UN sehen Kriegsverbrechen durch Taliban
14. August 2021Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, betonte, es sei "besonders entsetzlich und herzzerreißend, Berichte zu sehen, wonach den afghanischen Mädchen und Frauen ihre hart erkämpften Rechte entrissen werden". Und er betonte: "Angriffe auf Zivilisten sind eine schwere Verletzung des humanitären Völkerrechts und sind gleichbedeutend mit Kriegsverbrechen."
Provinzstädte fallen wie Dominosteine
Seit Beginn des Abzugs der NATO-Truppen aus Afghanistan haben die radikalislamischen Taliban weite Teile des Landes unter ihre Kontrolle gebracht. In den vergangenen acht Tagen nahmen die Islamisten rund die Hälfte der 34 afghanischen Provinzhauptstädte ein. Am Freitag standen sie nach der Eroberung der Provinzhauptstadt Pul-i-Alam nur noch 50 Kilometer vor der Hauptstadt Kabul, wie ein Regionalabgeordneter der Provinz Logar mitteilte.
Taliban attackieren Masar-i-Scharif
Inzwischen haben die islamistischen Kämpfer auch einen Angriff auf die nördliche Stadt Masar-i-Scharif gestartet. Laut Munir Ahmad Farhad, Sprecher des Gouverneurs in der Provinz Balch, attackieren die Taliban die Stadt aus mehreren Richtungen. Es sei zu schweren Kämpfen in den Außenbezirken gekommen. Über Opferzahlen ist bisher nichts bekannt. In Masar-i-Scharif befand sich bis zum Ende des Afghanistan-Einsatzes das zentrale Feldlager der dort eingesetzten Bundeswehrsoldaten.
Die Taliban hatten während ihrer Herrschaft von 1996 bis 2001 eine strenge Auslegung des islamischen Rechts in Afghanistan eingeführt. Mädchen waren von Bildung, Frauen vom Arbeitsleben ausgeschlossen. Straftaten wurden mit öffentlichen Auspeitschungen oder Hinrichtungen geahndet.
Soll Kabul abgeschnitten werden?
Nach Ansicht des US-Verteidigungsministeriums versuchen die Taliban, Kabul vom Rest des Landes abzuschneiden. Die afghanische Hauptstadt sei momentan aber nicht "unmittelbar bedroht", sagte der Sprecher des Pentagons, John Kirby.
Er warf zugleich der afghanischen Führung und den Sicherheitskräften mangelnde Kampfbereitschaft vor. Es sei "beunruhigend" zu sehen, dass die politische und militärische Führung nicht den
Willen gehabt habe, sich dem Vormarsch der militanten Islamisten zu widersetzen. Die USA hätten diesen "fehlenden Widerstand" durch die afghanischen Streitkräfte nicht vorhersehen können. Mit Blick auf die finanzielle Unterstützung der US-Regierung fügte Kirby hinzu: "Geld kann keinen Willen kaufen."
Die USA sehen sich damit in dem Land am Hindukusch zunehmend auf sich selbst gestellt. Sie wollen auch deshalb 3000 zusätzliche Soldatinnen und Soldaten an den Flughafen in Kabul verlegen. Sie sollen unter anderem die Reduzierung des Personals der US-Botschaft unterstützen. Zudem verlegen die USA bis zu 4000 weitere Soldaten nach Kuwait und noch einmal rund 1000 nach Katar, um im Bedarfsfall als Verstärkung bereitzustehen. Der Abzug der US-Soldaten aus Afghanistan soll aber weiterhin bis zum 31. August abgeschlossen werden.
Seehofer macht Zugeständnisse
Bundesinnenminister Horst Seehofer kündigte an, er wolle die Einreise afghanischer Ortskräfte erleichtern und ihre Identität notfalls erst auf deutschem Boden überprüfen lassen. "Wenn die Klärung der Identität und die Erteilung der Visa in Afghanistan nicht möglich ist, kann sie in Deutschland durchgeführt werden", sagte der CSU-Politiker der "Süddeutschen Zeitung". Seehofer weiter: "Wir sind für jedes Verfahren offen. Am Bundesinnenministerium scheitert keine Einreise von Ortskräften."
Außenminister Heiko Maas (SPD) hatte als Konsequenz auf den Vormarsch der militant-islamistischen Taliban in Afghanistan eine Reduzierung des Botschaftspersonals in Kabul auf das "absolute Minimum" angekündigt. Für die Rückholaktion sollen zwei Flugzeuge gechartert werden, mit denen dann auch afghanische Ortskräfte nach Deutschland gebracht werden sollen, die für die Bundeswehr oder Bundesministerien tätig waren oder es noch sind.
sti/haz/wa (afp, ap, rtr, dpa)