Von den UN aufgewertet
6. Dezember 2012Am Erfolg des Antrags von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hatte keiner gezweifelt. Nachdem den Palästinensern im vergangenen Jahr eine UN-Vollmitgliedschaft verwehrt blieb, wollten sie zumindest einen aufgewerteten Beobachterstatus bei den Vereinten Nationen. Monatelang verfolgte der Präsident der palästinensischen Autonomiebehörde dieses Ziel und hatte damit jetzt Erfolg. Vor der Vollversammlung forderte Abbas die Mitglieder auf, die "Geburtsturkunde für die Realität eines Staates Palästina" zu unterzeichnen. "Die internationale Gemeinschaft steht nun vor der letzten Chance, die Zwei-Staaten-Lösung zu retten", so der Palästinenserpräsident.
Deutschland enthält sich
Überzeugen konnte Abbas 138 von 193 Staaten, darunter auch Spanien, Frankreich und Italien. Neun Staaten haben dagegen gestimmt, dazu gehören die USA und Israel. Deutschland sowie 40 weitere Staaten haben sich bei der Abstimmung über den Status Palästinas bei den Vereinten Nationen der Stimme enthalten.
Man habe sich diese Entscheidung nicht leicht gemacht, sagte Außenminister Guido Westerwelle. Dennoch sei es eine abgewogene und ausgewogene Entscheidung. "Auf der einen Seite sehen wir das berechtigte Anliegen der Palästinenser nach einem eigenen Staat, auf der anderen Seite kennen wir auch unsere besondere Verantwortung für Israel und für eine friedliche und stabile Entwicklung in der Region."
Der Außenminister erklärte weiterhin, dass man zwar für einen eigenen Palästinenserstaat neben Israel eintrete, dass es aus deutscher Sicht jedoch Zweifel daran gebe, ob der Beobachterstatus Palästinas bei den Vereinten Nationen "zum jetzigen Zeitpunkt dem Friedensprozess dienlich sein kann". Man befürchte, dass er eher zu Verhärtungen führe, sagte der Außenminister. "Die entscheidenden Schritte zu echter Staatlichkeit lassen sich nur als das Ergebnis von Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern erreichen."
Keine gemeinsame europäische Linie
Damit sind die Bemühungen für eine gemeinsame Haltung der Europäischen Union in dieser Frage gescheitert. Die Bundesregierung hatte in den vergangenen Wochen immer wieder in Erwägung gezogen, gegen den Beobachterstatus zu stimmen. Dass die EU keine einheitliche Position gefunden habe, sei ein Drama, sagt der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich, im Gespräch mit der Deutschen Welle. Er hätte sich auch durchaus ein "Ja" Deutschlands vorstellen können: "Ich glaube, wir müssen alles unternehmen, um die Kräfte in Palästina zu unterstützen, die eine friedliche Vereinbarung mit Israel über eine gerechte Zwei-Staaten-Lösung erreichen wollen. Und dafür steht auch Präsident Abbas."
Dass Deutschland sich jetzt enthalten habe, sei das Mindeste, was man für den Palästinenserpräsidenten hätte tun können, so Mützenich. Der innerpalästinensische Kampf zwischen der Hamas und der Fatah, an deren Spitze Mahmud Abbas steht, sei bereits schwer genug. "Wenn er jetzt auch auf der internationalen Bühne von wichtigen europäischen Regierungen nicht unterstützt oder gar geschwächt worden wäre, dann wäre das ein fatales Signal gewesen."
Palästinenser hoffen auf mehr internationale Unterstützung
Auch wenn Mahmud Abbas es noch nicht geschafft hat, eine Vollmitgliedschaft für Palästina zu erlangen, soll der neue Status den Palästinensern den Weg aufs internationale Parkett ebnen: Mit einem aufgewerteten Beobachterstatus als Nicht-Mitgliedstaat kann Palästina unter anderem vor internationale Gerichte ziehen und Israel etwa wegen der Siedlungspolitik verklagen. Die palästinensische Politikerin Hanan Aschrawi bezeichnete die Aufnahme Palästinas als "Wendepunkt". Sie sieht den "Beginn einer neuen Ära in Palästina, in unserem Streben nach Freiheit, Unabhängigkeit, einem Ende der Besatzung und der Befreiung des Landes und der Menschen."
Israel sieht den Gang der Palästinenser zu den Vereinten Nationen als einseitigen Vertragsbruch, weil in den israelisch-palästinensischen Friedensverträgen steht, dass alle offenen Fragen durch Verhandlungen geklärt werden müssen. Der israelische UN-Botschafter Ron Prosor warnte in New York, dass die "unausgewogene" Resolution einen Rückschritt für den Frieden bedeute. Abbas erhofft sich aber im Gegenteil gerade neuen Schwung für die Nahost-Gespräche: Er hat angekündigt, er wolle direkt nach der UN-Anerkennung neue Verhandlungen mit Israel aufnehmen.