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Politik

Unhaltbare Zustände auf der "Lifeline"

Sabine Kinkartz mit dpa und afp
25. Juni 2018

Während die EU über die Asylpolitik streitet, harren im Mittelmeer auf dem deutschen Hilfsschiff mehr als 230 Flüchtlinge aus. Auch Spanien weist die "Lifeline" ab.

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Mittelmeer - Deutsches Rettungsschiff Lifeline - Hunderte Flüchtlinge sitzen auf dem Mittelmeer fest
Bild: picture-alliance/dpa/H. Poschmann

Seit vier Tagen liegt das von der deutschen Nichtregierungsorganisation (NGO) "Mission Lifeline" gecharterte Schiff in internationalen Gewässern nahe Malta. An Bord sind 234 Flüchtlinge, die das Schiff vor der libyschen Küste aus dem Meer gerettet hat. Darunter auch Familien mit kleinen Kindern und unbegleitete Minderjährige. Malta und Italien verweigern der "Lifeline" das Anlaufen eines Hafens. Das Schiff darf sich der Küste nicht weiter als auf 50 Kilometer nähern.

Auch auf eine Lösung durch Spanien, wie vor einigen Tagen beim Rettungsschiff "Aquarius" dürfen die Aktivisten nicht länger hoffen. Der spanische Minister für öffentliche Arbeiten, José Luis Ábalos, sagte, Spanien könne nicht die Seerettungsorganisation Europas werden. Mit der Aufnahme der Flüchtlinge von der "Aquarius" habe man lediglich auf das Problem aufmerksam machen wollen.

Mit Trinkwasser und Lebensmitteln wurde die "Lifeline" zuletzt am Sonntag von Malta aus versorgt. Die von NGOs betriebenen Hilfsschiffe "Sea-Eye" und "Sea-Watch" hätten zudem Medikamente und Decken gebracht, hieß es auf Facebook.

 Deutsche Abgeordnete an Bord

In der Nacht zum Montag gelang es zwei Bundestagsabgeordneten der Grünen und einem Abgeordneten der Linkspartei, mit einem gecharterten Boot an Bord der "Lifeline" zu gelangen. Zwischen 22 Uhr und 2 Uhr machten sie sich ein Bild von der Lage.

Zurück in Valetta schilderte der grüne Bundestagsabgeordnete Manuel Sarrazin der DW telefonisch seine Eindrücke. Die Situation sei "unhaltbar und zunehmend inhuman". Die Flüchtlinge würden dicht an dicht auf Deck liegen, nur notdürftig durch ein paar Planen geschützt. "Die Menschen sind traumatisiert und aufgrund ihrer unklaren Perspektive total gefrustet", so Sarrazin. Trotzdem seien die Flüchtlinge, unter denen sich drei Säuglinge und ungefähr 15 unbegleitete Minderjährige befänden, von denen die jüngsten zwölf Jahre alt seien, diszipliniert und ruhig.

Doch nicht nur die hygienische und die medizinische Situation spitzt sich zu. Auch der Sprit geht aus. Im Laufe des morgigen Tages soll zudem ein Unwetter aufziehen. Spätestens abends soll die Wetterlage so gefährlich werden, dass die "Lifeline" in Seenot geraten könnte, berichtet Sarrazin, der zusammen mit der flüchtlingspolitischen Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Luise Amtsberg unterwegs ist. Sollte das Schiff in Seenot geraten und "Mayday" funken müssen, müsste dem Hilfsschiff ein Hafen zugewiesen werden. 

Auswärtiges Amt fühlt sich nicht zuständig

Derzeit fühlt sich für die "Lifeline" niemand zuständig. Auch nicht für die 17-köpfige deutsche Besatzung, die mit der Bitte um Hilfe bereits an das Auswärtige Amt herangetreten ist. "Im Fall von Unterstützungsbedarf im Fall von Seenot-Rettungseinsätzen ist in erster Linie der Flaggenstaat gefragt und berechtigt", sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amts in Berlin mit Verweis auf die niederländische Flagge, unter der die "Lifeline" unterwegs ist. "Aber natürlich setzen wir uns bei Seenotleitstellen und wo wir können dafür ein, dass eine gute, solidarische, europäische Lösung gefunden wird." Man sei mit Italien, Malta und auch den Niederlanden in Kontakt. Aber, so die Sprecherin: "Von konkreten Fortschritten kann ich ihnen heute morgen hier nicht berichten."

Den deutschen Abgeordneten reicht das nicht aus. Es müsse dringend eine Lösung für die Menschen auf der "Lifeline" gefunden werden, fordert auch der linke Abgeordnete Michel Brandt, der zusammen mit Sarrazin und Amtsberg an Bord war. Alle drei Politiker fordern ein deutsches Zugehen auf Italien und Malta. "Die  Bundesregierung sollte zusagen, die Flüchtlinge zu übernehmen und ihre Asylverfahren in Deutschland durchzuführen", so Manuel Sarrazin gegenüber der DW. Es dürfe nicht soweit kommen, dass das Schiff erst durch eine möglicherweise sehr gefährliche Wetter-Situation morgen Abend in einen Hafen einlaufen könne.

Salvini bleibt bei seiner Blockadehaltung

Italiens neuer Innenminister Matteo Salvini bekräftigte unterdessen seinen harten Kurs gegenüber Flüchtlingen. Er forderte die im Mittelmeer aktiven Hilfsorganisationen nochmals auf, ihre Rettungsaktionen zu unterlassen. "Lassen Sie die libyschen Behörden ihre Arbeit machen und die Rettung, Bergung und Rückführung von Flüchtlingen durchführen", sagte der Innenminister und Chef der fremdenfeindlichen Lega-Partei. "Die italienischen Häfen sind für diejenigen, die Schleppern helfen, geschlossen und werden es auch bleiben", fügte er hinzu. Die Schiffe der "gierigen NGOs" sollten nicht länger stören oder für Unruhe sorgen, sagte Salvini mit Blick auf die Organisationen, die mit Hilfsschiffen immer wieder in Seenot geratene Flüchtlinge im Mittelmeer vor dem Ertrinken retten. 

Italiens Innenminister Matteo Salvini
Salvinis Flüchtlingspolitik wird laut Umfragen von der Mehrheit der Italiener unterstütztBild: Reuters/S. Rellandini

Hilfsorganisation darf nicht retten

Vor der libyschen Mittelmeerküste sind am Sonntag rund 1000 Flüchtlinge mit mehreren Booten in Schwierigkeiten geraten. Die spanische Hilfsorganisation Proactiva Open Arms war mit Schiffen in der Nähe und wollte helfen, durfte aber nicht. Ein Sprecher teilte mit, Italiens Innenminister Salvini habe die Organisation angewiesen, die Migranten nicht aus dem Wasser zu retten. Stattdessen sollte die libysche Küstenwache die Menschen aufnehmen und in das Bürgerkriegsland zurückbringen. In den vergangenen Jahren war es Routine, dass im zentralen Mittelmeer geborgene Migranten nach Italien gebracht wurden.

Offenbar hat die libysche Küstenwache einen Großteil der in Seenot geratenen Menschen inzwischen geborgen. Salvini dankte den libyschen Behörden am Sonntagabend, 820 Migranten "gerettet" und die privaten Hilfsorganisationen von "regelwidrigen" Taten abgehalten zu haben.