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Endlich verbündet

Louise Osborne23. September 2014

Wissenschaftler und indigene Gruppen haben unterschiedliche Auffassungen vom Naturschutz. Maurizio Ferrari vom Forest Peoples Programme fordert, dass Umweltschützer das Wissen der Indigenen stärker einbeziehen.

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Tage Kaiga vom Volk der Huaorani im ecuadorianischen Yasuni-Nationalpark
Bild: picture alliance/WILDLIFE

Mehr als 100 Jahre lang - noch vor der Gründung des ersten Nationalpark in Yellowstone in den USA - waren Naturschützer davon überzeugt, dass Mensch und Umwelt sich eher feindlich gesonnen sind und der einzige Weg ursprüngliche Landschaften zu schützen darin besteht, diese einzuzäunen und die dort lebenden Menschen umzusiedeln.

In der Folge haben Millionen von Menschen ihre traditionelle Heimat verloren, während Naturschutzgruppen auf der ganzen Welt Schutzgebiete errichteten, die "durch menschliche Nutzung nicht wesentlich verändert wurden", schreibt die Welternährungsorganisation FAO in ihrem Waldbericht.

Aber in den letzten Jahrzehnten haben sich die Umweltschutzansätze geändert. Viele Naturschutzorganisationen versuchen nun zusammen mit lokalen Gemeinschaften, die Umwelt zu schützen, in der sie leben und halten sich dabei an die internationale Biodiversitäts-Konvention. Die UN-Weltkonferenz zu indigenen Völkern am 22. und 23. September 2014 beschäftigte sich mit den Problemen, die die rund 370 Millionen Menschen betreffen, die als Indigene in den verschiedensten Ländern der Welt leben. Das Wissen um indigene Traditionen, das lokale Gemeinschaften und auch den Naturschutz vor Ort schon lange geprägt hat, sollte bei der Konferenz im Fokus stehen und damit endlich auch einen Politikwechsel anstoßen und indigene Gemeinden stärker an Entscheidungen beteiligen.

Aber Naturschutzorganisationen müssen Resolutionen und Konventionen auch endlich in den Projekten vor Ort stärker umsetzen, fordert Maurizio Farhan Ferrari von der NGO Forest Peoples Programme, die sich für die Rechte indigener Bevölkerungen einsetzt. Dadurch, so sagt er, würden Naturschützer und die lokalen Bevölkerungen mehr Respekt füreinander lernen.

Global Ideas: Warum tun sich Indigene und Naturschutzorganisationen so schwer damit, beim Schutz bestimmter Regionen zusammenzuarbeiten?

Maurizio Ferrari: In der Vergangenheit haben viele Schutzorganisationen leider nicht verstanden, dass die lokalen Einwohner dieser Regionen über einen unglaublichen Erfahrungsschatz über die Umwelt verfügen, in der sie sich über Jahrhunderte oder Jahrtausende hinweg entwickelt haben. Dieses traditionelle Wissen muss anerkannt werden und deren Recht, das Land und seine Ressourcen zu nutzen, muss man berücksichtigen, wenn Schutzprojekte geplant werden.

Welche Fehler machen NGOs, wenn sie versuchen, mit indigenen Gemeinden zusammenzuarbeiten?

Die Konvention zur Biodiversität enthält viele positive Entscheidungen, was Rechte, Teilhabe und Unterstützung indigener Gemeinden in Schutzregionen angeht. Aber das, wozu sich sowohl NGOs als auch staatliche Schutzorganisationen auf internationaler Ebene verpflichten und bekennen und das, was sie dann auf nationaler und lokaler Ebene tatsächlich umsetzen, unterscheidet sich immer noch deutlich voneinander. Die Kommunikation scheint hier nicht besonders effektiv zu sein. Diese Organisationen müssen viel stärker versuchen, die Entscheidungen aus den Hauptquartieren in die nationalen und lokalen Büros zu tragen.

Welchen Effekt hat das auf die Arbeit vor Ort?

Wir erfahren immer noch häufig von Fällen, in denen Menschen aus Regionen umgesiedelt werden, damit dort Schutzgebiete entstehen. Aktuell wissen wir von einem Fall in Indien, in dem Menschen mit Zwangsumsiedlung gedroht wurde. Wir befassen uns auch mit einem Projekt in Kenia, bei dem vor einigen Monaten viele Häuser von lokalen Einwohnern niedergebrannt wurden, weil sie angeblich in einem geschützten Waldgebiet standen, das tatsächlich aber erst viel später als Schutzgebiet ausgewiesen wurde, nämlich als die Menschen schon längst dort lebten. Wenn das geschieht, haben die Gemeinden keinen Zugang mehr zu den Ressourcen, die sie brauchen, um ihr gewohntes Leben zu führen. Dann können sie nur noch wegziehen oder kämpfen, und das führt oft zu Konflikten.

