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UN-Bericht: Globale Klimapläne brauchen "Quantensprung"

24. Oktober 2024

Der aktuelle UN-Emissionsbericht zeigt, dass wir auf eine katastrophale Erwärmung zusteuern. Die gute Nachricht: Wir haben bereits die technischen Lösungen, um dies zu verhindern.

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COP29 Logo auf einer Straße gezeichnet
Laut UN-Bericht ist der bevorstehende Klimagipfel COP29 wichtig, um Klimaschutz-Finanzierung und -Ambitionen zu steigernBild: Sergei Grits/AP Photo/picture alliance

Ohne eine beispiellose und rasche Senkung der weltweiten Treibhausgasemissionen wird die Welt in diesem Jahrhundert sehr wahrscheinlich über drei Grad Celsius wärmer, so der neueste jährliche UN-Emissionsbericht, der an diesem Donnerstag (24.10.2024) veröffentlicht wurde. Der Bericht erscheint seit 15 Jahren kurz vor der nächsten Klimakonferenz.

Der aktuelle Bericht bekräftigt die ernüchternde Botschaft vom letzten Jahr: Ohne deutlich ehrgeizigere Maßnahmen ist das Ziel des Pariser Abkommens nicht zu halten, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Durch diese Begrenzung könnten laut Wissenschaft die schwersten und unumkehrbaren Auswirkungen des Klimawandels abgewendet werden.

Selbst wenn es den Ländern gelingen würde, ihre derzeitigen Zusagen zur Emissionsreduzierung bis 2030 vollständig zu erfüllen, wird sich die Welt sehr wahrscheinlich um 2,6 Grad Celsius erwärmen.

Rettungskräfte auf Booten bei Hochwasser in Europa
Die globale Erwärmung macht extreme Wetterereignisse wie Überschwemmungen und Waldbrände häufiger und intensiverBild: David W Cerny/REUTERS

Emissionen auf Rekordhoch

"Die traurige Nachricht ist, dass es tatsächlich nicht viele Fortschritte gegeben hat, wenn wir die gesamte Bandbreite betrachten", sagt Anne Olhoff, leitende Klimaberaterin des UN-Umweltprogramms und Hauptautorin des Berichts.

"Wir hören jeden Tag, wie wichtig das Thema ist und wie sehr wir handeln müssen", so Olhoff. "Und in Wirklichkeit sehen wir nur Babyschritte, wo wir eigentlich einen Quantensprung sehen sollten."

Seit dem letzten Jahr sind die weltweiten Emissionen weiter gestiegen. Und Madagaskar ist das einzige Land, das seine Reduktionsziele für 2030 inzwischen erhöht hat, so Olhoff.

Die globalen Treibhausgasemissionen erreichten im Jahr 2023 einen neuen Rekord von über 57 Gigatonnen Kohlendioxidäquivalent und stiegen in allen Sektoren an.

Der Energiesektor war die größte Emissionsquelle, gefolgt von Verkehr, Landwirtschaft und Industrie. Auf die G20-Mitglieder (ohne die Afrikanische Union) entfielen im Jahr 2023 rund 77 Prozent der Emissionen, auf die 47 am wenigsten entwickelten Länder auf der UN-Liste dagegen nur drei Prozent.

Um die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, müssten die Emissionen bis 2030 um 42 Prozent gegenüber 2019 gesenkt werden. Um unter einer Erwärmung von zwei Grad Celsius zu blieben, sind mindestes 28 Prozent Reduzierung nötig.

Der aktuelle Bericht zeigt: Selbst wenn die Staaten ihre Klimapläne - die so genannten Nationally Determined Contributions (NDCs) - vollständig umsetzen, würden damit insgesamt nur zehn Prozent der Emissionen bis 2030 reduziert werden. 

"Der jüngste Bericht über die Emissionslücke ist eine deutliche Erinnerung daran, dass uns die Zeit davonläuft", sagte Harjeet Singh, Direktor für globales Engagement bei der Fossil Fuel Non-Proliferation Treaty Initiative, einer globalen Kampagne der Zivilgesellschaft. 

Der Bericht zeige, so Singh, dass wir heute handeln müssen, um die Temperaturen unter 1,5 Grad Celsius zu halten, "oder uns der verheerenden Realität einer Überschreitung stellen müssen".

"Es ist in der Tat äußerst frustrierend", fügte Singh hinzu. "Jedes Mal, wenn ein wissenschaftlicher Bericht herauskommt, wird eine noch schärfere Warnung ausgesprochen als zuvor. Aber sie stößt sie auf taube Ohren: Unsere politischen Führer hören nicht auf die Wissenschaft."

Der Bericht fordert von den Ländern, die nächsten Monat ihre Vertreter zum UN-Klimagipfel COP29 nach Baku (Aserbaidschan) entsenden, ihre Ambitionen und Verpflichtungen massiv zu erhöhen, bevor sie Anfang nächsten Jahres neue nationale Ziele (NDCs) einreichen.

