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PolitikEuropa

Aktuell: "Weihnachtsfeuerpause" bereits mehrfach gebrochen

6. Januar 2023

Trotz Putins einseitig verkündeter Waffenruhe wird weiter gekämpft. In einem abgestimmten Schritt mit den USA hat die Bundesregierung ihre bisherige Linie verlassen und stellt Marder-Panzer zur Verfügung. Ein Überblick.

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Ukrainische Soldaten am Donnerstag an der Frontlinie in Saporischschja
Ukrainische Soldaten am Donnerstag an der Frontlinie in Saporischschja Bild: Stringer/REUTERS

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Kämpfe trotz Putins Weihnachts-Waffenruhe
  • Deutschland und USA liefern Schützenpanzer in die Ukraine
  • Selenskyj dankt Scholz und Biden
  • Russland wertet deutsche Panzer-Zusage als Eskalation
  • Zahl der Bundeswehr-Kriegsdienstverweigerer fast verfünffacht 

 

In den ostukrainischen Städten Kramatorsk und Bachmut hat es am Freitag trotz der einseitig von Putin angeordneten Waffenruhe über das orthodoxe Weihnachtsfest nach ukrainischen Angaben Gefechte gegeben. Die russischen Streitkräfte hätten Kramatorsk nach dem angekündigten Beginn der Feuerpause mit Raketen angegriffen, erklärte der stellvertretende Leiter des ukrainischen Präsidialbüros, Kyrylo Tymoschenko, im Onlinedienst Telegram. Das russische Verteidigungsministerium hingegen erklärte, die Armee des Landes halte den Waffenstillstand ein.

Die Ukraine hatte bereits vorab angekündigt, sie werde die Waffenruhe ignorieren. In der Kleinstadt Bachmut seien Stellungen der russischen Truppen mit 120-Millimeter-Mörsergranaten beschossen worden, hieß es. "Auf diese Weise gratulieren wir den Besatzern zum bevorstehenden Weihnachten!", teilte das Verteidigungsministerium in Kiew mit. Der Widerstand gehe weiter, bis der letzte russische Eindringling auf ukrainischem Boden getötet sei, heißt es in einer Mitteilung des Verteidigungsministeriums in sozialen Netzwerken.

Der russische Präsident Wladimir Putin hatte kurz vor dem orthodoxen Weihnachtsfest eine 36-stündige Waffenruhe in der Ukraine angekündigt. Gemäß dem Appell des russisch-orthodoxen Patriarchen Kirill habe Putin eine Feuerpause von Freitag ab 12.00 Uhr bis zum Samstag um 24.00 Uhr (Ortszeit) angeordnet, teilte der Kreml mit. Die russische Armee soll demnach an der gesamten Front die Kämpfe einstellen. 

"Behalten Sie Ihre Scheinheiligkeit für sich"

Der russisch-orthodoxe Patriarch Kirill hatte sich ebenfalls für eine Feuerpause stark gemacht. Dagegen lehnt die Ukraine eine solche als "zynische Falle" ab. Ein Berater von Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärte, erst müssten die russischen Truppen die Ukraine verlassen. Wörtlich schrieb Mychajlo Podoljak - adressiert an den Kreml - auf Twitter: "Behalten Sie Ihre Scheinheiligkeit für sich."

Mychajlo Podoljak, Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj (Archivbild)
"Zynische Falle": Mychajlo Podoljak, Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj (Archivbild)Bild: Hennadii Minchenko/Avalon/Photoshot/picture alliance

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock äußerte sich ebenfalls ablehnend. "Eine sogenannte Feuerpause bringt den Menschen, die unter russischer Besatzung in täglicher Angst leben, weder Freiheit noch Sicherheit", schrieb die Grünen-Politikerin auf Twitter. Sie ergänzte: "Wenn Putin Frieden wollte, würde er seine Soldaten nach Hause holen, und der Krieg wäre vorbei. Aber offenbar will er den Krieg fortsetzen, nach kurzer Unterbrechung."

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck schloss sich der Auffassung von Baerbock an. Er könne nachvollziehen, dass die Ukraine nicht auf die von Kreml-Chef Wladimir Putin angekündigte Feuerpause einsteige, erklärte Habeck bei "RTL Direkt". "Wenn man selber während der Silvesternacht oder über die Weihnachtstage in der Ukraine Bomben und Raketen hageln lässt, dann ist das natürlich - so schön Waffenstillstände auch sind - wenig glaubhaft, wenn man den einseitig dann verkündet oder ausruft", fügte Habeck hinzu. 

Das Präsidialamt in Moskau hatte noch vor wenigen Tagen erklärt, eine Waffenruhe zum Fest werde es nicht geben. Die Ostkirchen feiern Weihnachten nach dem julianischen Kalender am 7. Januar

Deutschland und USA liefern Schützenpanzer in die Ukraine

Nach monatelangem Zögern wollen Deutschland und die USA der Ukraine erstmals Schützenpanzer liefern. Das vereinbarten Bundeskanzler Olaf Scholz und US-Präsident Joe Biden in einem Telefonat. Danach wird die Bundesrepublik zudem für die Luftabwehr eine Patriot-Flugabwehrbatterie zur Verfügung stellen. Washington hatte Kiew bereits eines der modernen Patriot-Systeme versprochen.

Die Regierung in Berlin entschied, den Schützenpanzer Marder abzugeben, der vor mehr als 50 Jahren für die Bundeswehr entwickelt wurde. Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte, es gehe um etwa 40 Panzer. Sie sollten voraussichtlich bis Ende März in die Ukraine geliefert werden. Die dazu in Deutschland geplante Ausbildung ukrainischer Soldaten wird nach Einschätzung von Fachleuten etwa acht Wochen dauern, wie Hebestreit mitteilte. 

