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Politik

UNHCR ehrt Flüchtlingsprojekte

Maria Bravo
25. September 2018

Das UN-Flüchtlingswerk hat die Preisträger des diesjährigen Nansen-Flüchtlingspreises vorgestellt. Gewonnen hat ein Arzt aus dem Südsudan. Doch auch ein Deutscher und mit ihm eine ganze Stadt wurden geehrt.

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Evan Atar Adaha
Gewinner des Nansen-Flüchtlingspreises 2018: Der südsudanesische Arzt Evan Atar AdahaBild: Getty Images/AFP/H. McNeish

Am Dienstag hat das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR den diesjährigen Nansen-Flüchtlingspreis für außerordentliches Engagement in der Flüchtlingshilfe vergeben. Der Gewinner des internationalen Hauptpreises ist der südsudanesische Arzt Evan Atar Adaha.

Bunj: Operationen unter widrigsten Bedingungen

Gewalt Angriff Jonglei Südsudan Krankenhaus Opfer
Patienten in einem südsudanesischen KrankenhausBild: picture-alliance/AP Photo

Atar und sein Team im Maban-Krankenhaus in der südsudanesischen Stadt Bunj führen Woche für Woche bis zu 60 Operationen aus, ohne Röntgengerät, ohne herkömmliche Anästhesie und ohne ausreichende beleuchtung im OP-Saal. Das Krankenhaus helfe mehr als 144.000 Flüchtlingen aus der Region Blauer Nil im benachbarten Sudan. Mit seiner "tiefen Menschlichkeit und Selbstlosigkeit" hätten Atar und sein Team bereits tausenden Menschen das Leben gerettet, erklärte UNHCR-Chef Filippo Grandi. Dank seiner "unermüdlichen Anstrengungen" hätten unzählige Männer, Frauen und Kinder "eine neue Chance auf eine Zukunft bekommen". Der aus der südsudanesischen Stadt Torit stammende Atar studierte zunächst Medizin in der sudanesischen Hauptstadt Khartum, startete seine berufliche Karriere jedoch in Ägypten. Als 1997 der sudanesische Bürgerkrieg ausbrach, eröffnete er in der Region Blauer Nil sein erstes Krankenhaus, um zu helfen. Der immer weiter eskalierende Konflikt zwang Atar jedoch, das Krankenhaus im Jahr 2011 nach Bunj zu verlegen. Im selben Jahr wurde der Südsudan unabhängig.

Regionale Finalisten: Auch ein Deutscher dabei

Aus den 450 Nominierten für den Hauptpreis wurden zudem vier Finalisten aus vier verschiedenen Regionen ausgewählt, die das UNHCR besonders hervorheben möchte. Dieses Jahr erhielt Andreas Hollstein, Bürgermeister von Altena, gemeinsam mit den Flüchtlingshelfern der Stadt den Titel des Europa-Finalisten. Sie wurden für die "unermüdliche Arbeit bei der Aufnahme von mehr Flüchtlingen als in ihrer kleinen Stadt zugewiesen" geehrt. Neben Hollstein und den Freiwilligen aus Altena hat das UNHCR noch drei weitere regionale Finalisten aus anderen Teilen der Welt als "besonders herausragend" ausgezeichnet.

Altena: Flüchtlinge als Chance begriffen

Das Flüchtlingshilfswerk zeigte sich besonders beeindruckt von der Initiative der Kleinstadt: Sie nahm vor gut drei Jahren 100 Flüchtlinge mehr auf als per Verteilungsschlüssel vorgesehen. Filippo Grandi, der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen erklärte, Hollstein werde für "seinen Einsatz für Flüchtlinge, seine Stadt und die Humanität geehrt". Dabei überzeugte, dass der Bürgermeister die Flüchtlinge nicht als Problem, sondern als Mehrwert betrachtet: Da viele junge Menschen in der Vergangenheit aus der 17.000-Einwohner-Stadt wegzogen und Altena mit wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen hatte, erhoffte der 55-Jährige sich von der Aufnahme der jungen Migranten auch positive Effekte für die Wirtschaft.

UNHCR Nansen-Flüchtlingspreis Andreas Hollstein
Altenas Bürgermeister Hallstein engagiert sich besonders in der FlüchtlingshilfeBild: UNHCR/Gordon Welters

Die Integration der Flüchtlinge folgte einem engagierten Konzept, das schon im vergangenen Jahr von der Kanzlerin mit dem Nationalen Integrationspreis ausgezeichnet wurde. Statt die Neuankömmlinge wie in vielen anderen Städten zentral unterzubringen, wurden sie über die Stadt verteilt, um so mit den Nachbarn in Kontakt zu kommen. Eine Vielzahl an Freiwilligen, sogenannte "Kümmerer", halfen ihnen dabei, Behördengänge zu meistern, die deutsche Sprache zu lernen oder auch einen Job zu finden. Aber nicht alle in Altena unterstützen die Willkommenspolitik des Bürgermeisters: Ende 2017 bedrohte ein Mann Andreas Hollstein mit einem Messer, auch Hassmails- und telefonate erreichten ihn. Von seinem Kurs in der Flüchtlingspolitik hat er sich dadurch aber nicht beeindrucken lassen und ist dafür nun belohnt worden. "Ich fühle mich sehr geehrt. Ich nehme die hohe Auszeichnung gerne stellvertretend für alle Menschen in meiner Heimatstadt Altena und in ganz Europa entgegen, die sich für Humanität, Toleranz und Respekt gegenüber geflüchteten Menschen einsetzen und sich so gegen Nationalismus und Rassismus stellen" sagte er zur Ehrung.

