Aktuell: Erster Getreidefrachter hat in Syrien angelegt
16. August 2022
Das Wichtigste in Kürze:
- Getreidefrachter in Syrien angekommen
- Scholz und Andersson zuversichtlich wegen NATO-Erweiterung
- Selenskyj will internationale Schutzvorkehrungen für Kraftwerk Saporischschja
- Ukrainische Streitkräfte schalten angeblich Stützpunkt der Wagner-Gruppe aus
- Explosion in Munitionsdepot auf der Krim
Das erste Schiff, das die Ukraine seit Ende der Hafenblockade verlassen hat, ist in Syrien angekommen. Das geht aus Satellitendaten hervor. Der Frachter "Razoni" hat demnach in der Hafenstadt Tartus angelegt. Das Schiff war am 1. August in der ukrainischen Hafenstadt Odessa gestartet. Es konnte seine Fracht zunächst nicht löschen, da der libanesische Käufer wegen fünfmonatiger Verspätung die Annahme der Lieferung verweigerte.
Die "Razoni" hat gut 26.000 Tonnen Getreide geladen. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine vor mehr als fünf Monaten hängen Millionen Tonnen Getreide in Häfen am Schwarzen Meer fest. Unter Vermittlung der Türkei und der UN hatten die Kriegsparteien Ende Juli ein Abkommen unterzeichnet, das die Wiederaufnahme der Exporte vorsieht.
Erstmals seit Beginn des Kriegs exportiert die Ukraine auch wieder Getreide nach Afrika. Die "Brave Commander" mit 23.000 Tonnen Weizen hat den Schwarzmeerhafen Piwdennyj in Richtung Äthiopien verlassen. Die Fracht werde nach Dschibuti in Ostafrika verschifft, teilte das ukrainische Infrastruktur-Ministerium im Onlinedienst Telegram mit. Das türkische Verteidigungsministerium spricht gar von zwei Frachtern, die im Rahmen eines von den Vereinten Nationen vermittelten Getreideexports am Hafen Piwdennyj abgelegt haben sollen.
Deutschland und Schweden hoffen bei NATO-Erweiterung auf Türkei
Bundeskanzler Olaf Scholz rechnet damit, dass auch die Türkei den NATO-Beitritt Schwedens und Finnlands rasch ratifiziert. "Meine Zuversicht ist groß, dass es jetzt sehr schnell gehen wird", sagte Scholz nach einem Treffen mit der schwedischen Ministerpräsidentin Magdalena Andersson in Stockholm. Er bezeichnete den Beitritt Schwedens und Finnlands erneut als Gewinne für die NATO.
Andersson betonte ihrerseits, dass sich Schweden an die Vereinbarung mit der Türkei halten werde. Das NATO-Mitglied Türkei hatte sein Veto gegen den Antrag Finnlands und Schwedens auf Beitritt zu dem Militärbündnis im Juni nach wochenlangen, angespannten Verhandlungen aufgegeben. Die Regierung in Ankara hatte die beiden nordischen Länder unter anderem beschuldigt, Kämpfer der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zu beherbergen und die Auslieferung zahlreicher Personen gefordert.
Scholz und Andersson sicherten der Ukraine zu, sie weiter mit Waffen zu versorgen. Scholz antwortete dabei nur indirekt auf die Frage, ob deutsche Waffen auch für die Rückeroberung der von Russland annektierten Krim verwendet werden können. Der SPD-Politiker sagte, man unterstütze die Ukraine mit Waffen, damit sie ihre territoriale Souveränität verteidigen könne. "Russland darf diesen Krieg nicht gewinnen, das ist wichtig für die Ukraine und Europa", betonte Andersson. "Solange der Krieg andauert, müssen wir standhaft bleiben."
Selenskyj will Schutzmaßnahmen für Atomkraftwerk
Unterdessen hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj an die Weltgemeinschaft appelliert, sich für die Rückgabe des von russischen Soldaten besetzten Atomkraftwerks Saporischschja an die Ukraine einzusetzen. "Wenn die Welt jetzt nicht Stärke und Entschlossenheit zeigt, um ein Atomkraftwerk zu verteidigen, bedeutet das, dass die Welt verloren hat", sagte Selenskyj in einer nächtlichen Videobotschaft. Es gehe um den Schutz vor radioaktiver Verstrahlung.
Russland hatte das Atomkraftwerk kurz nach dem Einmarsch in die Ukraine unter seine Gewalt gebracht. Die Ukraine und Russland werfen sich seit Wochen gegenseitig vor, Europas größtes Kernkraftwerk zu beschießen und damit eine atomare Katastrophe heraufzubeschwören. Eine erhöhte Radioaktivität wurde nach Angaben von Experten bisher nicht registriert.
