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KonflikteUkraine

Aktuell: Biden stimmt die Welt auf langen Konflikt ein

26. März 2022

Der US-Präsident demonstriert den Schulterschluss mit der Ukraine - und mit dem östlichen NATO-Mitglied Polen. Seine Worte sollen auch in Moskau widerhallen. Ein Überblick.

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Ukraine-Konflikt | US-Präsident Joe Biden zu Besuch in Polen
"Russland hat die Freiheit erwürgt": US-Präsident Joe Biden in WarschauBild: Aleksandra Szmigiel/REUTERS

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • US-Präsident Biden nennt NATO-Beistandsklausel "heilige Verpflichtung"
  • Luftangriffe im westukrainischen Lwiw
  • Proteste gegen Besatzung in Slawutitsch
  • Russland schränkt Pressefreiheit weiter ein
  • Frankreich plant Mission zur Evakuierung der Hafenstadt Mariupol

 

US-Präsident Joe Biden hat die Welt auf einen langen Konflikt um die künftige internationale Ordnung eingestimmt. Es gehe um eine "große Schlacht zwischen Demokratie und Autokratie, zwischen Freiheit und Unterdrückung, zwischen einer regelbasierten Ordnung und einer, die von brutaler Gewalt bestimmt wird", sagte Biden bei einer Rede vor dem Warschauer Königsschloss.

"Wir müssen dabei klar sehen: Diese Schlacht wird nicht in Tagen geschlagen werden oder in Monaten. Wir müssen uns für einen langen Kampf stählen." Mit den Worten des ersten polnischen Papstes Johannes Paul II., der 1978 sein Amt als katholisches Kirchenoberhaupt antrat, rief Biden: "Habt keine Angst!" und fügte hinzu: "Wir sind an Eurer Seite." Diese Worte galten den Menschen in der Ukraine, aber auch im angrenzenden Polen und anderen NATO-Staaten im Osten. Seit Generationen stehe Warschau "für die Herausforderungen der Freiheit - und den Sieg der Freiheit".

Polen | Joe Biden und Andrzej Duda
Joe Biden (rechts) mit seinem Gastgeber, dem polnischen Präsidenten Duda, in WarschauBild: Evan Vucci/AP/picture alliance

Der gegenwärtige Amtsinhaber zitierte den 16. US-Präsidenten Abraham Lincoln: "Wir müssen dagegen angehen, dass Macht Recht bricht." Vielmehr gelte: "Recht bricht Macht." Deshalb dürfe der russische Präsident Wladimir Putin nicht an der Macht bleiben. Denn unter seiner Herrschaft erwürge Russland die Demokratie.

Diese Passage der Rede sorgte sogleich für eilige Reaktionen. Ein ranghoher Vertreter des Weißen Hauses, der ungenannt blieb, betonte, Biden habe nicht zum Sturz Putins aufgerufen. "Die Botschaft des Präsidenten war, dass es Putin nicht erlaubt sein darf, Macht über seine Nachbarn oder die Region auszuüben." Aus dem Kreml hingegen kam der kühle Kommentar, nicht der US-Präsident bestimme über Russlands Staatsspitze, sondern das russische Volk.

"Sie können sich darauf verlassen"

Gleich mehrfach untermauerte der Gast aus Washington bei seinem Besuch die Zuverlässigkeit der Vereinigten Staaten im NATO-Bündnisfall. Artikel fünf des NATO-Vertrags sei eine "heilige Verpflichtung", sagte Biden bei einem Treffen mit dem polnischen Staatschef Andrzej Duda. "Sie können sich darauf verlassen - für unsere und Ihre Freiheit." Biden griff damit eine Parole aus der Zeit des polnischen Kampfes gegen die russischen Besatzer im 19. Jahrhundert auf.