Salt Lake City: Engel in der Not

Screenshot Internetseite Women of the World - Samira Harnish
"Women of the world" unterstützt geflüchtete Frauen in den USABild: womenofworld.org

Eine ganz ähnliche Geschichte hat auch Samira Harnish vorzuweisen. Die Irakerin hat es mit ihrem Projekt "Women of the World" geschafft, regionale Finalistin für Amerika zu werden. Ihre Organisation unterstützt geflüchtete Frauen in den USA bei Behördengängen, Arztbesuchen, der Jobsuche und im alltäglichen Leben. Die 61-Jährige kam selbst für eine arrangierte Ehe vor Jahrzehnten in die Vereinigten Staaten und weiß, wie schwierig es ist, sich an das Leben vor Ort anzupassen. Ihren Beruf als Ingenieurin in leitender Position gab Harnish daher nach ein paar Jahren des nebenberuflichen Engagements auf und widmete sich ganz ihren "Ladies", wie sie die Frauen nennt. Und für diese ist sie etwas ganz Besonderes: "Ich sage Samira immer, dass sie ein Engel ist, den Gott geschickt hat, um uns Flüchtlinge zu unterstützen", so Vestine MnKeshimana aus Rwanda.  Mehr als 1000 Frauen haben es mit der Hilfe von "Woman of the World" geschafft, Selbstständigkeit zu erlangen.

Amman: Selbstbewusstsein von Mädchen stärken

Organisation Reclaim Childhood
Für geflüchtete Mädchen aus dem arabischen Raum setzt sich die Organisation "Reclaim Childhood" einBild: Getty Images/AFP/K. Mazraawi

Die amerikanische Non-Profit-Organisation "Reclaim Childhood" wurde als regionale Finalistin für den arabischen Raum ausgewählt. Das Flüchtlingshilfswerk zeichnete sie für "die Stärkung des Selbstbewusstseins von 500 Flüchtlingsmädchen durch Sport und bessere Beziehungen in ihren örtlichen Gemeinschaften" aus. Gegründet von amerikanischen Studentinnen gibt die Organisation geflüchteten und benachteiligten Mädchen einen Ort, in dem sie Kind sein dürfen,  und versucht, sie durch Sport mit den Menschen vor Ort in Kontakt zu bringen. Mit Sommerlagern, Wettbewerben und Kursen nach der Schule wollen die Mitarbeiter auch das Selbstbewusstsein der Mädchen stärken. Reclaim Childhood kümmert sich vor allem um Flüchtlinge aus Syrien, Irak, Palästina, Sudan, Somalia und dem Jemen.

Thailand: Ein Gesicht für die Staatenlosen

UNHCR Nansen-Flüchtlingspreis Tuenjai Deetes
Tuenjai Deetes kämpft für die Rechte Staatenloser in ThailandBild: UNHCR/Rachapon Riansiri

Für mehr als 40 Jahre Engagement im Namen staatenloser Menschen in Thailand kürte das UNHCR Tuenjai Deetes zur regionalen Finalistin Asiens. Die Thailänderin widmet sich seit ihrem 20. Lebensjahr der Arbeit mit armen Bergvölkern in der Chiang Rai-Provinz im Norden des Landes. Seither bemüht sie sich um eine Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse und Rechte. "Ich träumte von einer inklusiven Gesellschaft, in der Vielfalt wertgeschätzt wird, und alle Menschen ihre Rechte ausüben und ihr Potential voll ausschöpfen können", erklärt sie ihre Beweggründe. In Zusammenarbeit mit der Bergbevölkerung  hat sie Projekte rund um Bildung, Frauenbeteiligung, Umweltschonung und Community-Organisation ins Leben gerufen. Im Jahr 2000 wurde die heute 66-Jährige Senatorin für die Chiang Rai-Provinz und später Mitglied der thailändischen Nationalversammlung. Während ihrer politischen Arbeit erarbeitete sie Gesetze, die es hunderttausenden staatenlosen Menschen in Thailand ermöglichten, die Staatsbürgerschaft zu beantragen. Seit 2008 haben auch dank ihrer Arbeit mehr als 90.000 Menschen die thailändische Nationalität erhalten. Seit 2015 ist die Thailänderin zudem nationale Menschenrechtsbeauftragte.