Eine Frau bringt Solarmodule auf einem Dach an
Der Ausbau von Solar- und Windenergie könnte einen großen Teil der erforderlichen Emissionsreduktionen liefernBild: Terrence Antonio James/Zumapress/picture alliance

Technische Lösungen geben Hoffnung

Obwohl das Ausmaß der notwendigen Emissionssenkungen erschreckend hoch ist, betont Olhoff, dass es Maßnahmen und Lösungen gibt, die "bewährt, kostengünstig und in einigen Fällen sogar wettbewerbsfähig sind". 

Dem Bericht zufolge ist es nach wie vor "technisch möglich", die Emissionen im Einklang mit dem 1,5-Grad-Ziel des Pariser Abkommens zu senken.

Durch die verstärkte Nutzung von Wind- und Solarenergie könnten 27 Prozent der bis 2030 erforderlichen Emissionssenkungen und 38 Prozent der bis 2035 erforderlichen Senkungen erreicht werden, so die Schätzungen. Gleichzeitig können kostengünstige forstwirtschaftliche Strategien - einschließlich reduzierter Abholzung, verstärkter Aufforstung und besserer Waldbewirtschaftung - bis zu 20 Prozent der erforderlichen Senkungen beitragen. Der Rest könnte durch Effizienzmaßnahmen, Elektrifizierung und Umstellung auf andere Brennstoffe in den Bereichen Gebäude, Verkehr und Industrie erreicht werden.

"Das Positivste ist, dass wir alle diese Möglichkeiten haben und dass es keine guten Gründe gibt, sie nicht in viel größerem Umfang und viel schneller als bisher einzusetzen", sagt Olhoff.

Setzlinge für die Wiederaufforstung werden in Afrika gepflanzt
Aufforstung und bessere Waldwirtschaft sind laut dem Bericht eine kostengünstige Möglichkeit, Emissionen zu reduzierenBild: Sascha Quaiser

Aufstockung der Klimafinanzierung

Um die notwendigen Emissionssenkungen zu erreichen, müssten dem Bericht zufolge die Investitionen in den Klimaschutz bis 2035 um das Sechsfache von 6,7 Billionen US-Dollar auf 11,7 Billionen US-Dollar jährlich steigen.

"Das scheinen große Summen zu sein. Doch es ist nur ein Bruchteil der Gesamtkosten, die viele Länder - vor allem Schwellen- und Entwicklungsländer - in den kommenden Jahren für Infrastruktur und Energiesysteme ausgeben werden", so Olhoff.

Die jährlichen Mehrkosten für die Umlenkung von Investitionen von kohlenstoffintensiven auf kohlenstoffarme Aktivitäten betragen laut dem Bericht 0,9 bis 2,1 Billionen US-Dollar pro Jahr. "Und dabei sind noch nicht einmal alle Vorteile und alle vermiedenen Auswirkungen des Klimawandels und resultierender Schäden sowie andere Vorteile für Gesundheit, Natur und Menschen berücksichtigt", so Olhoff.

Der Bericht soll dazu beitragen, dass auf der COP29 ehrgeizigere finanzielle Zusagen gemacht werden, insbesondere von den reichen Ländern, so Singh. "Ohne ein ehrgeiziges Ziel für die Klimafinanzierung werden wir nicht in der Lage sein, die zur Emissionsreduzierung erforderlichen Maßnahmen zu beschleunigen."

Auf dem UN-Gipfel in Baku sollen sich die Länder zum ersten Mal seit 15 Jahren auf ein neues Klimafinanzierungsziel einigen. Es soll das Ziel von 2009 ersetzen, jährlich 100 Milliarden US-Dollar von den reichen Nationen zur Unterstützung der Entwicklungsländer zu mobilisieren, das erst 2022 zum ersten Mal erreicht wurde.

Der Bericht über die Emissionslücke unterstreicht auch, dass die größten Volkswirtschaften und Emittenten eine stärkere Führungsrolle übernehmen und dringende Maßnahmen ergreifen müssen.

Jeder Bruchteil eines Grades Temperaturanstieg zählt

Die globalen Temperaturen liegen derzeit bereits um fast 1,3 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau.

"Wir erleben Dürren, Brände und Überschwemmungen in einem Ausmaß, das noch vor fünf bis zehn Jahren unvorstellbar war... und wir haben in den letzten zehn Jahren viel mehr darüber gelernt, dass im Grunde jeder Bruchteil eines Grades zählt", so Olhoff.

Olhoff räumt ein, dass es frustrierend sein kann, wenn sich so wenig tut, obwohl die Folgen bekannt sind. "Ich glaube aber auch weiterhin daran, dass wir etwas bewirken können", so die UN- Klimaexpertin. "Der Bericht zeigt, dass wir so viele Möglichkeiten haben und dass es Chancen gibt, den schlimmsten Fall zu vermeiden. Wir müssen nur jetzt handeln. Dafür werde ich weiterkämpfen."

Adaption aus dem Englischen: Anke Rasper 

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Holly Young Holly Young ist Klimareporterin bei der DW Umweltredaktion in Berlin.@holly_young88