Polen | Joe Biden und Andrzej Duda
"Für unsere und Ihre Freiheit": Joe Biden (links) mit Andrzej DudaBild: JANEK SKARZYNSKI/AFP/Getty Images

Der Bündnisfall-Artikel des Nordatlantikpakts schreibt fest, dass ein bewaffneter Angriff auf ein Mitglied des Verteidigungsbündnisses als Angriff auf alle NATO-Staaten betrachtet wird. Biden reagierte mit seinen Äußerungen auf wachsende Sicherheitsbedenken in Polen und anderen osteuropäischen Ländern angesichts von Russlands Angriffskrieg in der Ukraine. Nach Angaben des Nationalen Sicherheitsberaters der Vereinigten Staaten, Jake Sullivan, sind in Polen derzeit etwa 10.500 US-Soldaten stationiert.

Biden vergleicht Widerstand der Ukrainer mit Tiananmen-Protesten

Vor seinem Gespräch mit Duda traf Biden in Warschau mit dem Außen- und dem Verteidigungsminister der Ukraine, Dmytro Kuleba und Oleksij Resnikow, zusammen. Die USA hätten dabei ihr "standhaftes Bekenntnis zur Souveränität und territorialen Integrität der Ukraine" abgelegt, sagte Außenamtssprecher Ned Price.

Warschau US-Präsident Biden trifft Ukraine Außenminister Dmytro Kuleba
US-Präsident Biden (2. v. r.) mit den Außen- und Verteidigungsministern der USA und der Ukraine in WarschauBild: Evan Vucci/AP/picture alliance

Zu Beginn seines zweitägigen Besuchs hatte der US-Präsident am Freitag den Kampf der Ukrainer gegen russische Truppen gewürdigt und diesen mit den Studentenprotesten auf dem Pekinger Tiananmen-Platz 1989 verglichen. Er lobte den "Mut" und die "Widerstandsfähigkeit" der ukrainischen Bevölkerung. Als Beispiel nannte er "eine 30-jährige Frau, die sich mit einem Gewehr vor einen (russischen) Panzer stellt".

"Sie befinden sich inmitten eines Kampfes"

In der rund 90 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernten Stadt Rzeszow sagte Biden zu den dort stationierten US-Soldaten: "Sie befinden sich inmitten eines Kampfes zwischen Demokratien und Autokraten." Gemeinsam mit Duda informierte er sich auch über die Versorgung von Ukraine-Flüchtlingen und dankte Polen für dessen Aufnahmebereitschaft.

Kremlchef Putin wurde von Biden erneut als Kriegsverbrecher bezeichnet. Am Samstag verwendete der US-Präsident den englischen Begriff "butcher", der mit "Schlachter" oder "Metzger" übersetzt werden kann. Der Kreml erklärte daraufhin, die Aussagen schmälerten die Möglichkeiten für eine Verbesserung der beiderseitigen Beziehungen.

Ukraine-Krieg Lwiw | schwere Explosionen
Rauchwolken über Lwiw (Lemberg) nach Attacken aus der LuftBild: REUTERS

Noch während Bidens Besuch wurde die westukrainische Metropole Lwiw (Lemberg) aus der Luft angegriffen. Die regionale Militärverwaltung sprach ebenso wie ein CNN-Korrespondent von mehreren schweren Explosionen am Stadtrand. Es gebe mindestens fünf Verletzte, schrieb der Gouverneur der Region, Maxim Kosyzkyj. Unter anderem sei ein Treibstoffdepot getroffen worden. Die Stadt, in der sich viele Binnenflüchtlinge aufhalten, ist nur rund 80 Kilometer vor der Grenze zu Polen entfernt. Lwiw hat bisher vergleichsweise wenige Angriffe erlebt.

Selenskyj appelliert an Öl- und Gas-Förderländer

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach derweil zu den Teilnehmern des "Doha-Forums" in Katar. Per Videoschaltung forderte er das an fossilen Energieträgern reiche Land und weitere Staaten auf, ihre Fördermengen zu erhöhen, um den Ausfall der russischen Energielieferungen auszugleichen. Dann könne Russland seine Öl- und Gasvorkommen nicht "als Waffe einsetzen, um die Welt zu erpressen", sagte Selenskyj in seiner Ansprache. Länder wie Konferenzgastgeber Katar könnten einen Beitrag leisten, um die Energieversorgung in Europa zu stabilisieren. "Die Zukunft Europas hängt von Ihren Anstrengungen ab."