Selenskyj forderte Moskau erneut mit Nachdruck zum Rückzug seiner Soldaten aus dem Atomkraftwerk Saporischschja auf. Er warnte einmal mehr auch vor den Folgen einer möglichen nuklearen Katastrophe. "Jeder radioaktive Zwischenfall im Atomkraftwerk Saporischschja könnte auch zu einem Schlag gegen die Staaten der Europäischen Union und gegen die Türkei und gegen Georgien und gegen die Staaten weiter entfernter Regionen werden", sagte er. "Alles hängt nur von der Richtung und der Stärke des Windes ab."
UN widersprechen russischen Vorwürfen
Angesichts anhaltender Vorwürfe wegen der Verzögerung einer internationalen Experten-Mission zum ukrainischen Atomkraftwerk Saporischschja haben die UN russischen Vorwürfen widersprochen. Anders als von Moskau dargestellt hätten die Vereinten Nationen eine Operation der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA weder verhindert noch blockiert. "Das UN-Sekretariat ist nicht befugt, Aktivitäten der IAEA zu blockieren oder abzubrechen", sagte UN-Sprecher Stephane Dujarric. Die IAEA handle unabhängig.
Dujarric betonte, dass die Ukraine eine IAEA-Mission von ukrainisch kontrolliertem Gebiet aus beschützen könne. Dennoch müsse es eine Einigung zwischen Russland und der Ukraine geben, schließlich befinde sich das Kraftwerk derzeit auf russisch kontrolliertem Territorium. Zuletzt hatte es Unstimmigkeiten darüber gegeben, wie ein Reiseweg der IAEA-Experten aussehen könnte.
Unterdessen sprachen Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu und UN-Generalsekretär António Guterres in einem Telefonat über die Lage in Saporischschja. Dabei seien die Bedingungen für einen sicheren Betrieb des Atomkraftwerks erörtert worden, teilte das Ministerium in Moskau mit. Mehr als 40 Staaten hatten Russland aufgefordert, Europas größtes Kernkraftwerk wieder der Ukraine zu übergeben. Russland lehnt das ab.
Ukraine: Stützpunkt von russischer Söldner-Truppe beschossen
Die ukrainische Armee hat nach eigenen Angaben einen Stützpunkt der russischen Söldnergruppe Wagner in der Ostukraine angegriffen. Der Stützpunkt der Wagner-Gruppe sei bei dem Präzisionsangriff zerstört worden, teilte der Gouverneur der Region Luhansk, Serhij Hajdaj, mit. Die Söldnergruppe Wagner gilt als Russlands "Schattenarmee" und soll in Krisenregionen wie Syrien, Libyen und Mali aktiv sein. Es gibt Vermutungen, dass sie mit dem russischen Oligarchen Jewgeni Prigoschin in Verbindung steht, der als enger Vertrauter von Präsident Wladimir Putin gilt. Den Söldnern werden schwere Menschenrechtsverstöße vorgeworfen, darunter Folter und gezielte Tötungen. Moskau bestreitet jegliche Verbindungen zu der Gruppe.
Erneute Explosion auf der Krim
Am frühen Dienstagmorgen kam es nach Informationen des russischen Verteidigungsministeriums zu einer Explosion in einem Militärobjekt, bei der zwei Menschen verletzt wurden. Der Vorfall soll sich in dem kleinen Ort Maiskoje auf dem Gelände eines früheren Bauernhofs ereignet haben, der von russischen Streitkräften als provisorisches Munitionslager genutzt wird.
Die Explosion wird auf einen zuvor ausgebrochenen Brand in dem Gebäude zurückgeführt. Das Ministerium spricht von einem "Sabotageakt". Auf Videos in den sozialen Netzwerken waren ein großes Feuer und eine Rauchwolke zu sehen. 2000 Menschen mussten nach offiziellen Angaben in Sicherheit gebracht werden. Durch die Detonation sollen Stromleitungen, ein Kraftwerk, Bahngleise und auch einige Wohngebäude beschädigt worden sein.
Damit ist es bereits zum dritten Mal in diesem Sommer auf der von Russland annektierten Schwarzmeer-Halbinsel zu einem schweren militärischen Zwischenfall mit Verletzten gekommen. Erst am Dienstag vor einer Woche gab es schwere Explosionen auf einem russischen Militärstützpunkt. Experten gehen davon aus, dass die Ukraine der Basis einen Schlag versetzte und dabei
mehrere Kampfjets zerstörte. Offiziell bestätigt hat Kiew den Angriff aber nicht.
Russland nutzt die 2014 annektierte Krimals Stützpunkt für die Versorgung der eigenen Truppen, die im Süden der Ukraine stehen. Die Ukraine startete zuletzt eine Gegenoffensive im Süden des Landes. Dabei konnte sie nach eigenen Angaben einige Gebiete zurückerobern.
