Was ist Heimat? Debatte um Seehofers Ministerium
10. Februar 2018- NRW-Ressortchefin Scharrenbach entgegnete, Heimat sei auch für Zugewanderte da
- Seehofer sagt, er wolle mit dem Ministerium die Abwanderung vom Land in die Städte beenden
- Laut dem bayerischen Ressortchef Söder kann mit dem Heimatministerium dem Rechtspopulismus das Wasser abgegraben werden
Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu, erläuterte in der "Berliner Zeitung", der Begriff Heimat beschreibe einen - von Mensch zu Mensch unterschiedlichen - Erfahrungs- und Gefühlsraum. "Ihn auf den politischen Kontext zu übertragen, halten wir nicht nur aufgrund der deutschen Vergangenheit für problematisch. Wir befürchten, dass er nicht Zusammenhalt und Zusammengehörigkeit, sondern Ausgrenzung und Spaltung fördert", so Sofuoglu.
Bundesinnenministerium soll erweitert werden
Dem entgegnete die nordrhein-westfälische Heimatministerin Ina Scharrenbach (CDU) in der selben Zeitung: "Heimat grenzt nicht aus, sondern schließt ein und ist etwas Verbindendes. Heimat ist für alle - auch für Zugewanderte - da und richtet sich nicht gegen irgendwen."
Zum Abschluss der Koalitionsverhandlungen am Mittwoch war bekannt geworden, dass Union und SPD das Bundesinnenministerium zu einem Heimatministerium ausbauen wollen, falls es erneut zu einer großen Koalition kommt. Dann würde das mächtige Schlüsselressort von CSU-Chef Horst Seehofer geführt, der es zu einem neuen Superministerium ausbauen würde. Dafür bekam er im Internet gleich den neuen Spitznamen "HeimatHorst" verpasst.
Weitere Beschränkungen in der Asypolitik?
Das Bundesinnenministerium ist jetzt schon für eine umfangreiche Themenpalette in der Bundesregierung zuständig. Künftig soll es sich auch noch um Bauen, Wohnen und eben Heimat kümmern. Wie genau das funktionieren soll, ist noch völlig offen. Absehbar ist aber, dass der Kurs vor allem in der Asylpolitik härter wird.
Denn mit Seehofer hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel den schärfsten Kritiker ihrer Flüchtlingspolitik ins Innenministerium geholt. Also jenen Mann, der ihr eine "Herrschaft des Unrechts" vorwarf und über viele Monate mit dem Ruf nach einer Obergrenze das Leben schwer machte.
Neben den übergroßen Blöcken Migration und innere Sicherheit ist das Haus auch für jede Menge andere Themen zuständig: von Datenschutz, Demografie und Integration über E-Government, Cybersicherheit, Katastrophenschutz und öffentlichen Dienst bis zu Sport und Religion.
Gut leben, wo die Wurzeln liegen
Seehofer selbst sagte, ihn reize es, für Wohnungen und sichere Mieten "vor allem für die kleinen Leute" zu sorgen, für Sicherheit in ganz Deutschland und für "beste Lebensbedingungen" dort, wo die Menschen verwurzelt seien.
Aber welche Aufgaben genau ein Heimatministerium auf Bundesebene haben soll, weiß noch keiner. In Nordrhein-Westfalen und in Bayern gibt es ein solches Ressort schon. In Bayern ist es ein Anhängsel des Finanzressorts und kümmert sich etwa um den Ausbau des schnellen Internets. Im Bund macht dies das Verkehrsministerium. Was also dann?
Entwicklung von Dörfern und Städten
Seehofer klagt, viele dächten, es gehe beim Heimatressort nur "um Lederhosen und Dirndl". Ja, darum gehe es auch, um die Kultur. Aber vor allem um gleichwertige Lebensbedingungen in Deutschland, um die Entwicklung von Dörfern und Städten, verbunden mit dem Wohnungsbau. So soll dem Trend zur Abwanderung in große Städte entgegengewirkt werden. Dass immer mehr, vor allem jüngere Menschen, in prosperierende Regionen gingen, sei ein "verhängnisvoller Zug", bedauert Seehofer.
In Bayern ist das Thema Bauen tatsächlich beim Innenressort angesiedelt, im Bund ist dafür bislang aber das Umweltministerium mit zuständig. Werden in Zukunft also die Bau-Referate von dort ans Innenministerium angedockt? Alles noch offen.
Söder: Neue Bundesländer brauchen Heimatministerium
Der bayerische Heimatminister Markus Söder (CSU) ließ derweil schon mal wissen, dass das neue Ministerium für einheitlichere Lebensbedingungen in Deutschland sorgen soll. Es gehe darum, Startchancen für junge Menschen zu verbessern. Insbesondere für die neuen Bundesländer, wo die rechtspopulistische AfD wachsende Erfolge verzeichnet, sei ein Heimatministerium wichtig, betonte Söder.
"Denn immer dort, wo Regionen vernachlässigt werden und Strukturen einbrechen, ziehen sich mit der Zeit auch demokratische Parteien zurück." Es gebe viele ländlich verwaiste Regionen in den neuen Bundesländern, denen man helfen könnte.
uh/rb (dpa, epd)