Ukraine-Krieg - Katar - Videobotschaft von Präsident Selenskyj in Doha
Der ukrainische Präsident Selenskyj wendet sich per Videobotschaft an die Teilnehmer eines Wirtschaftsforums in DohaBild: Mohammed Dabbous/AA/picture alliance

Selenskyj warnte die Teilnehmer des "Doha-Forums" zudem vor den Auswirkungen der drohenden Nahrungsmittelengpässe durch den Krieg gegen sein Land auch auf sie selbst. Kein Land könne vor Preisschocks bei Lebensmitteln sicher sein, sagte Selenskyj. Russische Truppen besetzten ukrainische Felder und "sprengen unsere Agrarausrüstung in die Luft", beschrieb der Präsident die Lage in seinem Land.

Proteste gegen Besatzung

Russische Truppen haben offenbar die Kontrolle über die nordukrainische Stadt Slawutitsch in der Nähe des Unglücksreaktors Tschernobyl erlangt. Sie hätten das Krankenhaus eingenommen und den Bürgermeister entführt, heißt es einer Mitteilung des Gouverneurs der Region Kiew, Oleksandr Pawljuk. Stunden später sei Bürgermeister Juri Fomitschew wieder freigekommen. Unabhängig überprüfen lassen sich diese Angaben nicht. In Slawutitsch wohnt das Personal, das früher das AKW Tschernobyl betrieb und jetzt die stillgelegten Anlagen überwacht. Die Sperrzone um Tschernobyl ist seit den ersten Tagen des Krieges von russischen Kräften besetzt.

Um gegen die russische Besatzung ihrer Stadt zu protestieren, sind Einwohner von Slawutitsch an diesem Samstag auf die Straße gegangen. Laut Militärverwaltung des Gebietes Kiew entrollten die Bürger dabei eine große ukrainische Fahne. Russische Soldaten hätten in die Luft geschossen, um die Menschen auseinanderzutreiben. Auch in russisch besetzten Städten im Süden des Landes kommt es immer wieder zu Protestkundgebungen.

Zehn Fluchtkorridore

Um Zivilisten die Flucht aus besonders umkämpften Regionen zu ermöglichen, seien im Umland Kiews und im ostukrainischen Gebiet Luhansk zehn humanitäre Korridore vereinbart worden, teilte die ukrainische Vizeregierungschefin Irina Wereschtschuk in Kiew mit. Aus der stark zerstörten Hafenstadt Mariupol gebe es keine zentralisierte Evakuierung mit Bussen, sagte Wereschtschuk der Agentur Union zufolge. Wer es schaffe, Mariupol mit dem Auto zu verlassen, könne in der nahen Stadt Berdjansk auftanken.

Drei-Länder-Initiative für Mariupol-Evakuierung

Frankreich plant gemeinsam mit der Türkei und Griechenland eine humanitäre Aktion, um kurzfristig Menschen aus der weiterhin schwer umkämpften ostukrainischen Hafenstadt in Sicherheit zu bringen. Es gebe bereits konkrete Gespräche mit dem Bürgermeister von Mariupol sowie eine Abstimmung mit Präsident Selenskyj, teilte der französische Staatschef Emmanuel Macron mit. Er werde in den nächsten 48 bis 72 Stunden erneut mit Putin sprechen, "um die Einzelheiten auszuarbeiten".

Ukraine Krieg mit Russland Mariupol
Ein zerstörter Panzer im Norden von Mariupol am MittwochBild: Maximilian Clarke/ZUMA PRESS/picture alliance

Mariupols 150.000 verbliebene Einwohner lebten dort unter "dramatischen Bedingungen", sagte Macron. Nach Angaben der örtlichen Behörden wurden in der Stadt am Asowschen Meer schon mehr als 2000 Zivilisten getötet. Allein beim Beschuss eines als Schutzort dienenden Theaters in der vergangenen Woche soll es etwa 300 Todesopfer gegeben haben.

