Das große Krisentreffen
24. September 2014Für Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier geht es während der UN-Woche darum, "die neue irakische Regierung zu unterstützen, die die Fehler der Vergangenheit gutmacht" und zu versuchen, alle Regionen und Religionen in eine gemeinsame Regierung einzubinden. Das Ziel sei, "der ISIS die Unterstützung zu nehmen", die sie bisher von enttäuschten Teilen der irakischen Bevölkerung bekommen habe.
Steinmeier will in New York aber auch aktiv dabei mitwirken, "das Engagement gegen islamistischen Terrorismus wie die ISIS zu organisieren", und die Rolle Deutschlands hervorzuheben - vor allem auch mit Blick auf die deutschen Waffenlieferungen an die kurdischen Kämpfer im Irak.
Heather Conley zufolge erkenne Washington an, dass die Waffenlieferungen an die Peshmerga "eine bedeutende außenpolitische Entscheidung für Berlin war." Die Deutschlandexpertin des Washingtoner Think Tanks Center for Strategic and International Studies sagt der Deutschen Welle, sie glaube nicht, "dass es im Moment" darüber hinaus spezifische Erwartungen an Deutschland gibt.
Deutsche Soldaten gegen IS?
Doch man hört auf amerikanischer Seite auch andere Einschätzungen: Die Deutsche Welle hat aus mehreren Quellen erfahren, dass man in der Obama-Regierung weitergehende Wünsche an Deutschland hat. Man erwartet offensichtlich mittelfristig auch eine Beteiligung der Deutschen an Luftschlägen gegen die Stellungen des "Islamischen Staates"(IS) und - im Falle von Bodeneinsätzen amerikanischer Spezialeinheiten - auch hier einen deutschen Beitrag. Gut möglich, dass Steinmeier in New York mit diesen Erwartungen konfrontiert wird. Der rasante Vormarsch der IS-Milizen im Norden Syriens und der Strom kurdischer Flüchtlinge hinüber in die benachbarte Türkei dürfte es der Bundesregierung nicht leicht machen, bei der bisherigen Ablehnung von deutschen Luftschlägen zu bleiben.
Bei der UN-Vollversammlung werde die amerikanische Regierung sich darauf konzentrieren, die bei der Pariser Vorkonfererenz geschmiedete Anti-IS-Koalition weiter zu stärken, sagt Heather Conley. Jetzt richten sich die Blicke auf US-Präsident Barack Obama. Als amtierender Ratsvorsitzender wird er am Mittwoch persönlich eine Sitzung des UN-Sicherheitsrates leiten.
Resolution gegen Extremisten
Verabschiedet werden soll eine Resolution, die alle Staaten verpflichtet, mit nationalen Gesetzen gegen die sogenannten "Foreign Fighters" vorzugehen. Zur Zeit sollen nach Angaben der New York Times mehr als 15.000 ausländische Kämpfer im Irak und Syrien an der Seite von IS und anderen islamistischen Extremisten kämpfen. Mehr als 2000 sollen aus Europa kommen, darunter mehrere Hundert aus Deutschland. Die von den USA eingebrachte Resolution würde laut der Zeitung "bei der Rekrutierung von Terrororganisationen das erste Mal internationale Standards für Nationalstaaten setzen." Die Resolution wäre rechtlich bindend, wobei Experten nur schwache Möglichkeiten zur Durchsetzung auf nationaler Ebene sehen.
Hier kommen die Deutschen ins Spiel. Das Land sei ein "wichtiger Verbündeter", wenn es darum gehe, US-Politik im Nahen Osten politisch zu legitimieren, meint Jeremy Shapiro vom Washingtoner Think Tank Brookings Institution. Als ein Land, das in Libyen und den bisherigen Irakkriegen "Nein" zu einer militärischen Intervention gesagt habe, genieße Deutschland international Glaubwürdigkeit: "Die USA werden von Deutschland eine maximale politische und rhetorische Unterstützung einfordern", sagt Shapiro voraus.
Weitere Krisenherde
Neben dem Kampf gegen den Islamischen Staat und der Ukraine-Krise hat sich in den letzten Wochen die Ebola-Infektion ganz nach vorne auf die Krisen-Agenda der UN-Vollversammlung katapultiert: "Es geht darum, dass jetzt internationale Aktivitäten stattfinden, die den am stärksten bedrohten Ländern, und das ist im Augenblick Liberia, Sierra Leone und Guinea, helfen, mit dieser fürchterlichen Krankheit fertig zu werden", sagt Steinmeier. "Dazu müssen die Länder des Nordens, die medizinisch besser ausgerüstet sind als viele afrikanische Staaten, ihren Teil dazu beitragen." Steinmeier denkt dabei vor allem an Lazarette, Medikamente und Krankenstransporte und formuliert das Ziel: "Ich hoffe, dass es zu einer signifikanten Steigerung der internationalen Hilfsangebote kommt."
Wie schon im vergangenen Jahr werden auch diesmal die Nukleargespräche mit dem Iran ganz oben auf der Agenda stehen. Die "iranische Charmeoffensive" sei bei der Generalversammlung schon so etwas wie ein "Herbstritual", so sicher wie der Schulanfang oder die fallenden Blätter im Wald, schreibt Suzanne Maloney von der Brookings Institution. Die hohen Erwartungen der vergangenen Monate sind allerdings längst Befürchtungen gewichen: Es gehe fast schon um alles oder nichts, analysiert Maloney.
Bei der Vollversammlung der Vereinten Nationen wird es also vornehmlich um die aktuelle Krisenbewältigung gehen. Themen, die getrieben sind von tagespolitischen Notwendigkeiten. "Im Moment sieht es so aus, dass die UN-Agenda sehr stark diktiert wird von dem, was uns heute und morgen bewegt, und weniger von längerfristigen Fragestellungen", sagt Michael Werz vom Center for American Progress. "Das hängt auch damit zusammen, dass diese längerfristigen strategischen Erwägungen für viele Länder Diskussionen erzeugen,die unter Umständen mehr Geld kosten und politisch schwer durchzusetzen sind."
Das gelte gerade auch für Deutschland. "Und deswegen hat man auch den Eindruck, dass die Politiker ein wenig davor zurückschrecken."