Schutz für indigene Völker
24. September 2014Jannie Lasimbang musste ihre Reisfelder auf Borneo aufgeben: Die Ackerflächen, über Generationen in Familienbesitz, brachten keine Ernte mehr ein. "Das Wasser aus unserem Fluss war zu stark verschmutzt, der Boden zu häufig überschwemmt", sagt Lasimbang. "Dabei wollte ich genauso leben wie meine Vorfahren. Das ist wichtig in unserer Kultur."
Lasimbang gehört einem indigenen Volk an. Sie ist eine Kadazan, gehört also zu den Ureinwohnern der malaysischen Insel Borneo. Ihre Erlebnisse ähneln denen vieler Menschen aus anderen Regionen der Erde. Indigene Völker sind bei Naturkatastrophen immer wieder auf sich selbst gestellt, weil sie keine rettende Hilfe bekommen. Auf sie wird häufig keine Rücksicht genommen, wenn es darum geht, den Rohstoffhunger des Rests der Welt zu stillen. Oft werden sie vertrieben, damit Unternehmen an Bodenschätze gelangen können. Sie kämpfen mit Armut und Arbeitslosigkeit.
Um dieser Ungerechtigkeit Einhalt zu gebieten, ist Jannie Lasimbang nach New York gereist. Als Vertreterin aus Asien sprach sie bei der ersten Weltkonferenz indigener Völker darüber, wie man das Leben für ihr Volk erleichtern könnte. Nach UN-Angaben gibt es rund 5000 indigene Völker, denen 370 Millionen Menschen angehören. Das sind immerhin fünf Prozent der Weltbevölkerung.
Vermächtnis für die Nachkommen
Die Konferenz wurde von den Vereinten Nationen ausgerufen. Generalsekretär Ban Ki-Moon bezeichnete sie als "eine der wichtigsten Veranstaltungen, die wir während der Generalversammlung hier in New York haben, weil sie viele unserer Aufgabenfelder vereint." Ban geht es um den Kampf gegen Diskriminierung, um den besonderen Schutz von Kindern und Frauen. Außerdem würden sich die indigenen Völker besonders stark für die Natur einsetzen. "Bitte vereinen Sie ihre Stimmen zu einem harmonischen Chor, damit ihre Rechte geschützt sind und unser Planet gerettet wird", sagte der Generalsekretär zu Beginn der zweitägigen Konferenz.
Die Liste der Ungerechtigkeiten unter denen indigene Völker zu leiden haben ist lang: "In Lateinamerika und der Karibik haben Kinder indigener Stämme im Vergleich zu ihren Altersgenossen drei Mal so oft keine Schulbildung, leben ohne Trinkwasser und ohne Wohnung", zählt Reid Ra'ad Al-Hussein auf, der Hohe UN-Kommissar für Menschenrechte. "In Afrika und Asien werden indigene Jugendliche deutlich häufiger davon abgehalten, in die Schule zu gehen - besonders Mädchen."
Bereits 2007 hatten die Vereinten Nationen eine Deklaration zum Schutz indigener Völker unterzeichnet. Nun folgt ein neues Dokument, das die Rechte der Einheimischen stärken soll. "Heute haben wir ein Vermächtnis geschaffen", sagte Rigoberta Menchu, nachdem das Papier beschlossen worden war. Die Friedensnobelpreisträgerin aus Guatemala hatte jahrelang für das Wohl der Mayas gekämpft. "Nun haben wir ein Dokument, das uns hilft, unsere Anliegen auch bei den Regierungen durchzusetzen."
Die Resolution verlangt von den UN-Mitgliedsstaaten Aktionspläne für den Schutz der eigenen indigenen Bevölkerung auszuarbeiten. Dabei geht es etwa um das Recht, Kinder nach kulturell-religiösen Traditionen zu erziehen. Auch der Anspruch auf eigene Rechtsprechung sowie der Schutz von Lebensraum sollen garantiert werden.
Diskriminierung weit verbreitet
"Es war ein langer Weg für uns alle", sagte Aili Keskitalo der Deutschen Welle. Die Präsidentin des Samischen Parlaments, deren Volksstamm in Skandinavien und Russland beheimatet ist, hatte lange Zeit auf das neue UN-Papier gehofft. Ihre Freude wurde jedoch dadurch getrübt, dass zwei samische Delegierte aus Russland an der Ausreise gehindert wurden und deshalb nicht nach New York kommen konnten.
Noch schlimmer erging es einem Krim-Tataren, der kurz vor seinem Abflug in seiner Heimat zusammengeschlagen und ausgeraubt worden war. "Das ist eine starke Mahnung, unseren Kampf auf internationaler Ebene fortzusetzen", so Keskitalo. "Diskriminierung von Ureinwohnern ist real. Deshalb brauchen wir die Unterstützung der Vereinten Nationen."
Sondergesandter für indigene Völker
"Es ist ein wichtiger Schritt", sagt auch Jannie Lasimbang vom Volk der Kadazan. Die Delegierte aus Malaysia zeigte sich mit den Formulierungen in der UN-Resolution zufrieden. "Wir konnten den Mitgliedsstaaten viele Zusagen abringen." Nun gehe es darum, die Aktionspläne mit den nationalen Gesetzgebungen zu vereinbaren.
Dass dies nicht immer einfach sein wird, dessen ist sich auch Ivan Simonovic von den Vereinten Nationen bewusst. "Unsere Aufgabe wird es sein, die Länder daran zu erinnern, wofür sie heute gestimmt haben", so der UN-Menschenrechtsexperte. "Wir können keine weiteren sieben Jahre auf den nächsten Schritt warten." Deshalb haben die Delegierten UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon gebeten, einen Sonderberichterstatter zu ernennen. Der soll dann schon im kommenden Jahr der Generalversammlung erklären, wie gut die Empfehlungen auf nationaler Ebene umgesetzt wurden.