"Russen gegen Putin"

In Tschechien lebende Russen protestierten in Prag gegen den Ukraine-Krieg. An der Aktion unter dem Motto "Russen gegen Putin" nahmen nach Polizeiangaben rund 3000 Menschen teil. Es müsse klargestellt werden, dass nicht alle Russen heimliche Unterstützer des Kremlchefs seien, hieß es in einem Aufruf der Veranstalter bei Facebook.

Tschechien Kundgebung mit dem Titel Russen gegen Putin
Kundgebung von russischen Gegnern des Angriffskrieges in der tschechischen Hauptstadt PragBild: Roman Vondrous/CTK/dpa/picture alliance

Laut Ausländerpolizei lebten zum Jahresende 2021 mehr als 45.000 Russen in Tschechien. Sie zählten damit zu den größten ausländischen Minderheiten - gleich nach Ukrainern, Slowaken und Vietnamesen. Es gibt zahlreiche russische Geschäfte, von denen manche nun demonstrativ eine ukrainische Fahne aushängen oder sich in der Flüchtlingshilfe engagieren.

Ein Eingang der russischen Botschaft im Diplomatenviertel Prag-Bubenec wurde der Zeitung "MF Dnes" zufolge mit blutroter Farbe beschmiert. Am Vortag hatte die Stadtverwaltung angekündigt, die Allee vor der russischen Botschaft in "Straße der ukrainischen Helden" umzubenennen. Ähnliche Umbenennungen gab es bereits in anderen Staaten.

Russland schränkt Pressefreiheit weiter ein

Putin setzte unterdessen ein weiteres Gesetz gegen die Verbreitung angeblicher Falschnachrichten in Kraft. Geld- oder Haftstrafen drohen nun wegen angeblicher "Fake News" über die russischen Streitkräfte, aber auch über die Arbeit russischer Staatsorgane im Ausland. Wie Medien in Moskau melden, betrifft das etwa die Arbeit von Behörden, Botschaften oder Handelsvertretungen, über deren Arbeit im Ausland aus Sicht des Kreml falsche Informationen verbreitet werden könnten.

Alexander Chinshtein
"Schutz von russischen Interessen außerhalb der Grenzen": Duma-Abgeordneter Chinshtein (Archivbild)Bild: Anton Novoderezhkin/dpa/TASS/picture alliance

Der Kreml veröffentlichte das von Putin unterzeichnete Gesetz am späten Freitagabend. Demnach drohen für die "öffentliche Verbreitung bewusster falscher Informationen unter dem Deckmantel wahrheitsgetreuer Mitteilungen" Strafen zwischen 700.000 Rubel (6300 Euro) und 1,5 Millionen Rubel (13.500 Euro) oder Freiheitsentzug bis zu drei Jahren. Das Gesetz diene jenen, "die die Interessen Russlands außerhalb seiner Grenzen schützen", hatte der Parlamentsabgeordnete Alexander Chinstein zuvor gesagt.

Deutlich härter fallen die Strafen aus für Amtsträger, die wegen solcher Handlungen verurteilt werden - mit Geldstrafen zwischen drei und fünf Millionen Rubel oder mit Straflager zwischen fünf und zehn Jahren. In besonders schweren Fällen drohen bis zu 15 Jahre Haft.

Ministerpräsident richtet Appell an die Welt

Der ukrainische Regierungschef Denys Schmyhal bat alle Bürgermeister weltweit um humanitäre Hilfe für die Bevölkerung seines Landes. Gleichzeitig appellierte er an die internationalen Partner, den späteren Wiederaufbau seines Landes zu unterstützen.

Er wende sich mit dieser Bitte nicht nur an die befreundeten Regierungen, sondern auch an die Bürgermeister europäischer und anderer Städte in der Welt, sagte Schmyhal. "Wir appellieren an Sie: Erneuern Sie die Tradition der Partnerstädte. Unterstützen Sie die ukrainischen Städte mit humanitärer Hilfe und Mitteln zum Wiederaufbau."

Unterstützung in Kirgisistan

In zahlreichen Staaten weltweit gibt es immer wieder Solidaritätskundgebungen für die Ukraine. Auch in Kirgisistan, das einst zur Sowjetunion zählte, gingen die Menschen auf die Straße. In der Hauptstadt Bischkek versammelten sich Bürger, um für den Frieden zu demonstrieren.