Lettland liefert vier Militärhubschrauber an die Ukraine
Die Ukraine hat von dem EU- und NATO-Mitgliedsstaat Lettland vier Hubschrauber und sechs Panzerhaubitzen als Militärhilfe für den Krieg gegen Russland erhalten. Jeweils zwei Helikopter vom Typ Mi-17- und Mi-2 seien teils zerlegt an die ukrainische Luftwaffe geliefert worden, teilte das Verteidigungsministerium in Riga mit. Die Helikopter waren einst in der Sowjetunion entwickelt worden. "Jetzt, da ukrainische Soldaten vielerorts Gegenangriffe durchführen, werden unsere gespendeten Hubschrauber dabei helfen, Militäroperationen durchzuführen und Leben zu retten", erklärte Verteidigungsminister Artis Pabriks.
Bei den gelieferten Panzerhaubitzen soll es sich um selbstfahrende Geschütze des US-amerikanischen Typs M109 handeln. Lettland hat damit nach eigenen Angaben seit dem russischen Angriff Ende Februar militärische Hilfe im Wert von mehr 200 Millionen Euro an die Ukraine geleistet. Unter den gelieferten Waffen waren etwa Stinger-Flugabwehrraketen und Panzerabwehrwaffen.
Fünf Europäer von prorussischen Separatisten vor Gericht gestellt
In der Ostukraine haben prorussische Separatisten fünf Europäer vor Gericht gestellt, bei denen es sich russischen Medien zufolge um Söldner handeln soll. Die fünf Angeklagten - ein Schwede, ein Kroate und drei Briten - plädierten zum Prozessauftakt in Donezk auf nicht schuldig. Nach dem Gesetz der selbsternannten prorussischen Volksrepublik Donezk könnte den Europäern die Todesstrafe drohen.
Die nächste Gerichtsanhörung wurde ohne Angabe von Gründen erst für Oktober angesetzt. Nach einer Meldung der russischen Nachrichtenagentur RIA Nowosti waren der Schwede, der Kroate und einer der Briten im ukrainischen Hafen Mariupol gefangengenommen worden. Ihnen drohe wegen versuchter "Machtübernahme" und "Beteiligung an einem bewaffneten Konflikt als Söldner" die Hinrichtung. Gegen einen weiteren Briten wird demnach als einziger Vorwurf erhoben, ein Söldner zu sein. Dem dritten Briten werde der Prozess gemacht, weil er Söldner für den Kampf in der Ukraine rekrutiert habe.
Am 9. Juni hatte das oberste Gericht der selbsternannten Volksrepublik Donezk bereits zwei Briten und einen Marokkaner wegen des Vorwurfs, sie hätten als Söldner in der Ukraine gekämpft, zum Tode verurteilt. Alle drei haben Berufung gegen das Urteil eingelegt. Ausländische Regierungen weigern sich, mit der selbsternannten, von Russland anerkannten Volksrepublik Donezk zu verhandeln.
Putin kritisiert Rolle der USA
Fast sechs Monate nach Beginn seines Angriffskrieges gegen die Ukraine hält der russische Präsident Wladimir Putin am Ziel einer kompletten Einnahme des Donbass fest. Die russische Armee erfülle in den sogenannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk ihre Aufgaben, sagte der Kremlchef auf einem Militärforum in der Nähe von Moskau.
Putin warf außerdem den westlichen Ländern vor, ein "NATO-ähnliches System" auf den asiatisch-pazifischen Raum ausweiten zu wollen. So habe es sich bei dem Besuch der Präsidentin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, in Taiwan, um "eine sorgfältig geplante Provokation" gehandelt. Washington ignoriere die Souveränität anderer Länder und versuche stattdessen, "die Lage in der Region und in der Welt zu destabilisieren und ins Chaos zu stürzen".
Bei dem Forum gab es auch eine Waffenschau mit Panzern und Raketen, auf der Russland für seine Rüstungsgüter warb. Putin lobte in seiner Rede die Arbeit russischer Rüstungskonzerne bei der Ausstattung der Armee und Flotte mit "modernen Waffen, die heute für den Sieg arbeiten". Der Kremlchef sagte auch mit Blick auf internationale Gäste aus 70 Ländern, dass Russland Partner auf vielen Kontinenten habe, die Mut und Charakter zeigten, ohne sich vor den USA zu verbeugen.
Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu kritisierte indes die westliche Welt für ihre militärische Solidarität mit der Ukraine. Schoigu erklärte am Rande einer Sicherheitskonferenz in Moskau, die Einsätze ukrainischer Truppen würden von den USA und Großbritannien geplant. "Nicht nur die Koordinaten von Angriffszielen werden von westlichen Geheimdiensten bereitgestellt, sondern auch die Eingabe dieser Daten in Waffensysteme erfolgt unter voller Kontrolle westlicher Spezialisten", sagte der Minister, ohne allerdings Beweise dafür vorzulegen.
Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.
kle/ehl/djo/sti/fab (dpa, rtr, afp)