USA liefern Bradley

Die USA schicken das Modell Bradley. Im Gespräch sind nach Angaben aus Washington etwa 50 Stück. Beim Marder und beim Bradley handelt sich um die ersten Schützenpanzer westlicher Bauart, die die ukrainische Armee erhält.

Ein US-Panzer fährt durch die Wüste bei Deir Ezzor in Syrien
Ein amerikanischer Bradley-Panzer, hier bei einem Einsatz in SyrienBild: Baderkhan Ahmad/AP Photo/picture alliance

Die Führung in Kiew hatte die westlichen Verbündeten und insbesondere Deutschland monatelang um Kampf- und Schützenpanzer gebeten. Auch innerhalb der Ampel-Koalition in Berlin waren entsprechende Forderungen laut geworden. Bundeskanzler Scholz hatte dagegen mehrfach betont, Deutschland werde in dieser Frage nicht im Alleingang handeln. Bisher wurden von osteuropäischen Staaten nur Panzer sowjetischer Bauart in das Kriegsgebiet geliefert. Allerdings erhielt die Ukraine bereits Flugabwehr-, Transport- oder Bergepanzer westlicher Hersteller, darunter den Flugabwehrpanzer Gepard aus Deutschland.

Der nunmehr erfolgte Kurswechsel deutete sich bereits am Mittwoch an, als der französische Präsident Emmanuel Macron dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj schwer bewaffnete Spähpanzer des Typs AMX-10 RC zusagte. Diese verfügen über eine große Kanone; sie werden vor allem zur Aufklärung eingesetzt.

Dank aus Kiew

Die Entscheidung Deutschlands und der USA zur Lieferung von Schützenpanzern an die Ukraine hat Freude und Erleichterung in Kiew ausgelöst. Präsident Selenskyj dankte Bundeskanzler  Scholz und US-Präsident Biden in der Nacht zum Freitag für die Zusage.

"Wir werden noch ein Patriot-System und mächtige Panzertechnik bekommen, das ist wirklich ein großer Sieg für unseren Staat", sagte er in seiner Videoansprache. Botschafter Oleksij Makejew twitterte schwarz-rot-goldene Herzen und die Worte "Danke Deutschland".

Russland kritisiert deutsche Panzer-Zusage

Russland hat der Bundesregierung eine gefährliche Eskalation des Konflikts in der Ukraine vorgeworfen: Mit der geplanten Lieferung von Schützenpanzern und einem Patriot-Luftabwehrsystem an die Ukraine sei eine "moralische Grenze" überschritten, "die die Bundesregierung nicht hätte überschreiten sollen", heißte es in einer Erklärung der russischen Botschaft in Berlin. Russland betrachte die Waffenlieferungen "als einen weiteren Schritt hin zur Konflikteskalation in der Ukraine".

Zahl der Bundeswehr-Kriegsdienstverweigerer fast verfünffacht 

Die Zahl der Kriegsdienstverweigerer in der Bundeswehr hat sich 2022 gegenüber dem Vorjahr fast verfünffacht. Das teilte ein Sprecher des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben dem Redaktionsnetzwerk Deutschland mit. Im Jahr 2021 seien beim Amt 201 entsprechende Anträge eingegangen, 2022 seien es insgesamt 951 gewesen. Kriegsdienstverweigerer sind seit Aussetzung der Wehrpflicht 2011 ausschließlich Menschen, die schon bei der Bundeswehr Dienst tun. 

Viele von ihnen begründen ihre Anträge angesichts des Krieges gegen die Ukraine und einer möglichen Eskalation damit, dass sie mit einer kriegerischen Auseinandersetzung nicht gerechnet hätten. Die Anträge müssen beim zuständigen Karrierecenter der Bundeswehr gestellt werden. Dieses leitet sie an das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben weiter.

Neue orthodoxe Kirche feiert im Höhlenkloster

Im ukrainischen Kirchenstreit wird die neue orthodoxe Kirche der Ukraine erstmals ihre Weihnachtsmesse im berühmten Kiewer Höhlenkloster abhalten. Metropolit Epifanij habe die Erlaubnis für die Feier des Weihnachtsgottesdiensts in der Mariä-Entschlafens-Kathedrale erhalten, teilte die Kirche mit. Der Gottesdienst werde gemäß dem Kalender der orthodoxen Kirchen am Samstag stattfinden.

Blick auf das Kiewer Höhlenkloster
Das Kiewer Höhlenkloster zählt zu den ältesten orthodoxen Klöstern (Archivbild)Bild: Efrem Lukatsky/AP Photo/picture alliance

Zuvor war der Mietvertrag der konkurrierenden ukrainisch-orthodoxen Kirche für die Kathedrale zum Jahresende nicht verlängert worden. Diese ursprünglich mit dem Moskauer Patriarchat verbundene Kirche hatte bereits vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion das Klostergelände zur Nutzung übertragen bekommen. Das zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörende Höhlenkloster befindet sich in Staatsbesitz und gilt als das größte Heiligtum der osteuropäischen orthodoxen Kirchen.

Die traditionell eng mit Russland verbundene ukrainisch-orthodoxe Kirche hatte sich erst mit dem russischen Einmarsch vom vergangenen Februar völlig von Moskau losgesagt. Zuvor war mit staatlicher Hilfe 2018 die Orthodoxe Kirche der Ukraine als neue Landeskirche gegründet worden. Sie ist dem Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel (Istanbul) zugeordnet.

haz/cw/se/sti/qu/nob (dpa, afp, rtr, kna)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.