Kirgisistan  | Pro-Ukraine-Demo in Bischkek
Pro-Ukraine-Demo im kirgisischen Bischkek: "Stoppt den Krieg"Bild: Vladimir Voronin/AP/picture alliance

Sie schwenkten dabei ukrainische Fahnen. Außerdem hielten die Demonstranten Transparente hoch mit Aufschriften auf Englisch und Kirgisisch wie: "Kein Krieg" oder: "Putin ist ein Kriegsverbrecher".

Integrationsbeauftragte beziffert Flüchtlingszahl

Aus der Ukraine sind nach Angaben der Bundesregierung bereits mehr als 300.000 Geflüchtete nach Deutschland gekommen. Diese Zahl nannte die Integrationsbeauftragte der Regierung, Reem Alabali-Radovan. Nach wie vor kämen überwiegend Frauen mit ihren Kindern und ältere Menschen, berichtete die sozialdemokratische Politikerin.

Unkraine-Konflikt - Ankunft von Flüchtlingen aus Moldau
Ankunft von Ukraine-Flüchtlingen aus Moldau am Freitag auf dem Frankfurter FlughafenBild: Patrick Scheiber/IMAGO

"Ich bedanke mich bei allen, die in den ersten Wochen Kriegsflüchtlinge bei sich zu Hause beherbergt haben, und ihnen persönlich zur Seite stehen", sagte Alabali-Radovan der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Allerdings sehe sie es grundsätzlich als Aufgabe des Staates, für die Unterbringung der Geflüchteten zu sorgen.

Schiffsverkehr auf Bosporus wegen Seemine zwischenzeitlich angehalten

Nach der Entdeckung einer treibenden Seemine wurde auf dem Bosporus, der Mittelmeer und Schwarzes Meer verbindet, der Schiffsverkehr vorübergehend ausgesetzt. Ein Team von Tauchern habe eine "Seemine alter Art" kontrolliert zur Explosion gebracht, erklärte der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar. Rund vier Stunden später wurde der Verkehr wiederaufgenommen. Die Hintergründe sind noch unklar.

Der russische Inlandsgeheimdienst FSB hatte in der vergangenen Woche gewarnt, die ukrainische Marine habe die Häfen Odessa, Otschakiw, Tschornomorsk und Piwdenny vermint. Einige der verankerten Seeminen hätten sich im Sturm losgerissen; schlimmstenfalls könnten sie durch die türkische Meerenge ins Mittelmeer treiben. Das auf Schifffahrt spezialisierte ukrainische Portal "BlackSeaNews" berichtete dagegen, die russische Schwarzmeerflotte habe die Seeminen auf der Route zwischen Odessa und dem Bosporus gelegt. Keine der Darstellungen lässt sich derzeit überprüfen. Seit dem russischen Einmarsch am 24. Februar liegt die Schifffahrt im nordwestlichen Teil des Schwarzen Meeres ohnehin weitgehend still. Vor den Küsten der EU-und NATO-Mitglieder Rumänien und Bulgarien ist nur wenig Verkehr zu sehen.

Kiew wohl weiter im Visier der russischen Armee

Das ukrainische Militär hält einen großangelegten Angriff russischer Truppen auf die Hauptstadt Kiew immer noch für möglich. Dazu ziehe der Gegner weiterhin starke Kräfte zusammen, sagte Heeres-Stabschef Olexander Grusewitsch. Zudem würden nach Erkenntnissen der Aufklärung in der Kaukasus-Republik Dagestan spezielle Einheiten für diesen Einsatz vorbereitet. Grusewitschs Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen. Zuletzt war es ukrainischen Truppen gelungen, in der Umgebung von Kiew mehrere Stellungen und Ortschaften zurückzuerobern.

