1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Orban brüskiert Deutschland

20. Mai 2013

Das Provozieren gehört zu seinem Grundvokabular: "Die Deutschen haben schon einmal Panzer geschickt", meinte Ungarns Regierungschef Orban. Er verglich Kanzlerin Merkel mit Hitler und löste einen Sturm der Empörung aus.

https://p.dw.com/p/18b7G
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban vor Spalier von Nationalfahnen (foto: reuters)
Bild: Reuters

Er ist angesichts seines höchst zweifelhaften Umgangs mit Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und nationalen Minderheiten sowieso nicht sonderlich beliebt in der Europäischen Union. Nun sorgte der nationalkonservative ungarische Ministerpräsident Viktor Orban mit schrägen Vergleichen zur Diktatur des Nationalsozialismus für eine breite Welle der Entrüstung von Brüssel bis Berlin. Auch die Opposition im eigenen Land reagierte entsetzt.   

Deutschland habe schon einmal - in der Zeit des Nationalsozialismus - "Panzer nach Ungarn geschickt" und möge es nicht erneut tun, ereiferte sich Orban in seinem wöchentlichen Rundfunk-Interview. Der Regierungschef bezog sich auf eine Äußerung von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die am Donnerstag beim WDR-Europaforum gesagt hatte: "Wir werden alles tun, um Ungarn auf den richtigen Weg zu bringen, aber nicht gleich die Kavallerie schicken".

Die Kanzlerin hatte Bezug genommen auf eine Bemerkung von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück, der einen möglichen EU-Ausschluss Ungarns angesprochen hatte, und spielte zugleich auf dessen bekanntes Kavallerie-Zitat an: Im Steuerstreit mit der Schweiz hatte Steinbrück 2009 im Scherz damit gedroht, die Kavallerie gegen das Alpenland in Stellung zu bringen, wenn dieses weiter deutsche Steuerhinterzieher schütze.

Geschichte zurechtgebogen

Orban hatte in seinem Freitags-Interview polemisiert: "Die Deutschen haben schon einmal eine Kavallerie nach Ungarn geschickt, in Form von Panzern. Unsere Bitte ist, sie nicht zu schicken. Es war keine gute Idee, sie hat sich nicht bewährt". Der ungarische Premier spielte auf die Besetzung Ungarns 1944 ("Operation Margarethe") an. Allerdings hatte es sich dabei weniger um eine "feindliche" Besetzung gehandelt, denn Ungarn war ein enger Verbündeter Hitler-Deutschlands.

Massenproteste in Budapest gegen Verfassungsänderungen in Ungarn (foto: reuters)
Massenproteste in Budapest gegen Verfassungsänderungen in UngarnBild: REUTERS

Bundesaußenminister Guido  Westerwelle kritisierte Orbans Vergleich scharf. "Das ist eine bedauerliche Entgleisung, die wir klar zurückweisen", erklärte der FDP-Politiker am Rande eines Besuchs in Belgrad. Auch Spitzenvertreter von CDU, SPD und Grünen in Berlin zeigten sich empört. "Ein unsäglicher Nazi-Vergleich", hieß es bei den Christdemokraten. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin verlangte, Merkel müsse klare Worte an den "Autokraten" aus Budapest richten. 

Protest aus dem EU-Parlament

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) erklärte: "Ich bin mir sicher, dass Orban  sehr wohl verstanden hat, dass die Kanzlerin eher eine ironische Ermahnung Richtung Ungarn geschickt hat - aber seine populistischen Neigungen halten ihn nicht einmal von einer Attacke gegen seine Parteifreundin Merkel ab". Orbans Partei FIDESZ gehört wie die CDU zur Europäischen Volkspartei EVP. Der Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Europa-Parlament, Daniel Cohn-Bendit, verlangte eine klare Reaktion der EVP. Er frage sich, wie lange sie dem Treiben Orbans noch tatenlos zusehen werde.  

Ungarn steht wegen seines Regierungskurses und der Methoden Orbans in der europäischen Kritik. Die neue Verfassung mitsamt jüngst beschlossener Änderungen sowie zahlreiche Gesetze schränken die Demokratie, das Verfassungsgericht, die Unabhängigkeit der Justiz und die Medienfreiheit ein. Gegen Ungarn laufen in der EU mehrere Vertragsverletzungsverfahren. Linke, liberale und grüne Parteien im Europaparlament verlangten zuletzt, dass Ungarns Stimmrechte in den EU-Gremien auf der Grundlage von Artikel 7 der EU-Verträge ausgesetzt werden sollten.

SC/qu (APE, rtr, dpa)