Im Zentrum der Sisi-Verehrung
12. Mai 2014Im Gassenlabyrinth Gamalijas ist Abdel Fattah al-Sisi allgegenwärtig. Und das, obwohl der ägyptische Ex-Armeechef und aussichtsreichste Präsidentschaftskandidat schon lange aus dem historischen Viertel im Herzen Kairos ausgezogen ist. Von jeder zweiten Hausfassade grüßt er mal in Anzug und Krawatte, mal in Uniform. Sisi-Poster schmücken die Eingänge der jahrhundertealten Moscheen ebenso wie die Gitterfenster der Touristenshops und die Krämerläden in den Seitengassen. "Ich liebe Sisi, weil er ein echter Sohn meines Viertels ist", sagt der Besitzer eines kleinen Kiosks, aus dessen Lautsprecherboxen das Lied "Teslam el Ajadi" scheppert, eine Liebeshymne auf Ägyptens Armee und Sisis inoffizieller Wahlkampfsong. "Außerdem hat er unser Land vor den Terroristen und Extremisten gerettet. Mit Gottes Hilfe wird er uns auch weiterhin beschützen."
Fromm und fleißig
Ein paar Straßenzüge weiter sitzt Atef El Zaabalawi in einem als Wahlkampfbüro genutzten Café und erzählt Anekdoten aus Sisis Kindheit. El Zaabalawi ist im selben Jahr geboren wie der beliebte Präsidentschaftskandidat. Nun betätigt er sich als einer der Organisatoren von "Kamel Gamilak", einer Gruppe Freiwilliger, die politische Basisarbeit für Sisi betreiben. Die Sisi-Familie sei für ihre Disziplin, ihren Arbeitseifer und den daraus resultierenden Reichtum bekannt gewesen: "Wenn wir als Kinder Fußball auf der Straße spielten, schaute der kleine Sisi uns von seiner Wohnung aus zu, spielte aber nicht mit", erinnert sich El Zaabalawi. "Das war so ihre Art als Familie. Sie haben sich völlig auf die Schule und die Arbeit konzentriert." Sollte Sisi Ende Mai zum Präsidenten gewählt werden, werde er mit dem gleichen Fleiß die Probleme des Landes angehen: Davon ist der 60-Jährige überzeugt.
Als weiteres zentrales Merkmal der Familie nennt El Zaabalawi deren Frömmigkeit: "Jeden Freitag ging Sisi in die Moschee und hörte den Predigten des Gelehrten Metwalli El Shaarawi zu, bevor er wieder nach Hause ging." In einem TV-Interview bestätigte Sisi kürzlich, dass ihn der konservative Prediger El Shaarawi in seiner Weltanschauung maßgeblich beeinflusst habe. Koranzitate und kurze Stoßgebete sind ein fester Bestandteil seiner Ansprachen: Damit gewinnt Sisi wohl auch viele konservative Wähler.
"Was hat Mursi erreicht? Nichts."
Der unscheinbare Wohnblock, in dem Sisi einen Großteil seiner Kindheit verbrachte, liegt nur einen Steinwurf von dem Café entfernt, in dem nun für ihn die Werbetrommel gerührt wird. Außer einem einsamen Sisi-Poster an einem der Balkone weist hier wenig auf den Präsidentschaftskandidaten hin. Auf dem staubigen Weg wühlen ein paar Katzen in Mülltüten. Ein älterer Mann reitet gemächlich auf seinem Esel vorbei. Die Sisi-Familie verließ die Wohnung schon vor Jahren, als der Sohn seine Laufbahn an der Militärakademie startete. Nur wenige Verwandte leben noch hier. Über den Präsidentschaftskandidaten wollen sie nicht sprechen. Sie seien den Medienrummel leid und fürchteten um ihre Sicherheit, geben sie zu verstehen.
Das hat der Beliebtheit des ehemaligen Armeechefs in dieser Gegend nicht geschadet. Sisi habe Ägypten zu neuem Stolz verholfen, indem er den islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi beseitigt habe, sagt ein Verkäufer, der im nahe gelegenen Touristenbasar Khan El Khalili Souvenirs verkauft, direkt neben dem ehemaligen Möbelgeschäft von Sisis Vater. Seit Monaten aber sieht er keine Kundschaft mehr. Mit einem Militär an der Spitze des Landes würden die Ausländer wieder zurückkehren - davon ist er überzeugt: "Es gibt keine Alternative zur Armeeherrschaft. Die Militärs haben den Durchblick. Was hat Präsident Mursi, ein Zivilist, erreicht? Nichts."
"Eine Verschwörung, keine Revolution"
Als Bollwerk gegen die Islamisten preist auch Wahlkämpfer Atef El Zaabalawi den ehemaligen Armeechef Sisi an. Seinem einzigen Herausforderer um das Präsidentenamt, dem linksrevolutionären Hamdin Sabbahi, fehle es hingegen an der nötigen Härte. Die vielschichtigen Probleme des Landes reduziert El Zaabalawi auf die fehlende Sicherheit. Werde diese wiederhergestellt, würden als Folge auch alle anderen Missstände verschwinden: Die Wirtschaftskrise, die fehlenden Touristen, die Arbeitslosigkeit. Von den Forderungen der Revolutionsgeneration nach echten Reformen, nach Transparenz und Korruptionsbekämpfung, hält er wenig. Der Aufstand gegen die Diktatur von Husni Mubarak, behauptet er, sei vom Ausland im Zusammenspiel mit den Islamisten gesteuert worden: "Warum ist es zur Revolution gekommen? Weil die Muslimbrüder dies wollten. Was am 25. Januar 2011 geschehen ist, war eine Verschwörung gegen Ägypten. Erst der Sturz Mursis im vergangenen Jahr war eine echte Revolution."
Dass nur wenige hundert Meter entfernt Woche für Woche Studenten der religiösen Al-Azhar-Moschee gegen eine mögliche Rückkehr zum alten Regime demonstrieren, stört El Zaabalawi wenig. Sisi werde den Protesten ein baldiges Ende bereiten, sagt er drohend.