Am Freitag hatte Russland einen militärischen Strategiewechsel im Ukraine-Krieg verkündet. Die ersten bei dem "besonderen Militäreinsatz" gesetzten Ziele seien erreicht und die "ukrainischen Kampfeinheiten in bedeutendem Umfang reduziert worden", erklärte Vize-Generalstabschef Sergej Rudskoj. Damit könne die russische Armee künftig "den Großteil ihrer Anstrengungen auf das Hauptziel richten: Die Befreiung des Donbass" im Osten der Ukraine.

Beobachter werteten diese Aussagen unterschiedlich, einige gingen von gezielter Propaganda aus. Der frühere Oberkommandierende der US-Landstreitkräfte in Europa, Ben Hodges, sprach im Interview der Deutschen Welle von einem "kolossalen Versagen" der russischen Streitkräfte. "Sie haben nichts erreicht, außer zu zeigen, dass ihr Militär unter jahrzehntelanger Korruption im Verteidigungsministerium und in der Armee leidet", sagte Hodges.

Kommandozentrale der ukrainische Luftwaffe beschädigt

Das Hauptquartier der ukrainischen Luftwaffe in Winnyzja im Westen des Landes wurde bei einem Angriff getroffen. Nach Angaben der ukrainischen Armee feuerten die russischen Streitkräfte sechs Marschflugkörper ab. Einige seien von der ukrainischen Luftabwehr abgefangen worden, andere hätten das Gebäude getroffen und "erhebliche Schäden angerichtet".

Die ukrainische Luftwaffe und die Luftabwehr hätten bislang eine vollständige Kontrolle der russischen Armee über den eigenen Luftraum verhindern können, hatte ein Pentagon-Vertreter kürzlich erklärt. Die ukrainische Luftwaffe beweise dabei "großes Geschick".

Pentagon berichtet von Kämpfen um Cherson

Die ukrainische Armee hat nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums eine Offensive zur Rückeroberung der Großstadt Cherson im Süden des Landes gestartet. "Die Ukrainer versuchen, Cherson zurückzugewinnen, und wir würden sagen, dass Cherson derzeit wieder umkämpftes Territorium ist", sagte ein Pentagon-Vertreter in Washington.

"Wir können nicht genau bestätigen, wer die Kontrolle über Cherson hat, aber die Stadt scheint nicht so eindeutig unter russischer Kontrolle zu sein wie zuvor." Das nahe der von Russland annektierten Halbinsel Krim gelegene Cherson war als erste Großstadt der Ukraine Anfang März von der russischen Armee eingenommen worden.

Deutsche Waffenlieferung erreicht die Ukraine

In der Ukraine sind weitere Waffen aus Deutschland für den Kampf gegen die russischen Angreifer eingetroffen. Wie die Deutsche Presse-Agentur aus ukrainischen Regierungskreisen erfuhr, handelt es sich um 1500 Luftabwehrraketen vom Typ "Strela" und 100 Maschinengewehre MG3. Hinzu kommen acht Millionen Schuss Munition für Handfeuerwaffen.

Bundeswehrsoldaten bei einer Übung mit der Luftabwehrrakete "Strela" in Todendorf (06.10.2004)
Bundeswehrsoldaten bei einer Übung mit der Luftabwehrrakete "Strela" im Jahr 2004 in TodendorfBild: Michael Mandt/Bundeswehr/dpa/picture alliance

Außerdem seien weitere Hilfsgüter aus Deutschland für die ukrainischen Streitkräfte im Kriegsgebiet angekommen. Darunter sind 350.000 Esspakete, 50 Fahrzeuge für den medizinischen Transport und Material für die medizinische Versorgung. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte der Ukraine nach dem EU-Gipfel in Brüssel weitere Waffenlieferungen in Aussicht gestellt.

Viele UN-Staaten fordern Schutz von Journalisten

Deutschland und zahlreiche andere UN-Mitgliedsstaaten verurteilten in einer gemeinsamen Erklärung die Tötung mehrerer Journalisten im Ukraine-Krieg scharf. Das Leben und die Sicherheit von Journalisten und Medienschaffenden dort - sowohl aus der Ukraine als auch international - "sind in großer Gefahr", heißt es in der in New York veröffentlichten Erklärung. "Wir betonen, dass alle Journalisten und Medienschaffende unter internationalem Menschenrecht Zivilisten sind und keine legitimen Ziele sein können. Ihre Rechte müssen respektiert und geschützt werden."

