Mehr Plätze für Auslandspresse
12. April 2013Das Bundesverfassungsgericht ordnete an, das Oberlandesgericht München müsse "eine angemessene Zahl von Sitzplätzen an Vertreter von ausländischen Medien mit besonderem Bezug zu den Opfern der angeklagten Straftaten" vergeben. Möglich wäre, im Verfahren um den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) ein Zusatzkontingent von nicht weniger als drei Plätzen zu schaffen, die nach dem Prioritätsprinzip oder per Los vergeben würden, hieß es am Freitag aus Karlsruhe. Auch bleibe dem Gericht die Möglichkeit, die Sitzplatzvergabe oder die Akkreditierung völlig nach anderen Regeln zu gestalten.
Münchner Richter weigerten sich
Das Gericht hatte die Presseplätze nach der Reihenfolge der Anfragen verteilt und nachträgliche Änderungen mehrfach abgelehnt. "Sabah" hatte vergangene Woche per Eilantrag eine Verfassungsbeschwerde eingereicht. Wie viele weitere ausländische Medien hatte auch die türkische Zeitung keinen der begehrten Presseplätze im Gerichtsaal zugesprochen bekommen und sah sich dadurch benachteiligt.
Die Karlsruher Richter billigten den Klägern zu, das Recht auf Gleichbehandlung im publizistischen Wettbewerb könne verletzt worden sein. Die Verteilung knapper Sitzplätze müsse aber vor Ort geklärt werden, wobei es einen weiten Spielraum gebe. Drei weitere Verfassungsbeschwerden wurden nicht angenommen.
Der Prozess soll am kommenden Mittwoch am Oberlandesgericht in München beginnen. Hauptangeklagte ist die 38-jährige Beate Zschäpe. Ihr wird unter anderem Mittäterschaft in der NSU-Mordserie vorgeworfen.
Der rechtsextremistische Hintergrund der Taten blieb Polizei und Justiz lange Zeit verborgen, was eine Reihe von Skandalen und Rücktritten in den deutschen Sicherheitsbehörden ausgelöst hatte.
Erleichterung bei Türken
Türkische Politiker und Medien waren besonders empört darüber, dass kein einziger türkischer Journalist einen garantierten Presseplatz erhalten hatte, obwohl acht der zehn Opfer der rechtsextremistischen NSU-Gruppe türkischer Herkunft sind.
Die Zeitung "Sabah" nahm das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Platzvergabe im NSU-Prozess in einer ersten Reaktion mit Erleichterung auf. "Das Gericht hat uns recht gegeben", sagte der stellvertretende Chefredakteur Ismail Erel der Nachrichtenagentur dpa. "Das Gericht hat ein ganz klares Signal gesetzt." Auch der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, lobte die Karlsruher Entscheidung: "Es ist gut, dass wir das Bundesverfassungsgericht haben..."
Auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle begrüßte die Nachricht. "Ich bin sehr erleichtert über die Karlsruher Entscheidung", sagte der FDP-Politiker. Die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders, erklärte, die Karlsruher Richter hätten eine unwürdige Debatte beendet. Ähnlich äußerten sich die stellvertretende SPD-Vorsitzende Aydan Özoguz und die Grünen-Fraktionsvorsitzende Renate Künast.
SC/uh (rtr, dpa)