Wie arbeitet Ihre Organisation mit indigenen Völkern zusammen, um diese Herausforderungen zu meistern?

In den vergangenen Jahren haben wir einige Projekte gehabt, in denen es um solche Konflikte ging, etwa im Ob Luang Nationalpark im Norden Thailands. Dort standen sich Nationalpark und Schutzorganisationen auf der einen Seite und die Karen und Hmong Bergstämme auf der anderen gegenüber. Einigen von ihnen drohte man mit der Umsiedlung von den Bergregionen ins Flachland. Sie baten uns schließlich, ihnen zu helfen und zu dokumentieren, wie sie traditionell schon immer die Bergregionen, Wälder und Gewässer genutzt und bewirtschaftet haben. Wir haben dann technische Unterstützung geleistet für ein gemeinschaftliches Kartografieprojekt, das 2003 gestartet ist. 2006 hatten sie dann detaillierte Karten von rund 40 Dörfern angefertigt, in denen sie klar zeigten, dass die traditionelle Nutzung der Wälder und Gewässer vollkommen im Einklang mit der nachhaltigen Nutzung von und dem Schutz der Biodiversität erfolgt.

Die Nationalpark-Behörde musste die positive Rolle der Gemeinden anerkennen, und jetzt gibt es ein kooperativ verantwortetes Projekt, bei dem alle an einem Tisch sitzen und das zur nachhaltigen Nutzung und zum Schutz der ganzen Region beiträgt. Dieses Vorgehen haben wir dokumentiert als Teil eines Prozesses - dem "Whakatane Mechanismus", der auf dem Weltpark-Kongress der Naturschutzunion IUCN im November 2014 in Sydney offiziell vorgestellt wird.

Glauben Sie, dass Schutzorganisationen nun besser mit indigenen Gemeinden arbeiten? Und was kann man weiter verbessern?

Es hat sich definitiv in die richtige Richtung bewegt. Es gibt sogar ein Netzwerk von Organisationen - eine Schutzinitiative, die die Menschenrechte im Fokus hat - viele von ihnen sind mit den Problemen vertraut und haben eigene Maßnahmen ergriffen. Innerhalb der Organisationen gibt es immer mehr Leute, die das neue Paradigma akzeptieren, dass Schutzmaßnahmen die Rechte indigener Völker und lokaler Gemeinden einbeziehen genauso wie deren Rolle und Teilhabe am Naturschutz. Aber es ist immer noch ein weiter Weg. Auf der politischen und vertraglichen Ebene hat sich viel getan, aber bei der Umsetzung vor Ort bleiben viele Probleme.

Sind indigene Gemeinden offener gegenüber Naturschutzorganisationen geworden?

Noch vor zehn oder 15 Jahren hätten wohl nur wenige indigene Gruppen Umweltschützer willkommen geheißen. Viele waren zu der Zeit sehr skeptisch geworden angesichts des Verhaltens, das Umweltorganisationen in den vorangegangenen Jahrzehnten an den Tag gelegt hatten. Indigene Gruppen glaubten, dass eine westliche Mittelschicht ihnen mit "Naturschutz" vorschreiben wollte, wie das Land zu nutzen ist, wenn es eigentlich darum ging, die nachhaltige Nutzung von Natur und Biodioversität auf der Grundlage traditionellen Wissens zu fördern. Aber ungefähr seit 2003, dem letzten IUCN-Weltpark-Kongress in Durban, hat sich viel getan in Richtung einer deutlich stärkeren Wahrnehmung und Diskussion der sozialen Auswirkungen und Probleme, die der Naturschutz mit sich bringt. Die verschiedenen Seiten verstehen einander besser und indigene Völker haben begonnen, Naturschutzorganisationen als potentielle Verbündete zu sehen.

Angehörige der Awa in Brasilien (Foto: Survival International)
Die Awa Brasiliens sind eine der wenigen Jäger-Sammler-Gemeinden, die es im Amazonas-Becken noch gibtBild: Survival International/Domenico Pugliese
Angehörige des Jumma Volkes in Bangladesch (Foto: McEvoy/Survival)
Das Jumma Volk in Bangladesch hat sich wiederholt mit dem Militär und Siedlern um sein angestammtes Land gestritten.Bild: M. McEvoy/Survival
Maurizio Ferrari vom Forrest Peoples Programme (Foto: Maurizio Ferrari)
Maurizio Ferrari vom Forrest Peoples ProgrammeBild: Maurizio Ferrari