Ukraine-Krieg erschwert zunehmend Ernährungslage

Je länger der Ukraine-Krieg dauert, desto schwieriger wird für etliche Länder die Ernährungslage. In einem aktualisierten Bericht zum Thema listet die UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO die Risiken für Handel, Preisentwicklung, Anbau und Produktion auf. Dabei geht es besonders um Sonnenblumenöl, Gerste und Weizen, aber auch um Düngemittel, mit denen Russland und die Ukraine den Weltmarkt beliefern.

So sind laut dem Bericht Armenien, die Mongolei, Aserbaidschan und Georgien zu über 90 Prozent von Weizenimporten aus Russland abhängig; Namibia und die Demokratische Republik Kongo zu zwei Dritteln.

Bereits seit 2019 sind die internationalen Preise für Weizen, Mais und Gerste um rund 70 Prozent gestiegen, Sonnenblumen- und Rapsöl um über 100 Prozent. Ähnliches gilt für Düngerpreise.

Mit "Farm" gegen Getreidespekulanten

Die EU-Mitgliedstaaten kündigten eine Initiative zur Abmilderung von Nahrungsmittelknappheit in den am stärksten betroffenen Ländern an. Das Programm mit dem Namen "Farm" ziele darauf ab, ein weltweit verfügbares Nahrungsmittelangebot zu erschwinglichen Preisen aufrechtzuerhalten, heißt es in einem am Freitag nach dem Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel veröffentlichten Papier. Mit "Farm" wollen die Europäer gegen die Spekulation auf den internationalen Märkten und insbesondere gegen die Undurchsichtigkeit der weltweiten Bestände vorgehen.

Ukraine: Nicht explodiertes Geschoss in einem Weizenfeld in Mykolayiv
Nicht explodiertes Geschoss in einem Weizenfeld in Mykolayiv am MittwochBild: Vincenzo Circosta/Zumapress/picture alliance

"Wir wollen alle Vorräte anzapfen, zum Beispiel in China, das viel Getreide lagert", sagte der französische Präsident Macron. Derartige Lagerhaltung sei eine "völlig kontraproduktive Maßnahme", die die Preise in die Höhe treibe und die ärmsten Länder daran hindere, sich zu versorgen. Darüber hinaus planen die Europäer, Entwicklungsprojekte in den am stärksten gefährdeten Ländern zu unterstützen, um die lokale Produktion zu steigern.

Europafeindliche Karikaturen "völlig unangebracht"

Frankreichs Außenministerium bestellte den russischen Botschafter nach der Veröffentlichung von Karikaturen auf dem Twitter-Account der diplomatischen Vertretung ein. "Diese Veröffentlichungen sind inakzeptabel", betonte das Außenministerium in Paris.

Eine der Zeichnungen zeigt kniende Europäer, die den Hintern einer Figur lecken, die Uncle Sam, also die USA, darstellt, und auf Englisch den Titel trägt, "Europäische Solidarität, wie sie ist". Die zweite Karikatur zeigt bildlich das kranke Europa, das auf einem Bett liegt und von seinen Peinigern, den USA und der EU, mit verschiedenen Substanzen namens "Neonazismus", "Russophobie" oder "COVID-19" geimpft wird. Die Karikaturen wurden mittlerweile vom Twitter-Account der Botschaft wieder gelöscht.

Finnland stoppt Zugverkehr nach St. Petersburg

Eine der letzten direkten Verkehrsverbindungen zwischen der EU und Russland wird eingestellt: Wie der finnische Bahnbetreiber VR mitteilte, fährt der Allegro-Schnellzug zwischen der russischen Metropole St. Petersburg und der finnischen Hauptstadt Helsinki am Sonntag vorerst zum letzten Mal. Bislang fuhr der Zug zwei Mal täglich. Die russische Ukraine-Invasion hatte die Nachfrage nach Tickets deutlich steigen lassen.

jj/uh/AR/se/wa/ack (dpa, afp, rtr, kna, ap)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert.