hören, die direkt in seiner Nähe stehen - zu laut sind die Maschinen in der Fabrikshalle. Trotzdem klatschen die Arbeiterinnen in jeder Atempause Sabahis, wenn auch nur auf Anweisung des Aufsehers.
"Kein schlechter Mensch"
Auf der Straße veranstalten die Wahlhelfer eine Kundgebung für ihren Kandidaten Sabahi. Die meisten von ihnen sind jung und glauben an die Prinzipien der Revolution von 2011. Für sie ist Sabahi die deutlich bessere Alternative zum Ex-Armeechef Al-Sisi, der sich als Garant für Ordnung und Sicherheit darstellt.
Aus den Autos der Wahlhelfer sind laute Lieder zu hören, die jungen Leute schütteln Hände, verteilen Flyer und Wahlprogramme. "Sabahi ist kein schlechter Mensch", sagt ein älterer Herr, der in einer Werkstatt arbeitet. "Es wäre okay, wenn er Präsident wird. Aber was wir wollen, sind Sicherheit und Stabilität, nichts weiter." Die Wahlhelfer von Sabahi wissen, dass sie in den engen Gassen von Damanhour, der Hauptstadt von Beheera, nicht alle Bewohner von ihrem Kandidaten überzeugen können. Sie ziehen einfach weiter.
Am Abend versammeln sie sich in der Wohnung eines Freundes von Sabahi - eine kleine Pause, bevor es zur nächsten Veranstaltung geht. Ihr Kandidat habe sich zurückgezogen, erzählen sie und ermahnen die Journalisten, ihn nicht zu stören. Die Pause nutzen sie, um den Tag Revue passieren zu lassen. "Ich denke, wir konnten viele Menschen erreichen", sagt Ahmed Sameh in die Runde. "Diesen Kampf können wir noch gewinnen", antwortet ein anderer Sabahi-Anhänger.
Siegessicher - trotz Umfragen
Auch Sabahi selbst zeigt sich optimistisch. Nach einer Pause von etwa einer halben Stunde muss er sich sofort mit den Anwesenden fotografieren lassen. Trotz seines straffen Wahlkampfprogramms verspüre er keine Müdigkeit, sagt er lächelnd. "Unser Programm wird erst nach unserem Erfolg richtig anstrengend." Er vertraue "Gott und dem Volk, dass wir diesen Kampf gewinnen werden." Die meisten Jugendlichen seien auf seiner Seite. "Diese machen zwei Drittel der Bevölkerung aus. Und jene, die soziale Gerechtigkeit fordern, wie Arbeiter, Bauern und die Mittelschicht, wissen, dass wir uns für ihre zentralen Belange einsetzen." Zudem habe er bei den letzten Präsidentschaftswahlen fünf Millionen Stimmen bekommen - 2012 wurde er Dritter, hinter Mohammed Mursi, dem Kandidaten der Muslimbrüder, und Ahmad Schafik, einem Ex-Minister des Mubarak-Regimes.
"Wir führen diesen Wahlkampf, um zu gewinnen": Das ist Sabahis Antwort auf den Vorwurf vieler Medienvertreter im Land, seine Kandidatur spiele Al-Sisi in die Hände. Diese Kritiker halten den Wahlkampf für ein Schauspiel, um die Wahlen fair und demokratisch erscheinen zu lassen.
Revolutionslieder und Trommeln
Doch genau das Gegenteil wollen Sabahi und seine Unterstützer hier zeigen: an der letzten Station des Tages, im Stadttheater von Damanhour. 1200 Menschen finden hier in der Regel Platz. Heute sind geschätzt doppelt so viele erschienen, um Sabahi reden zu hören. "Das ist unser Präsident", schreit das Publikum, als Sabahi die Bühne betritt. Immer wieder wird er von Revolutionsliedern, Trommeln und Rufen unterbrochen.
Sichtlich müde kauert Wahlkampfhelfer Ahmed Sameh in einer Ecke und hört Sabahi aufmerksam zu. "Er spricht mir aus der Seele", sagt er. "Er drückt meinen Schmerz in Worten aus, und den jedes ägyptischen Bürgers. Ich spüre in diesem Moment, dass das Volk mit seiner Revolution an die Macht kommen muss."
Fast alle Oppositionsparteien stehen hinter Sabahi. Doch in den Umfragen liegt er mit rund 20 Prozent der Stimmen weit hinter Al-Sisi. Das entmutigt Ahmed Sameh und die anderen jungen Unterstützer von Sabbahi nicht: Sie wollen bis zum Schluss kämpfen.