Türkei will Zypern-Frage lösen
22. Januar 2004
Bundesaußenminister Joschka Fischer sagte am Donnerstag (22.1.2004) in Ankara, auf der türkischen Seite werde die Dringlichkeit einer Einigung verstanden. Zypern wird am 1. Mai in die Europäische Union (EU) aufgenommen. Wenn es bis dahin keine Einigung zwischen den Volksgruppen gibt, wird die Türkei nach Brüsseler Verständnis zur Besatzungsmacht auf EU-Gebiet, weil 30.000 türkische Soldaten im Nordteil der Insel stationiert sind.
Mehrfach machte die EU auf die Bedeutung des Zypern-Konflikts für den Beitrittswunsch aufmerksam. Eine Lösung des Konflikts sei zwar keine Bedingung für den türkischen Beitritt, aber die Teilung der Insel stelle dafür ein politisches Hindernis dar, machte die EU-Kommission klar. Zypern tritt mit neun anderen Ländern am 1. Mai der EU bei. Die EU hat wiederholt den Wunsch geäußert, dabei die ganze Insel einschließlich des 1975 von türkischen Truppen besetzten Nordens aufzunehmen.
Türkei arbeitet mit "Hochdruck" an Lösung
Die Türkei arbeite nach Worten von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan mit Hochdruck an einer Lösung der Zypernfrage. Die Regierung in Ankara werde sich "bis zur letzten Minute" bemühen, noch vor dem Beitrittstermin Zyperns ein Abkommen über die Wiedervereinigung der geteilten Insel zu erreichen. "Wir werden eine Lösung erreichen, wenn die andere Seite es auch will", betonte der Ministerpräsident und kündigte an, das Thema auch bei seinem Treffen mit US-Präsident George W. Bush in der kommenden Woche anzusprechen.
Der türkische Außenminister Abdullah Gül hatte am Mittwoch (21.1.) auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundesaußenminister Joschka Fischer angekündigt, den im vergangenen Jahr von UN-Generalsekretär Kofi Annan vorgeschlagenen Plan zur Wiedervereinigung Zyperns als Empfehlung und Grundlage weiterer Gespräche zu akzeptieren.
Auch Militär für Wiedervereinigung
Selbst das einflussreiche türkische Militär hatte sich bereits vergangene Woche überraschend für eine rasche Wiedervereinigung Zyperns noch vor dem EU-Betritt der Mittelmeerinsel ausgesprochen. "Wir wünschen, dass vor Mai eine Lösung erreicht wird", sagte Vize-Generalstabschef Ilker Basbug am Freitag (16.1.) in Ankara. Der Einigungsprozess sei allerdings lang und schwierig, schränkte er zugleich ein. Das Militär könne keine hundertprozentige Garantie für eine Einigung geben, da auch andere Interessenvertreter an dem Konflikt beteiligt seien. Der Vize-Generalstabschef dementierte Medienberichte über angebliche Meinungsverschiedenheiten zwischen Regierung und Militär in der Zypern-Frage.
Die 1983 einseitig vom türkischen Volksgruppenführer Rauf Denktasch ausgerufene "Türkische Republik Nordzypern" wird nur von Ankara anerkannt. Die Bildung einer gemäßigten Regierung in Nordzypern vor wenigen Tagen hatte die Hoffnung auf eine baldige Lösung des Konflikts wiederbelebt.
Nordzyperns Regierung sucht Dialog mit Süden
Nach tagelangen Verhandlungen hatte sich die linksgerichtete Türkisch-Republikanische Partei (CTP) des designierten Ministerpräsidenten Mehmet Ali Talat am Mitte Januar auf ein Bündnis mit der Demokratischen Partei (DP) geeinigt, deren Chef Denktaschs Sohn Serdar ist. Beide Seiten streben eine Lösung des Zypern-Konflikts noch vor dem geplanten EU-Beitritt des griechischen Teils der Insel an.
Talat erklärte, die neue Regierung werde in Zusammenarbeit mit der Türkei eine "gemeinsame Politik" für neue Friedensgespräche mit dem griechischen Süden entwickeln. Sein künftiger Stellvertreter Serdar Denktasch hatte bislang wie sein Vater den UN-Friedensplan abgelehnt. Doch kürzlich erklärte Rauf Denktasch jedoch überraschend, der Plan liege nach wie vor auf dem Tisch.
Zypern ist geteilt, seit die türkischen Streitkräfte 1974 den Norden der Insel besetzten. Anlass war ein Putsch rechtsextremer griechisch-zyprischer Offiziere, die mit Unterstützung der damaligen Athener Militärjunta den Anschluss der Insel an Griechenland durchsetzen wollten. Wenn es nicht zu einer Wiedervereinigung kommt, tritt nur der griechische Süden der Europäischen Union bei.