UN-Gericht stärkt Tataren auf der Krim
19. April 2017Die ethnischen Gruppierungen auf der Krim hätten ein Recht auf eigene Organisationen und Unterricht in ihrer Sprache, erklärte das höchste Gericht der Vereinten Nationen in Den Haag in einer Interims-Entscheidung. Mit großer Mehrheit forderten die Richter die Russische Föderation auf, dafür zu sorgen, dass die Gemeinschaft der Krimtataren auch künftig in der Lage ist, ihre repräsentativen Organisationen zu erhalten. Dazu gehöre auch der Medschlis, die parlamentarische Vertretung der Krimtataren. Einstimmig beschlossen die Richter, dass Russland sicherstellen müsse, dass eine Erziehung in ukrainischer Sprache verfügbar ist.
Zugleich lehnte der Internationale Gerichtshof vorerst eine Entscheidung zu dem Vorwurf der Ukraine ab, Russland unterstütze pro-russische Separatisten im Konflikt in der Ost-Ukraine mit Geld und Waffen. Es wies auch die ukrainische Forderung nach Sofortmaßnahmen gegen den angeblichen Zufluss von Waffen und Geld aus Russland in das Krisengebiet zurück. In diesem Stadium des Verfahrens reichten die Beweise nicht aus, erklärten die Richter. Die Regierung in Kiew hatte von dem Gericht Sofortmaßnahmen gegen Russland gefordert. Das Gericht hat das Hauptverfahren zu dieser Klage noch nicht eröffnet.
Lebhaftes Echo der Konfliktparteien
Der ukrainische Außenminister Pawel Klimkin auf Twitter: "Russland muss unverzüglich die Rassendiskriminierung stoppen. Wir werden an der Umsetzung der Order des Internationalen Gerichtshofs der UN arbeiten, um den Aggressor zur stoppen." Jelena Serkal, die ukrainische Vertreterin bei der Gerichtsverhandlung, erklärte: "Die Entscheidung hebt den Ernst der Situation hervor, die durch die Handlungen der Russischen Föderation verursacht wird, und dass die Bürger der Ukraine Schutz brauchen. Das betrifft sowohl die Krim als auch den Donbass, was das Gericht deutlich hervorhob."
Die russischen Krim-Behörden bezeichneten die Entscheidung als realitätsfremd und politisch motiviert. Die Richter in Den Haag hätten zum Beispiel nicht die wochenlange Energie- und Transportblockade der Krim auf dem Landweg berücksichtigt, sagte Behördensprecher Saur Smirnow der Nachrichtenagentur Interfax. Auch würden die ukrainische und die krimtatarische Sprache ebenso wie die russische Sprache offiziell verwendet. Von Diskriminierung könne daher keine Rede sein.
Der Parlamentsabgeordnete und Ex-Vorsitzende des Medschlis, Mustafa Dschemilew, erwartet nicht, dass die russischen Behörden das Urteil befolgen werden. Dennoch sei es eine wichtige Entscheidung, sagte er Radio Swoboda: "Es ist eine moralische Unterstützung für die Krimtataren, die Verfolgung ausgesetzt sind. Das ist eindeutig."
UN-Beobachter gefordert
Im November 2016 hatte der Menschenrechtsausschuss der UN-Vollversammlung eine Resolution zu Menschenrechtsverstößen auf der Krim beschlossen. Für den Text stimmten in New York 73 Länder, 23 Staaten votierten dagegen und 76 Länder enthielten sich. In der Resolution wird Russland dazu gedrängt, UN-Beobachter auf die ukrainische Halbinsel Krim zu lassen, die es im Februar 2014 besetzt und später annektiert hatte.
Der Text verurteilt "die diskriminierenden Übergriffe, Maßnahmen und Praktiken der russischen Besatzungsbehörden gegenüber den Einwohnern" der Krim. Insbesondere die Krimtartaren und andere Minderheiten würden ungerecht behandelt. Russland wird aufgerufen, seine Entscheidung rückgängig zu machen, den Medschlis aufzulösen. Kulturelle und religiöse Institutionen der Minderheit müssten wieder aktiv werden dürfen.
Der Resolutionsentwurf war von der Ukraine mit der Unterstützung von 40 Ländern, darunter die UN-Vetomächte USA, Frankreich und Großbritannien, eingebracht worden. Gegen den Text stimmten unter anderem Russland, China und Syrien. Menschenrechtsorganisationen sind insbesondere besorgt über die Lage der muslimischen Krimtartaren, die wegen ihres Widerstands gegen die russische Herrschaft auf der Krim unterdrückt werden.
kle/sti (dpa, afpe, afpd, www.icj-cij.org)