Spanien blockiert Energiewende
11. April 2014Spanien war das Sonnenparadies: Die Solarkraft boomte in der zweiten Hälfte des ersten Jahrzehnts dieses Jahrtausends. Alleine 2008 gingen Anlagen mit einer Gesamtkapazität von mehr als 2,5 Gigawatt ans Netz. Spanien hatte alles. Von der Silikonproduktion über die Entwicklung und Herstellung von Modulen und Zellen bis hin zu Installateuren und Großbetreibern.
Heute, nur sechs Jahre später, ist das alles Geschichte. Die Vergütungen für Solarstrom von alten und neuen Anlagen wurde gesenkt, der Ausbau der Photovoltaik kam fast völlig zum Erliegen. Viele Unternehmen mussten entlassen oder ganz schließen. Von 42.000 Beschäftigten sind noch 7500 übrig.
Jetzt holt die konservative Regierung unter Ministerpräsident Mariano Rajoy zu einem weiteren - verheerenden - Schlag gegen die Branche aus: Ein Gesetz, das in den nächsten Wochen durchs Parlament soll, wird die Einspeisevergütung ganz streichen. Stattdessen sollen die Anlagen nach ihrer Größe bezuschusst werden. "Vernünftige Gewinnspanne" nennt die Regierung das Ziel der neuesten Reform. 7,5 Prozent vor Steuern soll die Höchstgrenze sein. Das Industrieministerium hat dazu 576 Typen von Installationen festgelegt. Die Anlagen sollen ab 2015 je nach Kapazität, Alter, der verwendeten Technik, dem Standort in eine dieser Schubladen gesteckt werden.
"Sie schreiben immer wieder mitten im Spiel die Regeln um", beschwert sich José Donoso, Präsident des Photovoltaik-Verbandes UNEF. Donoso zog Mitte März vor den Petitionsausschuss des Europaparlamentes, mit der Bitte, die EU möge die Pläne der spanischen Regierung stoppen. "Es fehlt an jeglicher juristischen Sicherheit", beschwert sich José Donoso angesichts der rückwirkenden Kürzungen für bestehende Anlagen.
Rückwirkende Einschnitte
Mit dem neuen Gesetz werden die Betreiber "zwischen 20 und 52 Prozent ihre Gewinne einbüßen", rechnet Donoso vor. Sie müssen dann mit den Banken neue Kredite mit längeren Laufzeiten aushandeln. Doch 30 bis 50 Prozent der derzeitigen Installationen seien mit dem neuen Gesetz nicht mehr überlebensfähig, ja nicht einmal refinanzierbar. Besonders hart trifft dies die Kleininvestoren. 55.000 Privatpersonen haben ihr Erspartes in Photovoltaik gesteckt. "Schleichende Enteignung" nennen sie in der Branche, das, was ihnen jetzt droht.
Der aktuelle Gesetzesentwurf ist der vorläufige Höhepunkt einer langen Liste von Maßnahmen: 2008, noch unter der alten sozialistischen Regierung, wurde der Boom abgewürgt, der Zubau von Neuanlagen wurde begrenzt. In den folgenden Jahren wurden die Vergütungen für Solarstrom für bereits bestehende Anlagen mehrmals gekürzt. Nach dem Regierungswechsel Ende 2011 stoppten die Konservativen den weiteren Ausbau von Wind- und Solarenergie, die Einspeisevergütungen für Neuanlagen wurden gestrichen.
Solarstrom als Konkurrenz unerwünscht
Den Gegenwind bekommt die Solarwirtschaft kräftig zu spüren. Neue Anlagen werden kaum noch gebaut. Dabei fehlt es nicht an Ideen, um auch ohne staatliche Hilfe weiterzumachen. In Südspanien existieren Pläne für Großanlagen, die ganz direkt ihren Strom an den Markt bringen wollen, ohne Einspeisevergütung. Eine Kilowattstunde Strom aus der Steckdose kostet in Spanien vor Steuern rund 15 Cent. Ein großes Solarkraftwerk erzeugt es für deutlich unter zehn Cent. Doch es gibt einfach keine Genehmigungen für weitere Netzzugänge.
Ein zweites Standbein für die Solarbranche könnte der Eigenverbrauch von Solarstrom sein. In rund sechs Jahren würde sich eine Anlage für eine Familie bezahlt machen. Doch die Regierung beendet den Traum vom eigenen Strom, bevor er überhaupt beginnt. Wer seine Energie selbst produziert, soll eine "Gebühr für die Unterstützung durch das Gesamtsystem" bezahlen. Damit sind vor allem Kosten für die Gaskraftwerke gemeint, die ständig als Backup bereitstehen, falls die Sonne nicht scheint, der Wind nicht bläst und die Stauseen leer laufen. Diese Gebühr macht den eigenen Strom teurer als den aus der Steckdose. Und wer eine Anlage nicht ordnungsgemäß anmeldet, dem droht ein Bußgeld von bis zu 60 Millionen Euro. Wenn ein AKW einen Unfall verheimlicht, sind es nur 30 Millionen.
Im Dienste der Großen
Begründet wird das gesamte Gesetzespaket mit zu hohen Kosten. Der Strompreis für den Endverbraucher deckt seit Jahren die tatsächlichen Kosten des Stromsystems nicht, der Staat sitzt inzwischen auf einem Schuldenberg von 26 Milliarden Euro.
Jetzt wollen die Konservativen dieses Problem angehen. Doch gespart wird fast ausschließlich bei den Erneuerbaren - obwohl diese nur für 22 Prozent der Kosten im Stromsystem verantwortlich sind. "Alle Maßnahmen der Regierung dienen nur der Sicherung der Gewinne der großen Stromversorger", beschwert sich deshalb Javier García Breva von der "Stiftung für Erneuerbare".
Es ist ein Verteilungskampf, denn das System ist völlig überproportioniert. In den Zeiten des Baubooms von Ende der 1990er Jahre bis 2007 stieg der Energiebedarf um jährlich fünf bis sechs Prozent. Es wurden ständig neue Gas-, Wind- und Solarkraftwerke aufgebaut. Jetzt in der Wirtschaftkrise geht der Stromverbrauch seit sieben Jahren zurück. Breva schlägt vor überflüssige Gaskraftwerke der großen Stromerzeuger stillzulegen, da sie nie zum Einsatz kommen. "Wind und Sonne sind heute so wettbewerbsfähig wie das Gas", ist er sich sicher.
Breva blickt nicht nur mit Sorge auf die Kürzungen bei den Erneuerbaren. Bis 2012 finanzierten die Verbraucher mit ihrer Stromrechnung auch Maßnahmen zum effizienteren Energieeinsatz. Die Konservativen strichen auch dies. "Energiesparen bedeutet weniger Einnahmen für das Stromsystem", sagt Breva. Das ist seiner Ansicht nach der Entscheidungsgrund.