Umstrittene Uranmunition für die Ukraine
7. September 202331 Kampfpanzer vom Typ Abrams haben die USA der Ukraine bereits im Januar zugesagt. Nun will das Pentagon auch passende Munition mit höherer Schlagkraft liefern. Geplant ist ein neues Rüstungspaket für die Ukraine im Umfang von 175 Millionen Dollar - darin enthalten ist auch Munition vom Kaliber 120 Millimeter mit abgereichertem Uran.
Was genau ist Uranmunition?
Uranmunition - oder DU-Munition (von englisch: depleted uranium) - besteht zu einem Großteil aus abgereichertem Uran, das eigentlich als radioaktiver Abfall bei der Urananreicherung anfällt. Bei dieser wird Natururan in zwei Anteile getrennt. Während das angereicherte Uran einen höheren Anteil an U-235 aufweist und für Atomkraftwerke oder die Produktion von Kernwaffen genutzt wird, entsteht auf der anderen Seite auch ein großer Teil von abgereichertem Uran, das einen weit geringeren Teil dieses radioaktiven Isotopes aufweist. Dieses Uran weist dafür aber eine extrem hohe Dichte auf. In der Munitionsproduktion wird es mit anderen Metallen wie Titan oder Molybdän vermengt und zum Schutz vor Korrosion mit einem dünnen Schutzmantel aus anderem Metall umgeben.
Die schwache Radioaktivität des in der Munition enthaltenen Urans besitzt keinen militärischen Zusatznutzen, dafür entfalten die Projektile bei ihrer Anwendung eine besonders große Durchschlagskraft. Ihre Wirkungsweise ist besonders tückisch: Die Geschosse sind so hart, dass sie die Außenhaut eines Panzers durchschlagen können, zudem ist die Munition so konstruiert, dass bei ihrer Verformung durch einen Aufprall eine Spitze übrigbleibt. Der Rest des Geschosses schmilzt und setzt heißen Uranstaub frei, der sich bei Kontakt mit Sauerstoff im Innenraum des Fahrzeugs spontan entzündet und die feindliche Panzerbesatzung bei lebendigem Leib verbrennt. Führt das Fahrzeug noch Munition oder Treibstoff mit sich, kann es zusätzlich zu einer Explosion im Fahrzeuginneren kommen.
Wer besitzt diese Munition?
Bereits im Zweiten Weltkrieg führte die deutsche Wehrmacht im Auftrag der Nationalsozialisten Versuche mit Urangeschossen durch. Weil das Material knapp und teuer war, kam es aber im Krieg nicht zum Einsatz. Heute sind 21 Länder bekannt, die diese Munition in ihren Beständen haben, darunter die USA, Russland, die Türkei und Saudi-Arabien. Diese Munition auch einzusetzen hat aber bislang nur Washington zugegeben - und zwar bei Militäreinsätzen im Irak, in Ex-Jugoslawien, in Afghanistan und in Syrien. Allein während des Irakkrieges 2003 wurden hunderte Tonnen Uranmunition verschossen.
Anders als Biowaffen, chemische Kampfstoffe, Antipersonenminen oder Streubomben ist Uranmunition nicht geächtet. Es gibt kein internationales Abkommen, das den Einsatz von abgereichertem Uran explizit verbietet. Dennoch warnen Experten vor möglichen Langzeitfolgen durch in erwartbar großen Mengen freigesetztes Uran.
Droht eine Verstrahlung des Kriegsgebietes?
Abgereichertes Uran kann Menschen in seiner Umgebung kaum direkt verstrahlen: Seine Radioaktivität ist rund 40 Prozent schwächer als bei Natururan, die Strahlung kann Haut und Kleidung in der Regel nicht durchdringen. Ein Kilogramm abgereichertes Uran erzeugt in einer Entfernung von einem Meter eine jährliche Strahlendosis, die etwa einem Drittel der natürlichen Strahlenbelastung entspricht. Dennoch kann auch eine solche Strahlung auf kurze Entfernung und über einen längeren Zeitraum das Erbgut schädigen und Krebs auslösen. Noch gefährlicher ist, dass Menschen den Uranstaub über ihre Atemwege, Nahrungsmittel oder Wunden aufnehmen könnten. Denn Uran ist - wie andere Schwermetalle auch - chemisch giftig und kann für schwere Schädigungen der inneren Organe sorgen.
Wie schwer sind die Langzeitfolgen?
Wie gefährlich die langfristigen Folgen für Mensch und Natur tatsächlich sind, ist unter Experten aber umstritten. Im Irak soll es einem Bericht der Organisation Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) zufolge in den Regionen, in denen massiv Uranmunition eingesetzt wurde, zu einem deutlichen Anstieg von Missbildungen, Krebserkrankungen und anderen Folgeschäden gekommen sein. Nach Auffassung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) gebe es jedoch keine besondere radiologische Gefährdung für die Zivilbevölkerung durch Uranmunition. Auch ein 2010 von der Europäischen Kommission in Auftrag gegebenes Gutachten sieht "keine Hinweise auf Umwelt- und Gesundheitsrisiken" durch abgereichertes Uran.
Unklar ist auch, wie sehr Böden und Grundwasser durch Projektile verseucht werden könnten. Uran ist stark korrosionsanfällig; schon innerhalb von fünf bis zehn Jahren können Blindgänger im Boden durchrosten und das Uran ins Grundwasser freisetzen. Allerdings haben auch hier mehrere Untersuchungen in betroffenen Gebieten bislang nur eine minimal erhöhte Urankonzentration im Grundwasser feststellen können. Belastbare Langzeitstudien gibt es bislang jedoch nicht. Sie wären aber vonnöten – besitzt das hauptsächlich in der Munition vorkommende Isotop Uran U-238 doch eine Halbwertzeit von 4,5 Milliarden Jahren.
Wie reagiert Russland?
Der Kreml hat die von den USA geplante Lieferung von Uranmunition an die Ukraine scharf verurteilt. Von einem "klaren Zeichen der Unmenschlichkeit" spricht die russische Botschaft in Washington. Kreml-Sprecher Peskow warnte vor einer Erhöhung der Krebsraten und anderer Erkrankungen in der Ukraine und erklärte, die Verantwortung dafür liege "voll und ganz bei der Führung der Vereinigten Staaten von Amerika".
Dabei sind die US-Amerikaner nicht die ersten, die Uranmunition an die Ukraine liefern. Bereits im März hatte Großbritannien der Ukraine zugesagt, Urangeschosse für die bereits zuvor versprochenen Kampfpanzer vom Typ Challenger 2 zu liefern. Auch damals hatte Moskau erzürnt reagiert und mit Konsequenzen gedroht.